Immer derselbe Traum

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Original von Shiorinekoi

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Immer derselbe Traum

"Nein, lasst ihn in Ruhe, er hat euch doch gar nichts getan!"
Mit einem Schrei schreckte Harry aus dem Schlaf und sah sich im Zimmer um. Zum Glück war Ron schon aufgestanden und hatte seinen Schrei nicht gehört. Vermutlich saß er schon beim Frühstück und ärgerte die anderen, allen voran Hermine, dass er, überflüssigerweise, mit vollem Körpereinsatz aß.
Nur langsam kam Harry wieder ins Hier und Jetzt, so wie immer nach einem (und besonders diesem) Alptraum. Seit Cedrics Tod war es noch schlimmer geworden. Mittlerweile verschmolzen die Personen in seinen Träumen immer öfter. Zuerst sah er den Friedhof und Wurmschwanz, der Cedric tötete. Dann verschwand die Szene, aus dem Friedhof wurde ein See mit üppiger Vegetation. Aus Wurmschwanz und den anderen Todessern wurden sein Vater, die Rumtreiber, und die übrigen Schüler von Hogwarts. Aus Cedric wurde ein hübscher, etwas schlaksiger, blasser Junge. Auf der anderen Seite stand er, Harry, zum Zusehen und Nichtstun verurteilt. Obwohl er versuchte, dem Jungen zu helfen und die Peiniger aufzuhalten, kam er trotz Bemühungen nicht von der Stelle. In diesem Augenblick schreckte er meistens hoch und verfluchte seinen Vater und dessen Freunde. Auch dieses Mal war es nicht anders, nur war es heute noch schlimmer als sonst. Da er von draußen das Lachen zweier Männer, Sirius und Remus, hören konnte, die gerade an seinem Zimmer vorbeigingen, genau wie in der Erinnerung, die er unfreiwillig gesehen hatte. Langsam drifteten Harrys Gedanken in sein drittes Schuljahr zurück…

