Marco stoppte vor unserem Haus. Die ganze Fahrt vom Krankenhaus hierher hatte Stille im Auto geherrscht. Ich war in meinen Gedanken alles durchgegangen. Ich würde diesmal nicht einfach mit mir reden lassen. Roman musste in psychotherapeutische Behandlung, um seine Agressionen und den übertriebenen Ehrgeiz in den Griff zu bekommen. Und auch um eine Paartherapie kamen wir auf keinen Fall herum. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen. Mein Magen knotete sich zusammen. Wie würde ich Roman wohl vorfinden. Wahrscheinlich war er völlig fertig und machte sich Vorwürfe. Hoffentlich hatte er nicht wieder getrunken. Irgendwie graute es mir vor dem Gespräch, aber je eher wir es führten, desto besser. Trotzdem war jetzt nicht genug Zeit dafür, denn ich wollte so schnell wie möglich zurück zu meinem kleinen Mädchen ins Krankenhaus. Sofort hatte ich wieder das Bild vor Augen wie sie versuchte tapfer zu sein und sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr die Verletzung weh tat. Wenn ich an das Röntgenbild dachte, musste sie höllische Schmerzen haben. "Na los, komm!" Franzi hielt mir die Autotür auf. Ich stieg aus und umarmte erst sie und dann Marco. "Danke, dass ihr uns gefahren habt." Ich verzog mein Gesicht. "Entschuldigung. Es tut mir so leid, dass wir die ganze Feier ruiniert haben. Ihr hattet soviel Arbeit mit der Vorbereitung.", entschuldigte ich mich dann auch noch. "Sag mal spinnst du? Du kannst doch nichts dafür, wenn der Hornochse so frei dreht. Das war doch selbstverständlich, dass wir fahren." Franzi war völlig aufgebracht "Ruhig, Prinzessin.", wirkte Marco auf sie ein."Also Tschüß denn.", verabschiedete ich mich, ehe ich mich zur Eingangstür wandte und meine Schlüssel aus der Tasche zu kramen begann. "Nichts da Tschüß. Wir lassen dich doch da jetzt nicht alleine reingehen. Und zurück ins Krankenhaus fahren wir dich auch wieder." Marco nahm mir den Schlüssel ab und schloss die Tür auf "Aber....", begann ich, auch wenn ich ziemlichen Bammel hatte, da alleine reinzugehen. "Nichts aber", wurde ich sofort unterbrochen. "Doch. Ihr müsst euch selbst um eure Kinder kümmern.", ließ ich mich nicht abbringen. Klar, wäre es schön jemanden dabei zu haben, falls es eskalierte. Obwohl, eigentlich rechnete ich eher mit einem total zerstörten Roman, der sich mit Selbstvorwürfen geißelte. "Die sind alle verteilt Tessa und Maja sind in Bochum, die Drillinge sind bei Kathie und Erik und Mariska hat Babytime bei Vivi. Vicky meinte, sie wäre am besten auf ein Baby eingerichtet. Also wäre da nur Phil, der wahrscheinlich zufrieden ist uns nicht zu sehen. Und Max bewegt sich sowieso nicht aus dem Krankenhaus raus.", klärte mich Franzi auf und ließ keinen weiteren WIderspruch zu. "Ach ja, wir sollten dann nachher auch für ihn noch etwas zum Umziehen mitnehmen." Marco nickte und lief in unseren Flur. Ich folgte ihm und war darauf gefasst, meinen Mann in einem elenden Zustand vorzufinden. Wenn ich bedachte, wie elend ich mich schon fühlte. Wie sollte sich dann erst Roman fühlen, der die Schuld an der Verletzung trug. Karin kam auf uns zugestürzt. "Da seid ihr ja endlich. Ich habe mir solche Sorgen gemacht." Sie blickte sich suchend um. "Wo ist Leo?" Ich schaute zum Sofa, wo Roman saß und auf den Fernseher starrte. Erst jetzt entdeckte ich den Controler in seiner Hand. Er blickte zu uns. "Na wo soll die kleine Schlampe schon sein? Natürlich bei dem Mistkerl, der ihre ganze Karriere zerstört.", grinste er zynisch. Ich musste mich verhört haben. "Roman.", zischte meine Schwiegermutter empört und Marco schoss an mir vorbei. Als nächstes nahm ich nur wahr, wie er Roman am Hemdskragen vom Sofa zerrte. Nein, ich hatte mich also nicht verhört. "Wie hast du meinen Sohn eben genannt? Der einzige Mistkerl bist du." Marco schüttelte ihn. Franzi rannte zu ihrem Mann und auch Martin stürzte dazu "Lasse ihn los. Er ist es nicht wert, dass du dir Finger schmutzig machst.", redete sie auf ihren Mann ein, der wirklich losließ und Roman nur noch einen Schubs auf die Brust gab. Wie ein Mehlsack plumpste er auf das Sofa zurück. Franzi zog Marco mit sich zur Seite, als Roman wieder aufsprang. "Euer Sohn, dieser Bastard, hat Schuld, dass meine Tochter ihre große Chance gegen die Wand fährt." Ich sah wie Martin ihn zurückhielt und auch Franzi redete beruhigend auf Marco ein. Die Ader an meiner Schläfe begann zu pochen. "Wann kann die Versagerin denn wieder trainieren? All zu schlimm kann es ja nicht sein, wenn sie schon wieder fit für ein Schäferstündchen ist." Ich stürzte auf Roman zu und holte aus, als schon eine andere Hand auf seine Wange klatschte. "Pfui Teufel, so habe ich dich nicht erzogen.", brüllte Karin ihren Sohn an, die mir