Dani lief vor mir und schaute die ganze Zeit wild umher. Sein Kopf flog nur so von rechts nach links. Der KAleine schien total aufgeregt zu sein. "Suchst du einen schönen Platz für uns aus, wo wir unsere Decke hinlegen können?" , gab Marvin ihm den Auftrag, während er neben mir lief. "Gib mir mal die Decken." Es war ja nicht mit anzusehen, wie beladen er war. "Nix da, du trägst nichts." Wieso mussten Kerle eigentlich immer so stur sein? Über seiner Schulter hingen vier Badetaschen, am Arm ein fetter Pichnickkorb und darüber die Decken. So krebsrot wie er im Gesicht war, konnte er auch seine Anstrengung nicht hinter den Temperaturen verstecken. Wieso also konnte er mir nicht etwas von der Last abgeben? Was war das bloß für ein dämliches Ego bei den Männern? Dachten sie ernsthaft es kam einer Kastration gleich, wenn eine Frau ihnen half? Hoffentlich fand Dani bald einen schönen Platz, bevor unser Träger noch umkippte. Wenn meine Power nicht gefragt war, dann konnte ich mich ja auch anders vergnügen. Ich ließ mich ein kleines Stück zurückfallen und gesellte mich zu Ella, die irgendwie ziemlich ruhig hinter uns lief. "Na, freust du dich schon auf das Schwimmen?" Ein wortloses Nicken war auch eine Antwort. Aber keine befriedigende, denn Ella war sonst viel aufgeschlossener. Jedenfalls mittlerweile. So wortkarg und zurückhaltend hatte ich sie nur ganz am Anfang kennengelernt. Was war hier also los? "Warum guckst du dann so traurig?" Sie blieb plötzlich stehen und schaute mich schuldbewusst an "Ich bin nicht traurig." Gut, aber was war es dann? Ich legte meinen Arm um ihre Schulter "Wenn du nicht traurig bist, warum schaust du dann so?" Ella schloss kurz ihre Augen, als würde sie mit sich ringen, ob sie sich mir anvertraute oder nicht. "Ich habe Angst." Diese drei Worte kamen ganz leise aus ihrem Mund, aber so nachdrücklich, dass kein Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt aufkam. Ich zog sie ganz fest an mich und beugte mich zu ihr "Wovor?" Um ihr die Angst zu nehmen, musste ich den Feind ja erst einmal kennen. "Roman hat euch doch gedroht.", schniefte sie. Klar, sie hatte ja alles mitbekommen. Und sie war in einem Alter in dem sie das ganze auch schon viel besser verstand als Dani in seinem Alter. Für ihn war Roman einfach nur der böse Mann. Das hatte er vorhin im Auto noch so einige Male klargestellt. Wobei das auch nicht gerade schön war und ich war mir nicht sicher, ob dieser Abwehrschutzmechanismus gut oder schlecht für ihn war. Vielleicht sollte ich einmal mit einem Fachmann darüber sprechen. Jetzt musste ich mich aber erst einmal um Ellas Sorgen kümmern. "Roman wird uns nichts tun. Das hat er nur in seiner Wut gesagt." Selbst in meinen Ohren hörte sich das ziemlich lahm und nicht überzeugend an. Besonders wenn ich auf meinen linken Arm schaute. "Aber er hat dir doch schon wehgetan und Leo auch. Ich habe Angst um Papa. Ich habe doch nur noch Papa." Eine Träne kullerte über ihre Wange. "Ach Maus." Ich wischte mit meinem Daumen ganz sanft ihre Träne weg "Das mit Leos Arm war ein Unfall, genau wie mit meinem." Naja, und irgendwie auch nicht, korrigierte ich mich innerlich. Hätte Roman seine unbegründete Wut besser im Griff, hätte weder Leo operiert werden müssen, noch hätte ich die letzten zwei Stunden in der Notaufnahme verbracht, um dann einen Gips wegen eines glatten Ellen- und Speichenbruchs zu bekommen. Im Gegensatz zu meiner Tochter hatte ich nur Glück, dass es bei mir nicht so kompliziert war und ich keine OP benötigte. Aber ehrlich gesagt fand ich die Aussicht auf mehrere Wochen Gips im Sommer auch nicht gerade verführerisch. "Und dein Papa ist sowieso viel stärker als Roman. Dem kann er überhaupt nichts anhaben." Ein bisschen Heldenglorifizierung hatte noch nie geschadet. Ella nickte zwar, schien aber immer noch nicht ganz beruhigt. "Und außerdem hast du nicht nur deinen Papa, sondern auch uns alle." Ein kleines Lächeln flog durch ihr Gesicht, ehe es wieder ernst wurde "Aber das Haus gehört Roman und wenn er uns da rauswirft? Ich will nicht wieder nach Berlin. Ich will hier bei meinen Freunden bleiben und bei euch." Klar, hatte sie auch das Gezeter von Roman mitbekommen. Es war ja laut genug. "Maus, so einfach kann er uns nicht rauswerfen. Außerdem habe ich ihm schon gesagt, dass ich ihm das Haus abkaufe. Und dann gehört es nur noch uns. Okay?" Ella nickte zufrieden "Und jetzt lasse uns schnell zu den Männern laufen, sonst finden wir sie nachher gar nicht mehr." Auch wenn ich Ella erst einmal beruhigen konnte, musste ich den Hauskauf wirklich vorantreiben. Gleich in der nächsten Woche würde ich mich noch einmal an meinen Anwalt wenden. Vielleicht konnte er da ja etwas Druck machen. Notfalls konnte er das Angebot ja auch noch einmal erhöhen. Ich musste den Kindern jedenfalls eine sichere Burg bieten. Das war mir klar geworden. Und auch für die Agentur war es ja nicht gerade unwichtig. "Da." Ella zeigte mit ihrem Finger zu einem Baum. Wir beide setzten uns wieder in Bewegung "Klasse, ihr habt ja sogar einen Schattenplatz gefunden.", lobte ich die beiden Männer als wir bei ihnen ankamen. Dani half Marvin gerade die Decken auszubreiten und ließ sich dann mit seinem Popo darauf fallen. Seine Augen scannten immer noch aufgeregt die Umgebung ab. Na klar, schoss es mir durch den Kopf "Du warst ja noch nie am Badesee. Wie gefällt es dir hier?" Dani schaute mich verwirrt an. "Ich war doch mit Oma und Opa schon am Badesee." Wann sollte das denn gewesen sein? Hatte ich so viel gearbeitet, dass ich das gar nicht mitbekommen hatte? Nee, das konnte nicht sein. Mein Vater hasste solche Seen. Wenn dann ging er ins Freibad oder fuhr ans Meer. "Da war es aber viel mehr Wasser und Sand." Wasser und Sand? "Du meinst du warst mit Oma und Opa am Meer?" Klar im letzten Sommer hatten sie ja Dani mit an die Nordsee genommen. "Nee, wir waren am See. Am Nordsee." Er schaute mich selbstsicher an. "Die Nordsee ist aber ein großes Meer, so wie das Mittelmeer um Ibiza." Dani verzog seine Schnute und schaute mich zweifelnd an. "Wieso heißt es dann Nordsee und nicht Nordmeer?" Er kratzte sich am Hinterkopf. Ja, das war wirklich eine pfiffige Frage, die mich gerade ziemlich in Schwierigkeiten brachte. Denn ehrlich gesagt hatte ich da keine wirkliche Antwort drauf. "Weil es schon das Nordmeer am Nordpol gibt und man den Namen nicht zweimal nehmen konnte. Und zum Meer sagt man ja auch manchmal die und nicht der See. So wie bei ein Schiff sticht in See." Mein Sohn nickte zwar, schien aber nicht wirklich überzeugt. Plötzlich sprang er auf und rannte los "Carmen." Ich folgte ihm mit meinem Blick. Tatsächlich, dort kam gerade Andi mit seiner Tochter anmarschiert. "Was macht ihr denn hier?" Andi schaute uns verwundert an "Spargel ernten. Blöde Frage.", hörte ich Marvin hinter mir brummen. Was war denn mit dem los? Ach, das waren bestimmt noch die Nachwirkungen von Roman. "Setzt euch doch zu uns." Mein Vorschlag bekam sofort ein zweistimmiges Kinderjubelfeedback. "Ja, gerne." Andi begann seine Decke neben unserer zu etablieren, ehe er sich das T-Shirt über den Kopf streifte und aus seiner