Kapitel 4

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Das konnte doch echt nichr wahr sein. Schon wieder vibrierte mein Handy in meiner Hand. So ging das schon die ganze Zeit seit ich mein Tortenstück heruntergeschlungen hatte. Ich schaute auf das Display und sofort durchströmte mich ein warmes Gefühl. "Hallo Tiger.", meldete ich mich und sofort kam ein tiefes, kehliges Lachen als Antwort. "Na Mausi, noch gar nicht beim Feiern? Ist denn wenigstens mein Geschenk pünktlich angekommen?" Was für ein Geschenk? "Wenn ich so lange auf eine Antwort warten muss, wohl nicht." Ich hörte die Enttäuschung in Marvins Stimme. Mein allerbester Freund hatte Leo ein Geschenk zum Geburtstag geschickt. Das überraschte mich jetzt doch, denn leider hatten wir ja erst wieder seit kurzem Kontakt. Ich fragte mich immer noch, wie das jemals hatte passieren können. Na ja gut. So ein bisschen wusste ich es schon. Als ich vor fünfzehn Jahren Roman geheiratet hatte, waren meine Prioritäten auf einmal andere. Dann war auch ziemlich schnell Leo geboren worden. Und Marvin hatte ja auch mit seiner Karriere zu tun. Er war genau wie Roman Profi-Fußballer gewesen. Ich hatte ihn damals bei Hertha kennengelernt, als ich in den Semesterferien dort immer Franzi geholfen hatte. Das waren noch Zeiten gewesen. Man hatten wir Spaß zusammen gehabt. Witzigerweise war bei uns aber nie dieser berühmte Funke übergesprungen. Irgendwie waren wir einfach nur gute Freunde. Aber das war eine Sache, die weder Roman und noch viel weniger Ina, Marvins Frau, jemals verstanden hatte. Sie hatte auch dafür gesorgt, dass unser Kontakt sich auf eine sporadische Mail an Weihnachten und zum Geburtstag beschränkt hatte. Es war eine absolute Überraschung gewesen, als ich Marvin vor Weihnachten durch Zufall in Berlin bei einem Shooting getroffen hatte. Sofort hatten wir uns wieder wie früher verstanden. Und da sich seine Frau nach Indien abgesetzt hatte, um sich selbst zu verwirklichen, stand unserem Kontakt auch keiner mehr im Weg. ich fragte mich echt, was in der Frau vor sich ging, ihren Mann einfach mit den zwei Kindern sitzen zu lasse. Das wäre für mich unvorstellbar. Marvin musste also von einen Tag auf den anderen mit der siebenjährigen Ella und dem dreizehnjährigen Mika alleine klar kommen. Und das machte er richtig klasse, wie ich im Weihnachtsurlaub in der Schweiz feststellen konnte. Man, war das schön gewesen, dass er dort im gleichen Hotel wie wir war und das wir soviel zusammen unternommen hatten. Das war wie in alten Zeiten. Ich musste grinsen. Ja, wir telefonierten jetzt auch wie früher täglich. Es tat einfach gut jemanden zu haben, der zuhörte. "Was hast du denn Leo geschenkt?" So ein bisschen neugierig war ich ja schon. "Einen Gutschein für einen Ausflug mit uns in die Trampolinhalle und anschließendes Pizza-Essen. Du kommst doch auch mit? Ich habe es für Mitte März gebucht, wenn Osterferien sind." Das war typisch für meinen Tiger. Der machte immer sofort Nägel mit Köpfen. "Klar bin ich dabei.", lachte ich. Das würde ich mir nicht entgehen lasse. An der Tür klingelte es. "Ich muss kurz aufmachen.", vertröstete ich ihn und öffnete die Tür. Vor mir stand ein Blumenbote mit zwei Sträußen in der Hand. "Für Frau Jasmin Bürki." Er hielt mir einen bunten Rosenstrauß entgegen. "Und für Frau Leokardia Bürki." Ein weiterer Strauß mit allen möglichen bunten Blumen folgte. In beiden Sträußen steckte ein Umschlag. Ich griff schnell zu meinem Portemonnaie, das auf dem Garderobentisch lag und gab dem Boten einen Zehneuroschein. Freudig grinsend zog er von dannen und ich schloss die Tür. "Dann ist mein Geschenk ja doch noch rechtzeitig da.", ertönte Marvins Stimme aus dem zwischen Schulter und Ohr geklemmten Handy. "Ja, aber warum Blumen für mich?", fragte ich ratlos. "Weil du am heutigen Tag vor fünfzehn Jahren auch eine Höchstleistung vollbracht hast. Und weil ich weiß, dass du dich immer über Blumen freust." Da hatte er recht. Ich liebte Blumen. Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal welche von Roman bekommen? Das musste ewig her sein. Ich konnte mich jedenfalls nicht mehr daran erinnern. "Danke, Tiger." Ich lief mit den Sträußen ins Wohnzimmer, nachdem ich das Gespräch beendet hatte. "Blumen?", Roman schaute mich verwundert an. Ich nickte. "Hier Leo, die sind für dich. Von Marvin und den Kindern. Schau mal, da ist auch ein Umschlag." Meine Tochter zog den Umschlag aus dem Strauß in ihrer Hand und öffnete ihn. Kurze Zeit später strahlte ihr Gesicht. "Cool. In die Trampolinhalle wollte ich schon immer einmal." Roman schüttelte den Kopf. "Das kannst du vergessen. Das birgt viel zu viel Verletzungsrisiko. Du willst Profi werden, da sind solche Kindereien verboten. Das müsste der liebe Herr Plattenhardt als Ex-Profi aber auch wissen. Naja, er hat es wohl nie richtig ernst genommen, deshalb hat er auch bei diesem Dorfverein gespielt. Und du gehe dich jetzt umziehen. Wir müssen bald los. Wir wollen ja nicht zu spät zu deiner Geburtstagsfeier kommen." Leo nickte enttäuscht und machte sich auf den Weg. "Pass ma uff, Hertha ist der Hauptstadtclub und keen Dorfverein.", ertönte die Stimme empörte meines Vaters, der früher eine Dauerkarte von Hertha hatte und such heute noch jedes Spiel verfolgte."Und der Mann is soja 2022 Weltmeester jeworden. Dit kann ja nich jeder hier im Raum von sich behaupten." Ja, da hatte mein Papa recht. Er hatte Marvin schon immer gemocht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er damals gehofft hatte, dass aus uns beiden was wurde. "Papa, welches Kleid soll ich anziehen? Ich muss doch die hübscheste sein." Delphine tanzte mit drei Kleidern vor ihrem Vater herum. Mich ignorierte sie total. "Das ist heute egal. Heute ist Leo die Hauptperson.", griff ich ein. Dephie schaute mich empört an. "Niemand ist wichtiger als ich, stimmt's Papa." Dicke Krokodilstränen liefen über ihre Wangen. Roman bückte sich sofort zu ihr und zog sie in seine Arme. "Du bist das allerwichtigste.", tröstete er sie. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Wie sollte sie so jemals mit anderen Kindern in ihrem Alter klar kommen. Ich musste da sofort intervenieren. "Heute ist Leos Tag.", begann ich, als ich von einer piepsigen Stimme unterbrochen wurde. "Mama, du mis hilfst?" Daniel schaute mich bettelnd an, während mein Blick auf sein Hemd fiel, das total verquer geknöpft war. Ich beugte mich zu ihm runter und hob ihn auf meinen Arm "Komm, wir gehen in dein Zimmer und ziehen dich fertig an." Der Kleine schlang seine Arme um meinen Hals und kuschelte sich an mich. "Danke Mama." "Du sollst das Bürschli nicht immer tragen.", erscholl Romans empörte Stimme hinter mir. Ich lief weiter und tat einfach so, als hörte ich ihn nicht. Ich hatte jetzt weder Zeit noch Kraft für so eine überflüssige Diskussion. Außerdem war heute Leos Geburtstag und das sollte ein schöner Tag werden und keiner an dem sich ihre Eltern stritten. Und zu einem Streit würde es garantiert kommen, wenn ich  darauf reagierte.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt