Kapitel 62

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Leo lief grinsend wie ein Honigkuckenpferd neben mir zum Auto und schaute auf ihre Hand, die nur noch leicht eingebunden war. "Cool, jetzt ist dieses Scheißding endlich weg." Ich musste auch grinsen. Meine Erleichterung war riesig, denn der Doktor hatte und versichert, dass alles wieder richtig gut verheilt war. Das zeigte auch das Röntgenbild, das er von Leos Hand gemacht hatte. "Und hatte Opi nun recht?" "Ja, Superopi hat immer recht.", gackerte Leo ausgelassen. Auch ihr war die Erleichterung deutlich anzumerken. "Können wir jetzt gleich noch zu dem Therapeuten, damit ich heute noch mit der Handtherapie anfangen kann? Weil je schneller ich anfange, je schneller bin ich auch wieder voll funktionstüchtig." Ja, so war meine Tochter. Erst zerknirrscht, aber jetzt schon wieder ungeduldig und ehrgeizig. "Leo, der hat jetzt schon zu, aber ich rufe da gleich morgen früh an, damit du ganz schnell einen Termin bekommst." Als Antwort bekam ich einen Flunsch "Mist ich würde heute am liebsten gleich anfangen." Ich musste unbedingt mit dem Therapeuten sprechen, dass er aufpasste, dass sie nicht gleich übertrieb. "Wir müssen jetzt aber noch ganz dringend schnell in den Supermarkt und Zuckerwatte kaufen.", wechselte ich das Thema. "Zuckerwatte?" Leo schaute mich verwundert an. "Ja, Zuckerwatte und wenn möglich blau.....", begann ich und erzählte ihr von Danis Herstellungsversuch. "Der Kleine ist echt kreativ.", schmunzelte sie "Aber ist ja auch eigentlich ein völlig beklopptes Wort, das in die Irre führt. Aber sag' mal ist das was ernstes zwischen ihm und Carmen?" Leos freches Grinsen brachte mich auch zum Lachen. Ich stupste sie in die Seite "Das kann man nie wissen." "Ja, genau. Die berühmte Kindergartenliebe." Wieder schüttete sie sich fast vor lachen aus. "Sei du mal ganz ruhig. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Oder was ist mit dir und Max." Leos Lachen verstummte und sie schaute mich mit großen Augen an "Stimmt. Los lasse uns schnell blaue Zuckerwatte kaufen gehen. Nicht, dass es sich meine Schwägerin anders überlegt." Und da war wieder ihr unbeschwertes Lachen. Es fühlte sich richtig gut an, wie meine Tochter herumalberte, wenn ich daran dachte wie deprimiert und ängstlich sie noch vor ein paar Stunden war.
"Ich weiß ganz genau, dass hier letzte Woche Eimer mit Zuckerwatte gestanden haben. In allen möglichen Farben sogar." Fassungslos schaute ich zu dem Aufsteller auf dem jetzt jede Menge Gewürzgurkengläser standen. Das konnte doch nicht wahr sein. Ich brauchte diese dämliche Zuckerwatte. "Hallo, Sie da. Ich hätte mal eine dringende Frage.", wandte ich mich an eine Verkäufer, der sich gerade schnellen Fußes an mir vorbeibewegte. "Was'n", drehte er sich genervt um. Ja, er war wirklich sehr kundenorientiert. "Ich suche die Zuckerwatte, die hier letzte Woche gestanden hat. Wo finde ich die?" Manchmal konnte ich ja auch zuckersüß sein, besonders wenn ich etwas wollte. "Bei den Kunden, die sie gekauft haben." Was war das für eine blöde Antwort? Wollte der mich rollen? Oder wurde er mit Bananen bezahlte, dass er sich wie ein Affe benahm? Gerade als ich mich aufregen wollte, hörte ich eine männliche Stimme hinter mir "Mein Kollege versucht auf seine besonders humorvolle Art und Weise zu erklären, dass die Zuckerwatte nur ein temporäres Angebot war. " Ich drehte mich um und schaute in ein Gesicht, dass mir irgendwie bekannt vorkam. Aber woher kannte ich den Kerl? Egal, für solche Denkaufgaben hatte ich keine Ressourcen. Ich brauchte Zuckerwatte und das war alles was zählte. "Haben Sie denn noch woanders Zuckerwatte?" "Nein, leider nicht. Das war ein Sonderposten." Der Typ schaute mich entschuldigend an. "Mist, ich brauche dringend Zuckerwatte. Das ist lebenswichtig. Ich habe das meinem Sohn versprochen.", fluchte ich. "Ja, sonst wird meine Schwägerin enttäuscht sein.", gluckste Leo neben mir. Natürlich brachte mir das einen irritierten Blick von dem Verkäufer ein. Der hielt uns doch bestimmt für total bekloppt. Naja, so ganz falsch lag er damit wahrscheinlich nicht. "Mein Sohn hat seiner Kindergartenfreundin morgen Zuckerwatte versprochen.", versuchte ich die Situation also möglichst seriös aufzuklären. "Ohoh, das kenne ich. Meine Tochter kann da auch ziemlich anstrengend sein, wenn es um ihren Kitafreund geht. Da versteht sie absolut keinen Spaß." Der Verkäufer grinste mich verstehend an und rieb sich sein Kinn. "Ich könnte versuchen in den anderen Filialen nachzufragen, ob dort eventuell noch ein Restbestand ist." "Auja, bitte." Ich lächelte ihn dankbar an als er auch schon verschwand. "Du glaubst doch nicht, dass der echt rumtelefoniert?" Leo schaute mich zweifelnd an. "Der lässt uns hier nur warten und erzählt uns