zuvorgekommen war. "Deine Tochter liegt mit einer zertrümmerten Hand im Krankenhaus und muss operiert werden.", brüllte auch ich los. "Das war doch pure Absicht von ihr, um das Training zu schwänzen." Ich glaubte nicht, was ich da gerade hörte. Ich spürte wie mein Blut zu pulsieren begann. Alle meine Gedanken von vorhin waren hinfällig . "Du hast ihr die Hand durch dein dämliches Verhalten zertrümmert." Ich begann mit meinen Händen auf seine Brust zu trommeln. "Du hast sie geohrfeigt. Du kannst zufrieden sein, wenn sie dich nicht anzeigt. Du hast unsere Familie zerstört." Roman hielt meine Handgelenke fest. Ich spürte wie mich der Schmerz von dem Druck durchzuckte. "Ich?", funkelte er mich an "Du hast doch mit deinem Rumgehure alles kaputt gemacht." Martin riss die Hände seines Sohnes von meinen Handgelenken und nahm ihn in den Schwitzkasten, während Karin ihre Arme um meine Schulter legte und mich ein Stück zurückzog. Sie strich mir beruhigend über den Rücken. "Ich hole jetzt ein paar Sachen und fahre dann wieder ins Krankenhaus zu unserer Tochter. Ich werde die nächsten zwei Tage mit den Kindern bei meinen Eltern wohnen. Und wenn ich dann wiederkomme, will ich, dass du hier verschwunden bist.", schleuderte ich ihm entgegen. Ich spürte, wie seine Mutter erschrocken die Luft einzog. "Du willst was? Das ist doch wohl nicht dein Ernst. Du schmeißt mich raus.", Roman schaute mich empört an. Ich nickte "Ja, du hast richtig verstanden. Du sollst hier verschwinden. Das mit uns hat sich erledigt." Ohne ihn weiter zu beachten, lief ich die Treppe hinauf in Leos Zimmer. Franzi und Marco folgten mir. Oben angekommen zog mich Franzi in Ihre Arme "Das war die richtige Entscheidung.", versuchte sie mich zu trösten. Auch wenn ich wusste, dass sie Recht hatte, spürte ich Tränen über meine Wangen laufen. Es ging ja hier nicht nur um mich, sondern auch um meine Kinder. Ich musste sie einfach schützen. Ein paar Sachen waren schnell zusammengesucht. "Den Sven auch?", Marco kam aus Danis Zimmer und hielt das Stoffrentier in seiner Hand. Ich nickte "Ja, den liebt er." Er hatte ihn gerade erst zu Weihnachten von Leo bekommen und knuddelte ihn beim Einschlafen immer im Arm. Marco legte das Stofftier in Danis Tasche, ehe er alle Taschen griff. "Warte, ich hole noch schnell Wuff." Ich rannte in Leos Zimmer und griff mir den schon ziemlich abgeliebten Golden Retriever-Stoffwelpe, der immer auf ihrem Bett saß. Ich konnte mich noch daran erinner, wie sie ihn zu Weihnachten bekommen hatte als sie fünf war und wie sie an ihm hing. Mit zehn hatte Leo versucht mich zu überzeugen ihn gegen einen echten einzutauschen. Ich drückte Wuff an meine Brust und lief hinter Marco und Franzi die Treppe hinunter. "Bekomme ich Marshmallows, Papa.", hörte ich Delphies Stimme. "Aber ja Prinzessin." Was hätte man auch anderes erwarten sollen."Jetzt nicht", schritt ich ein. "Delphie ziehe bitte deine Schuhe an. Wir übernachten die nächsten zwei Tage bei Oma Dani und Opa Chris." Meine Tochter schaute mich schockiert an. "Und du bist in zwei Tagen hier verschwunden.", wandte ich mich ganz ruhig, aber bestimmt an Roman. Ich staunte selbst über meine Beherrschung, denn mein Puls raste, schließlich ging hier gerade ein Abschnitt meines Lebens zu Ende. "Wir nehmen Roman mit zu uns in die Schweiz, damit er erst einmal zur Besinnung kommt. Und dann vielleicht" Karin brach ab, wahrscheinlich war ihr klar, dass es dazu niemals mehr kommen würde. Ich sagte auch nichts, um ihr die Hoffnung nicht komplett zu zerstören. "Ich will nicht zu Oma und Opa hier in Dortmund. Ich will nicht zu dir.", schrie mich plötzlich meine jüngste Tochter an. Scheinbar hatte sie mit ihren acht Jahren schon verstanden, was hier gerade passierte. Mist, ich hätte behutsamer vorgehen müssen. Was war ich für eine unfähige Mutter. "Delphie", ich schluckte kurz gegen den Kloß in meinem Hals an. "Ich will zu Papa in die Schweiz." Sie klammerte sich schluchzend an Romans Beine, der ihr sofort über die Haare strich und sich zu ihr bückte. "Aber natürlich kommst du mit mir, Prinzessin." Was sollte ich dagegen sagen oder tun? Momentan nichts. Ich nahm Marco Delphies Tasche ab und stellte sie auf den Boden. Karin kam zu mir und umarmte mich. "Ich passe auf Delphie auf, mache dir keine Sorgen. Und grüße mir Leo und halte uns bitte auf dem Laufenden." Die letzten Worte schluchzte meine Schwiegermutter. Ich löste mich von ihr und stürzte aus dem Haus. Ich musste weg von hier. Ich musste ganz schnell zu meiner Tochter ins Krankenhaus, war alles was ich denken konnte, während mir die Tränen über die Wangen liefen.

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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...