Mit einem mulmigen Gefühl lief ich den Krankenhausflur entlang. Dieser Geruch, der einem Krankenhaus immer anhaftete, kroch in meine Nase. Ich hasste diesen Geruch. Ob es jemanden gab, der ihn mochte? Ich konnte es mir nicht vorstellen. "Mama, wo is Leo?" Dani hüpfte freudig strahlend neben mir. In seiner Hand hielt er ganz stolz das Bild, das er gestern gemalt hatte. Er hatte darauf bestanden, dass wir eine große rote Schleife darum machten. So richtig wohl war mir nicht dabei ihn mitzunehmen, schließlich wusste ich nicht wirklich wie es Leo nach dieser Nacht ging. Aber andererseits hätte sich etwas gravierend verschlechter, hätte mich Max garantiert sofort informiert. Abgesehen davon hatte der Zwerg darauf bestanden seine Schwester zu besuchen. "Ja, wo is denn dit Zimma von unsere Minischnute.", kam es auch hinter mir von meinem Vater. Er hatte genauso wie meine Mutter und auch Marvin und seine Kinder darauf bestanden einen Krankenbesuch abzustatten. "Dit is so langweilich im Krankenhaus. Da wird sich unsere kleene Schnute freuen uns zu sehen.", hatte er mir einfach den Wind aus den Segeln genommen, als ich vorgeschlagen hatte erst einmal alleine dort hinzufahren. Ich hoffte nur, dass wir keinen Ärger mit den Krankenschwestern bekamen, wenn wir sieben Mann hoch dort aufschlugen. Als wir das Zimmer erreichten, legte ich meine Hand auf die Türklinke und atmete noch einmal durch, ehe ich mir ein Lächeln ins Gesicht zwang. Meine Tochter sollte nicht sehen, wie es mir wirklich ging. Sie sollte sich nur auf ihre Genesung konzentrieren und sich nicht auch noch ihren Kopf zerbrechen. "Alles wird gut." Marvin lächelte mich an und zwinkerte mir aufmunternd zu. Dann legte er seine Hand auf meine und öffnete die Tür. Leo saß an Max gekuschelt auf dem Bett und schaute uns verwundert an als wir ihr Zimmer stürmten "Was macht ihr denn hier? Ich denke ihr seid in Holland.", begann sie zu grinsen. "Naja, wir haben gehört, was passiert ist und da dachten wir uns, wir leisten dir lieber Gesellschaft. Außerdem mögen wir auch das ganze frittierte Zeug nicht." Marvin lief zum Bett und umarmte meine Tochter herzlich. Dani flitzte auch zu ihr und kletterte auf das Bett "Vorsicht.", ich rannte ihm hinterher "passe auf Leos Hand auf." Er schaute mich verunsichert an und nickte, ehe er ehrfurchtsvoll zu der dick eingebundenen Hand schaute. "Für dis." Ganz langsam und vorsichtig hielt er Leo das Bild hin. "Danke, mein Spatz." Leo beugte sich zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Nasenspitze "Das is mit du kein Aua mehr ist." Seine Augen leuchteten vor Aufregung. "Hilfst du mir?" Leo versuchte mit ihrer linken Hand die Schleife zu lösen. Dani hielt die Rolle fest und zog auch daran, dann entrollte er das Blatt "Schau, is unser Familie. Da is du und Mama und da is ich.", erklärte er seiner Schwester das Bild. Sie riss den Kopf hoch und starrte mich ungläubig an. Ich musste ihr das alles unbedingt erklären, aber nicht jetzt, wenn alle dabei waren. "Hattest du denn schon etwas vernünftiges zum Essen?" Meine Mutter lief zu ihrer Enkelin und umarmte sie auch zur Begrüßung. "Wie wenn dit hier wat ordentlichet zu futtern jeben würde.", auch mein Papa umarmte Leo, ehe dann auch der Rest sie begrüßte. "Oh, hier ist ja was los.", die Tür hatte sich geöffnet und Doktor Harderbrot war ins Zimmer gekommen. "Ich wollte mal schauen, wie es unserer Patienten geht und wie es mit der Schwellung aussieht. Ich muss dann auch noch ein paar Sachen mit Ihnen wegen der Operation besprechen.", wandte er sich an mich. "Na, denn jehen wir mal 'ne Runde wat ordentlichet zu futtern besorjen. Denn habt ihr hier eure Ruhe." "Das ist eine gute Idee, Chris. Na los, kommt Dani, Mika und Ella. Wir schauen mal was wir leckeres für Leo auftreiben können. " Meine Mutter deutete den Kids an mitzukommen. Keine Minute später herrschte Ruhe im Krankenzimmer. "Und ist die Schwellung schon etwas zurück gegangen?" Max schaute dem Doktor dabei zu, wie er die Hand vorsichtig abtastete. Ich schaute zu Leo, die nicht zur ihrer Hand schaute, aber auch nicht das Gesicht schmerzhaft verzog. "Wie ich sehe helfen die Schmerzmittel. So wie die Schwellung zurückgeht, gehe ich davon aus, dass wir dich bald operieren können. Wir sollten schon einmal ein paar Sachen für die OP abklären. Dann können wir jederzeit loslegen." Und schon begann er eine Frage nach der anderen zu stellen. "Und Medikamente nimmst du keine ein?" Leo bekam einen roten Schimmer auf den Wangen und schaute unsicher zu Max. "Doch Leo nimmt Yasminelle." Seit wann nahm meine Tochter ein Medikamemt und ich wusste nichts davon. Plötzlich dämmerte es mir. Sie nahm die Pille. Ich schluckte, warum wusste ich das nicht? Natürlich war das sehr vernünftig von den beiden damit zu verhüten. Trotzdem war es ein Schock für mich auf diesem Weg davon zu erfahren. Ich hatte mir damals bei meinem ersten Besuch beim Frauenarzt vorgenommen, dass ich wenn ich einmal eine Tochter haben würde, sie dorthin begleiten würde. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ängstlich ich war, weil ich nicht wusste, was dort passierte. Es war mir so peinlich mich dort auszuziehen und dann hatte ich keine Ahnung gehabt, wie das mit diesem Stuhl funktionierte. Meine Mama hatte zum Gynäkologen ein ziemlich gestörtes Verhältnis oder anders gesagt, sie mied ihn, wo es ging. Sie behauptete immer, sie ginge lieber zum Zahnarzt. Dementsprechend hatte sie mich auch nicht begleitet. Deshalb wollte ich es anders machen. Besser! Und wieder hatte ich auf ganzer Linie versagt. Wann hatte Leo das überhauptt gemacht? Dafür brauchte sie doch ihre Versicherungskarte. Na klar, als sie von der HPV Impfung gesprochen hatte. Und ich war natürlich mal wieder zu sehr im Streß, um sie zum Arzt zu begleiten. War ja nur eine Impfung, hatte ich gedacht. Egal, in Zukunft würde ich auch mitgehen, wenn es nur ein eingerissener Fingernagel war. "Gut, dann hätten wir alles. Dann lasse ich euch mal wieder alleine.", zwinkerte der Doktor Leo zu, ehe er Marvin und mir die Hand gab. "Ähm also....ähm.", begann Max herumzudrucksen. "Ähm ihr seid doch jetzt hier. Könnte ich wohl kurz nach Hause fahren und mir etwas neues zum Anziehen holen. Und dann müsste ich mir auch noch ein paar Schulsachen holen, damit ich mich auf die Abiprüfung vorbereiten kann." "Klar, kein Problem.", versicherte ich ihm "Ich kann auch bei Leo bleiben und du bleibst zu Hause und lernst in Ruhe." Sofort schüttelte er den kopf "Auf gar keinen Fall, ich komme so schnell es geht wieder. Ich bleibe hier bei Leo im Krankenhaus." In seinem Blick sah ich Entschlossenheit. Er würde sich garantiert nicht davon abhalten lassen, seine ganze Freizeit hier bei Leo zu verbringen. "Na, dann fahre ich dich, dann bist du schneller wieder hier." Marvin klopfte ihm auf die Schulter "Danke, das wäre super. Ich kann ja dann auch mit meinem Motorrad zurückfahren, dann bin ich unabhängiger.", strahlte Max begeistert. Schnell gab er Leo noch einen Abschiedskuss und verschwand dann mit meinem besten Freund, der scheinbar gespürt hatte, dass ich ein wenig Zeit mit meiner Tochter alleine brauchte. Es gab so vieles, was ich sagen wollte und auch was ich ihr sagen musste. Ich setzte mich zu ihr auf das Bett und zog sie in meine Arme.
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...