dann was vom grünen Klee. Bestimmt trinkt er in der Zeit nur einen Kaffee. Lass' uns lieber den nächsten Laden abklappern als hier blöd rumzustehen. Die machen alle bald zu." Ich schaute auf meine Uhr. Ja, die Zeit drängte. "Welche Möglichkeiten haben wir denn sonst noch?" Vielleicht fiel uns ja noch etwas anderes als Supermarkt ein. Leo zog ihr Handy aus der Tasche und fing an zu tippen, während ich noch grübelte. Gab es in der Thier Gallerie nicht noch so einen edlen Süsswarenladen? Da könnte es doch so etwas vielleicht auch geben. "Also in Altena wäre noch eine Kirmes." Das war fast in Lüdenscheid? Und das war fast im Sauerland. Da würden wir mindestens eine Stunde hin brauchen. Okay, das wäre nicht schön, aber immerhin noch ein Rettungsanker. "Also, Sie haben Glück." Ich hatte Glück? Schnell drehte ich mich in die Richtung aus der die Stimme kam und wurde freundlich angelächelt. "Unsere Filiale in Bochum hat noch zwei Eimer. Einen in rosa und einen in blau. Wenn Sie mir sagen welche Farbe, lasse ich sie für Sie zurückstellen." Hatte er gesagt in Bochum gab es blaue Zuckerwatte? Das war höchstens eine halbe Stunde Fahrzeit und die richtige Farbe. "Ich nehme beide." Da ging ich ja mal so überhaupt kein Risiko ein. "Gut, dann sage ich dort Bescheid. Melden Sie sich einfach an der Info und sagen Sie möchten die Zuckerwatte, die Herr Göbel zurückstellen lassen hat." Göbel? Der Name sagt mir etwas. Ich grübbelte kurz. Ja klar...."Heißen Sie mit Vornamen Andreas?" Mein gegenüber nickte mir verwirrt zu  "Sie studieren Sportmanagement und haben sich bei der Agentur Bürki beworben. Stimmt's?" Wieder bekam ich nur ein verwirrtes Nicken als Antwort. "Dann haben wir heute miteinander telefoniert. Ich bin Jasmin Bürki.", klärte ich ihn auf. "Also, Sie brauchen morgen nicht zum Bewerbungsgespräch kommen. Sie haben den Job. Ab wann können Sie anfangen?" Man, dem plumpsten ja gleich die Augen raus. "Ähm, ab sofort." Scheinbar konnte er das ganze immer noch nicht so richtig glauben. Vielleicht sollte ich ihm wenigstens meine Visitenkarte in die Hand drücken.  Ich zuppelte eine aus meiner Handtasche und überreichte sie ihm. "Prima, dann sehen wir uns Morgen um 10 im Büro und machen den Arbeitsvertrag fertig. So, jetzt muss ich mich aber nach Bochum sputen." Ich drehte mich um und lief mit Leo im Schlepptau zum Ausgang "Ja, bis morgen.", rief er uns noch hinterher. "Mama, war das gerade dein Ernst, dass du den anstellst?" Leo saß auf dem Beifahrersitz und musterte mich. "Ja klar, war das mein Ernst. Er war absolut kundenorientiert und bemüht. So habe ich ihn real erlebt und ich konnte mir doch ein viel besseres Bild machen als in einem Bewerbungsgespräch, wo sich alle sowieso nur toll präsentieren." Leo nickte "Das stimmt auch wieder. Na, dann auf zur Zuckerwatte."
"Wo ward ihr so lange? Gab es Komplikationen?" Marvin erwartete uns schon mit Dani auf dem Arm an der Einfahrt und schaute ganz beunruhigt auf Leos Hand. "Hast du meine Zuckerwatte?", löcherte mich auch mein Sohn sofort. Ich schwenkte meinen Eimer grinsend in meiner Hand. "Ach, Mama hat nur jemand im Supermarkt angestellt, deshalb hat es etwas länger gedauert." Meine Tochter stellte sich gutgelaunt neben mich. "Wieso hast du nur noch einen einfachen Verband?" War das heute eine Fragerunde der Männer? Und wo kam Max auf einmal her? Ich schaute zu Leo, deren gute Laune schlagartig verschwunden war. Na klar, Max dachte ja der Verband kam erst morgen ab. So wie meine Tochter auf ihrer Unterlippe herumkaute, konnte ich ihr ansehen, dass sie ein ziemlich schlechtes Gewissen hatte. Wahrscheinlich grübelte sie gerade wie sie die ganze Sache Max am besten erklärte. Ich schaute zu meinem Patenkind, das ziemlich enttäuscht aussah. "Der Arzt hat vorhin angerufen und den Termin kurzfristig vorgezogen." Ich musste hier eine Teenietragödie um jeden Preis verhindern. Irgendwie konnte ich ja auch meine Tochter verstehen, dass sie das ganze erst einmal für sich alleine klar haben musste. "Ach so, warum hast du mich dann nicht angerufen? Ich wäre doch sofort gekommen." Okay, Max war doch ein schwierigerer Fall als ich gedacht hatte. Mein Blick zu Leo sagte mir, dass sie erst einmal keinen Ton herausbringen würde. "Da hatten wir keine Zeit mehr für, Sorry. Aber der Arzt hat gesagt, dass alles gut verheilt ist." Man konnte Max seine Erleichterung ansehen. "Ich gehe dann mit Max auf mein Zimmer. Und danke, Mama." Leo lächelte mich an und ich wusste, dass das Danke nicht dafür war, dass ich mit ihr zum Arzt gefahren war. "Gerne, meine Maus." Wir Frauen mussten doch zusammenhalten. "So, Mausi und du erzählst mir jetzt mal, wen du eingestellt hast." Marvin legte seinen Arm um meine Schulter und schob mich ins Haus.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt