Das machte so einen Spaß. "Mama doller hüpfen. Ich will fliegen." Dani schaute mich strahlend an, während ich versuchte noch kräftiger in das Sprungnetz des Trampolins zu hüpfen. Ja gut, fliegen war es nicht wirklich, aber wenigstens wurde er ein kleines Stück hochgeschleudert. Na wie gut, dass ich kein Kleidchen angezogen hatte. Irgendwie war die Stimmung vorhin zu Hause noch komisch gewesen. So grummelig hatte ich Marvin die ganze Zeit in der wir zusammenwohnten noch nie erlebt. Wäre er eine Frau, hätte ich wahrscheinlich von premenstrualer Störung gesprochen. Ich musste grinsen. Vielleicht gab es bei Männern ja so etwas ähnliches. Obwohl bei Marvin war es wohl eher die riesige Vorfreude auf seine Anwesenheit bei dem Kindergeburtstag, die er nicht verstecken konnte. Wo Ellas PMS herkam, fragte ich mich aber wirklich. Die Kleine war auch irgendwie......und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie auf Carmen eifersüchtig war. Man, war ich froh als Andi vor dem Haus gehupt hatte und wir endlich verschwinden konnten. Mit meinem Arm konnte ich ja trotz Automatik nicht fahren, weil ja beide Patschepfötchen an das Lenkrad gehörten. Ich schaute zum Nachbar-Trampolin, wo Carmen gerade weitaus mehr durch die Luft flog und nahm erneut noch mehr vom Ehrgeiz gepackt Anlauf. Wenn Marvin mich gerade sehen würde, wäre er wahrscheinlich sauer. Aber mein Arm war ja eingegipst. Also was sollte ihm passieren. Eine Viertelstunde später war ich ziemlich aus der Puste. "Komm, ich brauche mal eine Pause." Dani sprang auf und kletterte die Treppe herunter "Dani, warte." Carmen kam von hinten angesaust und drückte mich beiseite "Komm wir gehen zum Kletterturm." Ehe mein Sohn antworten konnte, wurde er auch schon an seiner Hand mitgezogen. "Ganz schön bestimmend." Ich schaute den beiden hinterher, wie sie lachend und quatschend durch die Gegend marschierten. "Ja, wir Männer lassen uns doch immer gerne von der Frau führen." Andi grinste schelmisch und zwinkerte mir zu. "Na dann komm und lasse uns einen Kaffee trinken." Ich griff, genauso wie vorhin Carmen Danis Hand gegriffen hatte, seine und zog ihn zum Café "Super Idee." Ich hatte irgendwie mit mehr Widerstand gerechnet. "Ja, so eine alte Frau braucht halt auch mal eine Pause und eine Stärkung.", erklärte ich mich trotzdem. Andi blieb abrupt stehen und schaute sich um "Wo siehst du hier eine alte Frau?" Wieder zwinkerte er mir zu als er mich anschaute. Er sah mich also trotz der elf Jahre, die ich älter war, nicht als alte Frau. Könnte das vielleicht bedeuten.......nee, das bedeutete gar nichts. Obwohl....... Egal, auf alle Fälle fühlte es sich ziemlich gut an. Wir suchten uns einen Tisch aus von dem wir den Kletterturm im Auge behalten konnten. "Soll ich auch ein Stück Kuchen holen?" Auja, Kuchen wäre cool. Ich nickte "Warte, ich gebe dir Geld." Ich konnte ja wohl schlecht den Werkstudenten meine Verpflegung bezahlen lassen. Als alleinerziehender Vater brauchte er garantiert jeden Cent und außerdem war es ja auch meine Idee gewesen mit dem Kaffee. "Vergiss es. Oder willst du mich kastrieren? Der Mann zahlt schön, wenn er schon die Gesellschaft einer bezaubernden Frau genießen darf." Dieses Mal schaute ich mich demonstrativ um. "Bezaubernde Frau?" Ich legte meinen Finger nachdenklich ans Kinn, während es leicht in meinem Bauch kribbelte. Klar war das fishing for compliments. Aber das war mir gerade ziemlich egal. "Naja, für den Tisch dahinten wollte ich nichts holen." Ich folgte seinem Blick und sah zwei ziemlich kräftige Ruhrpottperlen. Ehrlich gesagt sollten die auch keinen Kuchen mehr essen. "Also bis gleich, bezaubernde Frau." Und da war es wieder das Zwinkern. Grinsend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. "Tata Schokokuchen und Kaffee." Andi stellte ein Tablett vor mir ab. "Und sogar mit Sahne. Du weißt wie man Frauen verführt." Ich grinste ihn an und wackelte mit meinen Augenbrauen. "Aber klar, warte nur ab." Plötzlich spürte ich eine leichte Wärme in meinen Wangen. Hieß das vielleicht er könnte sich auch etwas vorstellen? Mein Blick fiel wieder zum Kletterturm, wo ich gerade Carmen mit ihren kleinen Rattenschwänzen hochklettern sah. Und sofort schoss mir eine Frage heraus, die mich schon lange beschäftigte. "Wo ist eigentlich Carmens Mutter?" Bis jetzt hatte Andi noch nie von ihr erzählt. Und ich hatte auch noch nie mitbekommen, dass sie die Kleine auch mal am Wochenende holte oder besuchte. Klar, Roman machte das bei Dani auch nicht. Aber für eine Mutter war das ja eher ungewöhnlich. Obwohl.....die Leute in der Schweiz mussten ähnlich von mir denken. Ich besuchte ja Delphie auch nicht. Aber das war ja was anderes. Meine Tochter hasste mich und wollte mich nicht sehen......wer sagte denn, dass Carmen das nicht genauso mit ihrer Mutter sah? Quatsch, dafür war sie doch noch viel zu klein. Sie war nur vier Jahre jünger als Delphie, korrigierte ich mich. "Im Himmel.", riss mich Andis Antwort aus meinem Gedankenkarussell. "Im Himmel?", fragte ich schockiert. Das hieß ja, sie war tot. Aber.....sie konnte doch noch gar nicht so alt gewesen sein. Ich schlug mir innerlich vor die Stirn. Seit wann fragte der Tod nach dem Alter. Andy zuckte mit den Schultern "Ja, im Himmel." Sein Blick war traurig geworden und er schaute in Carmens Richtung, die dort immer noch fröhlich kichernd mit Dani herumkletterte. Mist, warum hatte ich nicht einfach meine Klappe halten können? Warum musste ich die fröhliche Stimmung ruinieren? Weil ich nicht wusste, dass so etwas Tragisches zum Vorschein käme. Genau, eine Trennung im Streit wäre bestimmt gleich besser für die Stimmung gewesen. Manno, was hatte ich mir nur bei der Frage gedacht. Ich würde da jetzt jedenfalls nicht weiter nachstochern. Wenn musste Andi schon von alleine erzählen.....auch wenn es mich brennend interessierte. "Naja, also eigentlich bin ich gar nicht Carmens richtiger Vater." Konnte ich noch schockierter schauen? Wahrscheinlich nicht, aber diese Aussage übertraf die vorherige noch um einiges. Ich musste mich verhört haben. Das konnte gar nicht sein, so wie er mit der Kleinen umging. Und wenn er nicht der Vater war, wer dann? War das so ein Leihmutterding und er vielleicht schwul? "Nicht?", entschlüpfte es mir dann doch. "Nicht." Er schüttelte den Kopf und machte aber wieder eine Pause. So wie es aussah, schien es ihm schwer zu fallen darüber zu sprechen. Im Geist trat ich mir nochmals in den Hintern dieses Thema überhaupt angeschnitten zu haben. "Eigentlich ist Carmen meine Nichte. Sie ist die Tochter meiner Schwester." Ein leichtes Leuchten ging durch seine Augen bei dem Wort Schwester, ehe sie wieder ihren Glanz verloren. Er musste seine Schwester ziemlich gern gehabt haben. "Paula war ein paar Jahre älter als ich. Sie war seit fünf Jahren verheiratet als Carmen auf die Welt kam." Aber wenn seine Schwester verheiratet war, warum war Carmen dann nicht bei ihrem Vater? "Paula und Paul." Er musste lachen "Schon witzig, dass beide fast den gleichen Namen hatten." Und dann wurde er wieder ernst "Waren ein echtes Traumpaar. Sie kannten sich schon seit dem Kindergarten. Und mit Carmen war ihr Glück perfekt." Ich sah, wie sein Adamsapfel sich bewegte, weil er schlucken musste. "Naja, sie haben mich genau wie meine Eltern immer bei meinem Studium unterstützt. Und als ich dann meine Thesis fertig und eingereicht hatte, dachte ich es wäre mal an der Zeit mich bei den vieren zu bedanken. Also habe ich Karten für so eine Veranstaltung im Spielcasino mit Dinner besorgt und den Babysitterdienst übernommen." Den Gedankensprung verstand ich jetzt zwar nicht, aber ich hörte einfach ruhig zu. "Carmen war ja erst fünf Monate alt und laut meiner Schwester und meines Schwagers ein kleiner Sonnenschein. Also was sollte schon schief gehen." Er verzog sein Gesicht "Tja....was sollte schon schief gehen. Mit Carmen nichts.....aber.....aber." Er schluckte wieder und ich sah wie schwer ihm das Sprechen fiel. Seine Augen schimmerten verdächtig. Ich strich ihm mit meiner Hand über seinen Arm. Er versuchte sich an einem Lächeln, was aber verrutschte "Ja, und dann kam da irgendein Idiot, der sie mit seinem teuren und viel zu schnellen SUV von der Straße abdrängte. Sie haben sich ein paarmal überschlagen..." Andi fuhr sich mit seinen Händen durch das Gesicht. "Ich werde nie vergessen, wie die beiden Polizeibeamten vor meiner Tür gestanden haben. Ich hatte gerade Carmen auf dem Arm, damit sie Bäuerchen macht." Er schaute in die Ferne und schüttelte den Kopf "Ja, und dann gab es nur noch uns beide." Wieder fuhr er sich mit den Händen durch das Gesicht. Ich war sprachlos und schockiert. Oh, mein Gott. Das musste ein Alptraum gewesen sein. "Das.....das tut mir leid." Ich stand auf und schlang meine Arme um ihn. Er drückte mich kurz, ehe er mich wieder losließ. Nachdem ich mich wieder gesetzt hatte, schaute ich Andi aufmerksam an. In seinen Augen sah ich Wut "Der Idiot ist einfach abgehauen und hat sich nicht einmal um sie gekümmert." "Hat man ihn denn wenigstens hinterher zur Verantwortung gezogen?" Andi schüttelte resigniert den Kopf "Nee, Zeugen haben nur ein schwarze G-Klasse gesehen, aber kein Kennzeichen. Und weißt du, wie viele G-Klassen es in Dortmund und Umgebung gibt?" Ich zog eine Grimasse. Ja, da gab es nicht so wenige. Roman hatte ja früher auch eine. "Jedenfalls bin ich von einem Tag auf den anderen Papa geworden. Ich habe Carmen dann auch gleich adoptiert und jetzt sind wir eine kleine aber feine Familie." "Weiß sie das?" Andi schüttelte den Kopf "Also nicht alles. Das mit dem Unfall nicht. Aber dass es da eine Mama und einen Papa im Himmel gibt, die auf sie aufpassen." "Und wieso arbeitest du dann nicht in der IT?" Da würde er mit Sicherheit mehr verdienen als jetzt als Student. "IT ist zu strressig und nicht unbedingt kompatibel mit dem Familienleben mit einem kleinen Kind. Ich hätte ständig reisen müssen. Außerdem sind mir da zu viele Nerds. Ich habe mich in dem Bereich immer wie ein Außerirrdischer gefühlt. Also den Studiengangswechsel hatte ich sowieso geplant. Gut, ohne Carmen wäre ich vielleicht schneller vorangekommen. Aber das ist es mir wert." Sein Gesicht bekam wieder das übliche Strahlen. Ich folgte seinem Blick und sah Carmen, die gerade fröhlich mit Dani an der Hand zu uns gehüpft kam. "Du machst deinen Job echt super." Ja, das machte er besser als mancher leibliche Vater. Wieder kam mir Roman ins Gedächtnis und wie er mit Dani umging. "Können wir mit den Karts fahren." Carmen schaute uns bettelnd an und Dani stand ihr mit seinem Welpenblick in nichts nach. Ich schaute auf meinen Gips. Ach, das würde schon irgendwie gehen. "Das dauert noch einen Moment, wir müssen noch unseren Kaffee austrinken." "Los, dann komm. Wir gehen so lange noch zu den Würfeln." Dani nickte und trottete Carmen artig hinterher. Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und folgte ihnen mit meinem Blick. Als ich wieder zu Andi schaute, schmunzelte er auch "Ja, so ältere Frauen üben schon eine magische Wirkung auf uns Kerle aus." Mein Herz fing an zu rasen. Wie meinte er denn das? Spürte er da vielleicht auch.... "Naja, Carmen ist doch ein halbes Jahr älter als Dani." Achso...das meinte er. Leichte Enttäuschung machte sich in mir breit. Bestimmt hatte er auch eine Freundin. Obwohl, dann wäre er ja wohl mit der jetzt hier und nicht mit mir. "Trotz aller Magie, sollten wir jetzt aber zu den Kindern." Andi erhob sich und da war wieder das Zwinkern. Flirtete er vielleicht doch mit mir? Quatsch, Quatsch, Quatsch. Was dachte ich denn schon wieder. "Wo ist denn Dani?", hinter mir ertönte Ellas Stimme. Wo kam die denn her? Sie war doch auf dem Kindergeburtstag. Ich drehte mich um.....und da stand Marvin zusammen mit seiner Tochter und starrte mich an. "Was macht ihr denn hier?" Ella zuckte mit den Schultern "Der Geburtstag war total öde und Papa hat mir versprochen, dass wir auch in die Spielscheune gehen, wenn es mir da nicht gefällt." Ich musste schmunzeln. Da hatte der Herr Plattenhardt aber ganz schön seine Tochter bestochen, um den Müttern zu entkommen. "Na, dann auf zur Kartbahn.", rief Andi unseren beiden Kindern zu. "Du wolltest doch mit dem Arm wohl nicht Kart fahren?" Marvin schaute mich durchdringend an. "Na ohne wäre ja noch blöder." Ups, das war vielleicht etwas schnippisch. "Na, das übernehme dann mal ich.", ging er darüber hinweg "Dani wollen wir Kartfahren?" Sofort kam mein Sohn strahlend zu ihm gerannt "Auja, Papa." "Und ich." Ellla schaute mich verzweifelt an. "Und du fährst mit mir. Ich gebe Gas und du lenkst. Wir Frauen werden den Kerlen schon zeigen, was wir drauf haben." Ella strahlte mich an "Ja, und Carmen auch." Ohoh, da war wohl jemand um seine Vorrangstellung bei Dani besorgt. "Genau, wir zeigen es allen." Ich hielt ihr meine Hand hin und wir klatschten uns ab. Viele Runden, einen Burger und Pommes später standen wir vor den Autos. "Tschüss denn bis Montag.", verabschiedete ich mich von Andi und umarmte ihn. Seit ich von seiner Selbstlosigkeit wusste sein eigenes Leben für seine Nichte zurückzustellen, mochte ich ihn noch mehr. Falsch, ich mochte ihn nicht nur mehr, ich bewunderte ihn. Das würde nicht jeder Kerl machen. Wie viele kümmerten sich nicht einmal um ihr leibliches Kind. Nein, der Mistkerl hatte nicht schon wieder etwas in meinen Gedanken zu suchen. "Ja, bis Montag. Hat richtig Spaß gemacht. Sollten wir wiederholen." Und da war wieder dieses Zwinkern. Danach könnte ich echt süchtig werden. "Kommst du." Marvin stand an der Fahrertür seines Autos und trommelte mit den Fingern auf dem Dach. Man, was war der Tiger denn so knurrig? Hatte der denn schon wieder PMS?
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...