- Flashback -

Zaubertränkestunde. Es war kurz nachdem bekannt wurde, dass Seidenschnabel getötet werden sollte, und das alles nur, weil Malfoy sich nicht an Hagrids Anweisungen, wie man einem Hippogriff gegenüber trat, halten konnte. Selber schuld, dass er gebissen wurde. Wenn er, Harry, sich so etwas in Tränke geleistet hatte, würde die Sache anders aussehen. Snape hätte ihm nicht nur Hauspunkte abgezogen und ihn nachsitzen lassen, nein, er hätte Harry auch noch vor der ganzen Klasse gedemütigt, dann erst hätte sein Professor ihn in die Krankenstation gehen lassen. Auch hätte Snape nie im Leben Rücksicht auf die Verletzung eines Schülers genommen. Aber bei Malfoy machte er natürlich eine Ausnahme. Seit dieser mit dem Arm in der Schlinge in den Unterricht kam, mussten immer andere seine Zutaten schneiden und in den Kessel werfen. Das Einzige, was der Eisprinz von Slytherin tat, war Rühren und Befehlegeben. Zum Glück traf es heute keine Gryffs, sondern Goyle, der zwar alles genau so tat, wie Malfoy es ihm auftrug, seinen eigenen Trank allerdings so ungenau braute, dass Harry, der genau danebenstand, sich fragte, wann dieser wohl in die Luft ging - oder aus plötzlich erwachtem Selbsterhaltungstrieb auf neuen Beinen, seine beiden Henkel wie Rockschöße hochhaltend, davonlief. Er schwelgte noch in dieser wohltuenden Vorstellung, als er Snape vom Lehrerpult schreien hörte. Im nächsten Augenblick kam er mit dramatisch-fledermausmäßig wehendem Umhang auf Goyle zu gerannt. Allerdings war es da schon zu spät, egal was in Goyles Kessel war, es fing bedrohlich zu zischen an. Harry merkte zu spät, dass sich nicht nur der bedenkliche Inhalt des Kessels im Raum verteilte, sondern dass dieser sich ebenfalls in die Luft erhob - und ihn rammte. Von diesem von dem unvermittelt in Treibstoff verwandelten Trank beschleunigten Geschoss wurde Harry durch den Raum geschleudert und sah nur noch, wie er auf ein Steingefäß mit silberflüssigem Inhalt zu stürzte. Der Kessel folgte nach. Anstelle des erwarteten Aufpralls spürte er einen heftigen Sog, so als würde jemand versuchen, ihn durch einen Strohhalm zu saugen.
Als der Nebelschleier sich legte, sah sich Harry vor der Schule, direkt unter seinem Lieblingsbaum, den Kessel hielt er seltsamerweise im Arm. Der Kessel zischte und brummelte vor sich hin, als beschwere er sich über die unangenehme Reise. Unter dem Baum saß ein etwa fünfzehnjähriger, schmaler, hoch aufgeschossener Junge aus Slytherin, dem Harry nicht kannte. Hinter sich hörte er Gelächter und Beleidigungen, die eindeutig auf den Jungen vor Harry zielten, da dieser bei den Stimmen deutlich blasser wurde und sich verschreckt nach einem Fluchtweg umsah. Soweit kam er allerdings gar nicht, denn schon im nächsten Moment schoss ein Zauber auf den Jungen zu, der diesen in die Luft hob und wie eine Sanduhr auf den Kopf stellte. Dabei rutschten ihm Umhang und Hemd über den Kopf, sodass er nun von der Taille aufwärts nackt war. Das schien den Peinigern noch nicht zu reichen, denn schon kam der nächste Fluch und der hilflose Junge hatte keine Hose mehr, sodass er nun verkehrt und nur in Boxershorts in der Luft hing. Das Gelächter wurde immer lauter. Und als Harry sich umsah, entdeckte er, dass mindestens die halbe Schule diesem Schauspiel beiwohnte, aber niemand dem Tun Einhalt gebot. Harry beschloss, sich diesen Spaßvögeln in den Weg zu stellen. Denn Slytherin oder nicht, niemand durfte so bloßgestellt werden. Also drehte sich Harry zu den noch immer feixenden Jungen um und wollte ihnen entgegenschreien, mit diesem grausamen Schauspiel aufzuhören. Doch als er die Jungen vor sich sah, erstarrte er. Bisher hatte er die Person, die da stand, nur auf Fotos gesehen.
Direkt neben der jüngeren Ausgabe von James Potter stand, atemlos und vor Lachen beinahe das Gleichgewicht verlierend, Sirius Black, der hier wesentlich gesünder als auf den Steckbriefen aussah, die Harry bis jetzt von ihm kannte. An James' anderer Seite erkannte er nach längerem Hinsehen, Remus Lupin. Den Jungen hinter seinem gackernden Vater erkannte er nicht.
Während Harry noch mit schockstarrer Miene auf die Szene blickte, spürte er, wie ihn jemand an den Haaren riss, und ihm nächsten Moment lag er, den inzwischen friedlichen Kessel auf seinem Bauch, in dem leeren Klassenzimmer. Snape musste die übrigen Schüler rausgeworfen haben. Als Harry seinen Blick nach oben wandern ließ, sah er in das zornige Gesicht seines Lehrers. Auf seiner Stirn bewegte sich eine Ader. Harry hatte das unwiderstehliche Bedürfnis, hinzugreifen und sie wie eine Teppichfalte glattzustreichen. Snapes Lippen waren ein schmaler Strich. Erst jetzt erkannte Harry, wer der Junge gewesen war, den sein Vater gequält hatte.
"Witziges Kerlchen, Ihr Vater. Nicht wahr, Potter?"

- Flashback Ende -

Erst später fand Harry heraus, dass in dem Gefäß, in dem er, in Begleitung des Kessels, gelandet war, Snapes Erinnerungen aufbewahrt wurden. Offenbar die schlechten. Hoffte Harry zumindest. Snape ließ ihn schwören, niemandem zu erzählen, was er gesehen hatte. Er hatte es ohnehin nicht vor.
Seit jenem Tag versetzte er es Harry immer einen Stich, wenn er mit seinem Vater verglichen wurde. Jeden Spiegel, an dem er vorbeikam, wollte er am liebsten einschlagen oder blind hexen.

Mit einem lauten Knall schlug die Tür zu Harrys und Rons Zimmer auf und Harry hielt sich vor Schreck an der Decke fest. Vor ihm stand, laut schmatzend, Ron, in seiner Hand ein Brot mit Wurst und Käse.
"Mum fagt, du follft runter tzum Frühstück kommen."
Dies waren für seine Verhältnisse durchaus annehmbare Essmanieren. Immerhin spritzten keine breiigen Brotreste durch die Gegend.
Seufzend schälte Harry sich aus der schützenden Decke, darauf achtend, dass er keine unnötigen Bewegungen machte. Dieser Sommer war schlimmer als alle vorhergegangenen und sein Körper würde ihn noch lange daran erinnern.
Ron, der sah, dass sein bester Freund endlich aufstand, nickte zufrieden und stiefelte wieder aus dem Zimmer, zurück zu seinem unterbrochenen Frühstück.
Harry zog sich an und versuchte vergeblich das Krähennest, das sich seine Haare schimpfte, zu bändigen.
Danach wünschte er seiner geliebten Hedwig einen guten Morgen, schmuste noch ein bisschen mit dem treuen Tier und machte sich dann auf zu den anderen.
Als er im Frühstücksraum im Grimmauldplatz ankam, kam von allen Seiten ein Guten Morgen. Harry setzte sich zwischen seinem Paten und Luna, deren Vater seit kurzem für den Orden arbeitete. Molly Weasley stellte ihm auch gleich einen gut gefüllten Teller vor die Nase, bei dessen Geruch Harry übel wurde und er sich fragte, wie er sich am besten davor drücken sollte, ohne die Gefühle der der Vollblutglucke zu verletzten.
Allerdings musste er sich darüber gar keine Gedanken machen, denn in dem Augenblick leuchtete der Kamin in der Küche grün und ein ebenso gefärbter und vor allem schlecht gelaunter Zaubertränkemeister entstieg diesem. Snape sah sich missbilligend im Raum um, als er auch schon von Sirius angeschnauzt wurde.
"Na Schniefilius, aus welchem Grund verdirbst du uns schon am frühen Morgen die Laune?"
Harry musste bei dieser Beleidigung an sich halten, um seinem Paten nicht anzuschreien, immerhin hatte er Snape damals versprochen, seine Klappe zu halten, auch wenn sein Lehrer ihm vermutlich nicht glaubte, dass Harry sich auch daran hielt.
"Ich kann mir auch was Besseres vorstellen, als dein Gesicht zu sehen, Black, aber Dumbledore schickt mich, um unserer Berühmtheit diesen Brief zu geben und ihn dann gleich mit zur Schule zu bringen, also lesen Sie und machen Sie sich fertig, ich habe Anderes zu tun, als für sie Posteule und Taxi zu spielen".
Mit diesen Worten überreichte Snape Harry einen Brief, den dieser zwar verwundert aber auch neugierig entgegennahm.

Sehr geehrter Mr. Potter!

Ich bitte Sie umgehend, zum Schloss zu kommen, da ich Nachrichten habe, die für sie von entscheidender Wichtigkeit sind.

Hochachtungsvoll
Griphock

Griphock? Was wollte denn der Kobold von Gringotts von ihm? Irritiert sah Harry zu seinem Professor, der nur ungeduldig mit der Hand bedeutete, ihm zu folgen.
"Harry, was steht denn in dem Brief?" Hermine, die den Gesichtsausdruck von Harry bemerkt hatte, machte sich augenblicklich Sorgen um ihren Freund.
"Das wird Potter erfahren, sobald er sich dazu herabgelassen hat, mir zu folgen, Ms. Granger", kam nun sehr ungehalten von Snape.
Sirius wollte schon protestieren, aber Harry hielt ihn mit einer Geste zurück, stand auf und folgte dem Professor zum Kamin.

SchwarzweißWo Geschichten leben. Entdecke jetzt