Shorts schlüpfte. Man, in Badeshorts sah mein Werkstudent ja mal ziemlich appetitlich aus. Scheinbar hatte er noch genug Zeit neben Kind und Arbeit um seine Muskeln zu stählen. Als Hausfrau stand ich ja mehr auf Arbeitserleichterung, also auf Waschmaschine. Aber als Frau....so ein Waschbrett hatte ja auch etwas für sich. Was machte ich hier gerade? Schnell schaute ich zu meinem Sohn, der mit seiner Freundin fröhlich herumhüpfte. "Ach du Schande, was hast du denn mit deinem Arm gemacht?" Andi setzte sich neben mich auf seine Decke und musterte meinen schönen quietschegelben Gips. Ja, wir waren in Dortmund, da konnte ich zufrieden sein, dass er nicht noch schwarze Streifen bekommen hatte. "War ein Unfall. Ich bin nur blöd wo gegengeknallt und dann war er durch." "Von wegen Unfall.", knurrte Marvin "Ihr bekloppter Ex hat sie gegen mein Auto geschubst und dann war er durch." "Naja, aber den Bruch hat er ja nicht beabsichtigt. Also war es ein Unfall.", nahm ich Roman in Schutz. Warum tat ich das eigentlich? Ganz einfach, weil ich mich sonst noch blöder fühlte, dass ich ihn nicht schon viel früher zum grünen Klee geschickt hatte. Wieso hatte ich eigentlich nicht schon viel früher seine unkontrollierten Aggressionen mitbekommen? Er war doch mal der liebste Mann der Welt. Was war mit ihm nur passiert? Wie oft hatte ich darüber schon gegrübelt. Und immer wieder kam ich zu dem Punkt, dass er mit dem Ende seiner Karriere nicht klar gekommen war. Und dann kam unweigerlich die nächste Frage, warum hatte ich das nicht früher bemerkt und ihn dabei unterstützt? Dafür gab es eine einfache Antwort. Ich hatte mich in der Arbeit vergraben. Und das schlechte Gewissen darauf, führte dazu, dass ich Roman in Schutz nahm. Das war doch idiotisch. "Also für meine Auffassung ist das kein Unfall.", schlug jetzt auch noch Andi in die gleiche Kerbe "Wenn man jemanden schubst, dann nimmt man eine Verletzung billigend in Kauf. Aber wieso hast du sie nicht beschützt vor dem Kerl." Marvin zog seine Augen zu Schlitzen "Wer kann denn mit so was rechnen. Normale Menschen machen so was nicht.", verteidigte er sich. Ein Blick auf ihn genügte, um zu wissen, dass er sich diese Vorwürfe bereits selber machte. Das gefiel mir ja mal gar nicht. Und auch nicht die Richtung, in die das Gespräch lief. Ich hatte heute schon genug Drama. "Stimmt.", lenkte Andi glücklicherweise ein. "Ward ihr schon bei der Polizei ihn anzeigen, damit das wenigstens aktenkundig ist?" Ich ging doch nicht zur Polizei. Abgesehen von der Peinlichkeit war das doch auch ein gefundenes Fressen für die Presse, denn so etwas kam garantiert heraus. Außerdem war ich mir sicher, dass er gegenüber niemand Fremdes gewalttätig wurde. Dazu war Roman viel zu friedfertig. Obwohl...das hätte ich auch von ihm gegenüber Leo und mir behauptet. "Nein, das mache ich auch nicht.", antwortete ich entschieden. "Dann solltest du es aber wenigstens deinem Anwalt mitteilen. Das kann noch beim Sorgerecht oder so wichtig werden." Ja, gut. Die Idee war nicht schlecht. Ich schaute in zwei Gesichter, die mich gespannt musterten. "Ja, ich gehe am Montag zu meinem Anwalt und bespreche das mit ihm." Ehe die beiden mich noch mehr in die Zange nehmen konnten, sprang ich auf und rannte zu Dani, Carmen und Ella, die an einem kleinen Sandstück saßen und zusammen buddelten "Braucht ihr noch Unterstützung?" "Auja, Mama." Dani schaute mich glücklich an "Wir bauen eine Burg, hilfst du uns." Na, was gab es schöneres als eine Sandburg zu bauen?
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...