Kapitel 189

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„Wir sind wieder zurück!", rief Tetsurou in die Wohnung hinein, während er sich die Schuhe auszog.

Takumi betrat wenige Sekunden später den Flur. „Hallo, ihr zwei."

Tetsurou schmulte zu seinem Großvater. Er kam ihm bedrückt vor. „Was ist los?"

„Ich nehme an, ihr habt heute wieder keinen Hunger?", fragte Takumi rhetorisch, ohne die Frage seines Enkels zu beantworten.

Tobio schüttelte beschämt den Kopf.

„Ich auch nicht, Opa. Tut mir leid", entschuldigte sich Tetsurou.

„Ist schon in Ordnung. Wir haben uns das fast schon gedacht. Deshalb haben wir euch beim Abendbrot nicht mit eingeplant. Solltet ihr doch Hunger haben, findet ihr etwas im Kühlschrank."

Tetsurou nickte. Es wollte sich gar nicht vorstellen, wie viel seine Oma in den letzten Tagen an Essen hatte wegwerfen müssen, weil Tobio und er keinen Hunger hatten. „Okay."

Takumi nickte bedrückt und wandte sich zum Gehen.

„Gehen wir nach oben", sagte Tetsurou und lief los, ohne auf eine Antwort zu warten. In seinem Zimmer angekommen, warf er seine Sachen achtlos in eine Ecke und trat an seinen Kleiderschrank, um sich frische Wäsche herauszunehmen. „Ich geh unten duschen", sagte er und ging an Tobio vorbei, ihn keines Blickes würdigend.

Tobio biss sich auf die Lippe, schwieg jedoch. Er war wohl der letzte, der Tetsurou bezüglich seines unhöflichen Verhaltens tadeln sollte. Wenn jemand getadelt gehörte, dann ja wohl er selbst. Obwohl er wusste, wie verletzend sein Verhalten für Tetsurou sein musste, konnte er es nicht abstellen. Die Nachricht, dass er nächstes Wochenende unweigerlich auf seine Teammitglieder treffen würde, hatte seine Ängste wieder wachgerüttelt. Mit zerknirschtem Gesicht holte auch er sich frische Kleidung aus dem Schrank und ging in das gegenüberliegende Bad, um seinen Körper am Waschbecken und seine Haare umständlich über der Badewanne zu waschen. Seine Gedanken wanderten zu Tetsurou, der im unteren Badezimmer vermutlich gerade unter der Dusche stehen würde... nackt.

Ja, Tetsurou bevorzugte es tatsächlich, ohne Kleidung am Leib duschen zu gehen. Was er jedoch noch mehr bevorzugen würde, wäre, wenn Tobio endlich wieder gemeinsam mit ihm duschen täte. Morgen würde der Arzt Tobios Verbände abnehmen und das bedeutete, dass sie wirklich wieder zusammen duschen gehen könnten. Die Betonung lag auf ‚könnten'. Denn sollten sie bis morgen ihren Streit nicht beigelegt haben, würde er auch an diesem Tag wieder allein unter der Dusche stehen. Genervt von dieser düsteren Aussicht trocknete er sich ab, zog sich an und ging anschließend wieder nach oben. Er stockte, als er an der geschlossenen Badezimmertür vorbeikam. Vorsichtig klopfte er an. „Tobio, ist alles in Ordnung?"

„Ja!"

„Brauchst du noch lange?"

„Ich wasche noch Haare!"

„Brauchst du Hilfe?"

„Nein!"

Tetsurou grummelte verstimmt. Er wandte sich von der Tür ab und ging in sein Zimmer. Wenn Tobio fertig war mit Haare waschen, dann würde er sich den Jungen schnappen und er würde ihn erst wieder gehen lassen, wenn sie ihren Streit beigelegt hatten. Ermutigt von diesem Gedanken, setzte er sich auf die Kante seines Bettes und wartete auf Tobios Eintreffen.

In der Vergangenheit hatte sich Tobio bereits häufiger – besser gesagt: oft – die Haare über der Badewanne waschen müssen. Genau genommen immer dann, wenn seine Mutter es witzig fand, ihn mit annährend kochend heißem Wasser zu übergießen. Vielleicht konnte er es deshalb kaum erwarten, die Fäden gezogen zu bekommen und endlich wieder duschen gehen zu können – um somit dieser unschönen Erinnerung aus dem Weg gehen zu können. Von diesem Flashback in die Vergangenheit noch mehr mental gepeinigt als ohnehin schon, verließ er das Bad und tapste in Tetsurous Zimmer. Er stockte.

Rivalität mit Folgen [Teil 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt