Kapitel 2

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Er setzte einen Fuß vor den anderen.

Es war ruhig. Die Welt um ihn herum noch im Halbschlaf, nur spärlich erwacht. Vermutlich empfand er deshalb das unentwegte Geplapper des orangehaarigen Zwerges neben sich als störend. Auch die flummiartigen Bewegungen seines Begleiters nervten ihn, da sie im völligen Kontrast zu den sonst so langsam und gemächlich verlaufenden Morgenstunden standen.

„Baka! Kannst du nicht mal für eine Sekunde die Klappe halten?", fragte er genervt.

„Das geht nicht, Kageyama! Ich bin so verdammt aufgeregt! Wie schaffst du es nur, so ruhig zu bleiben?!", fragte Hinata übersprudelnd vor Nervosität.

Für gewöhnlich legte Tobio den Weg zur Schule allein zurück, sodass er die morgendliche Stille genießen konnte. Doch gestern hatte sein Klassenkamerad bei ihm übernachtet. Sie hatten vorgehabt, zusammen ihre Hausaufgaben zu erledigen, die sie über das Wochenende aufbekommen hatten. Da sie beide nicht gerade die hellsten waren, endete dieses Vorhaben allerdings in einem absoluten Fiasko. Erst nachdem sie Ennoshita via Videoanruf um Hilfe anflehten, waren sie in der Lage gewesen, unter der Anleitung des Zweitklässlers die Aufgaben sinnvoll zu beantworten.

„Weswegen sollte ich aufgeregt sein?", beantwortete Tobio monoton die Frage des kleinen Mittelblockers. Sein Blick war weiterhin geradeaus gerichtet.

Für Hinata war der Setter noch immer ein Rätsel. Kageyama wirkte oft distanziert und kühl, manchmal sogar, als wäre er der Welt entrückt. Doch wenn der Schwarzhaarige das Spielfeld betrat, dann strahlte dieser eine unglaubliche Präsenz aus, die ihn jedes Mal aufs Neue faszinierte. Ein hungriges Funkeln lag dann in den Augen des Setters und wenn sie beide ihren abgefahrenen Schnellangriff hinlegten, sprühte Kageyama förmlich vor Euphorie. Noch nie hatte er jemanden getroffen, der dieselbe Leidenschaft für Volleyball empfand wie er selbst. Doch in dem schwarzhaarigen Setter hatte er nun endlich einen Seelenverwandten gefunden. Ein Umstand, den er nie für möglich gehalten hätte.

„Weil wir heute gegen Nekoma spielen! Die gehören zu den besten Teams in Tokio!", rief Hinata aufgewühlt.

„Es ist doch nur ein Übungsspiel. Kein Grund, hier so herumzubrüllen", antwortete der Setter.

Hinata verzog den Mund zu einem Schmollen. Kageyama hatte gut reden. Schließlich hatte dieser damals an der Kitagawa Daiichi in einer der stärksten Volleyballmannschaften gespielt und konnte sein Können in zahlreichen Übungsspielen gegen andere Schulen testen. Er selbst hatte nicht mal ein richtiges Team gehabt.

Während die beiden Spieler ihren eigenen Gedanken nachhingen, kamen sie dem Gebäude und der Turnhalle der Karasuno-Oberschule immer näher. Unbemerkt beschleunigten sie zeitgleich ihre Schritte. Doch der unterbewusst von ihnen eingeleitete Wettkampf, wer als erstes den Umkleideraum erreichte, entwickelte sich alsbald zu einer ernsten Angelegenheit und beide gingen in einen ausgedehnten Sprint über. Völlig außer Atem saßen sie kurze Zeit später vor der Tür des Clubraums.

„E-Erster", presste Kageyama zwischen zwei schweren Atemzügen hervor.

„M-Morgen gewinne ich wieder, m-mach dich darauf gefasst, Bakageyama!", erwiderte Hinata angesäuert.

„Träum weiter, Schwachkopf."

„Grrrrr... Wie hast du mich gerade genannt?", rief Hinata außer sich.

Doch bevor Kageyama etwas antworten konnte, durchschnitt eine amüsierte Stimme ihren Streit.

„Oh, was ist los, hat der König etwa Probleme, seine Untertanen im Zaum zu halten?"

Kageyama versteifte sich auf der Stelle. „Nenn mich nicht so!", warnte er den großgewachsenen Mittelblocker und bedachte ihn mit einem tödlichen Blick. Doch Tsukishima kicherte nur und verschwand ohne ein weiteres Wort in die Umkleide.

Rivalität mit Folgen [Teil 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt