"Und, bist du nervös ihn zu sehen? Wir können auch Karin bitten, sie zu ihm zu bringen." Marvin schaute mich prüfend an und strich mir sanft mit seiner Hand über den Rücken. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, du bist doch bei mir. Und ich freue mich, dass die beiden den Rest unseres Urlaubs noch hier bleiben. Außerdem muss zwischen uns beiden endlich der Alltag von Scheidungseltern eintreten." Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn liebevoll. Nein, ich war wirklich nicht nervös Roman gegenüberzutreten, wenn er gleich kam, um Delphie abzuholen. Ich hatte ihn komplett aus meinem Leben gestrichen. Also welche Wirkung sollte er noch auf mich haben? Vielleicht fühlte es sich ein wenig wie zum Zahnarzt gehen an. Man machte es, aber man hatte nicht wirklich Lust und Freude daran. Ja, so könnte ich es am besten umschreiben. Viel mehr schmerzte es mich, dass die Zeit mit meiner kleinen Tochter schon wieder um war. Das war alles viel zu schnell gegangen. Klar hatten wir klitzekleine Fortschritte gemacht, aber nicht so große, wie ich es mir gewünscht hätte. Gestern hatte sie sich standhaft geweigert beim Familienspieleabend mitzumachen, dafür war sie aber den ganzen Vormittag mit mir Skigelaufen. Es war ein ewiges auf und ab. Ein paar Tage mehr zusammen hätten uns sicher nicht geschadet. Zu gerne hätte ich sie wenigstens noch an Silvester gehabt. Aber mein stiller Wunsch wurde vom Universum nicht erhört und Roman hatte als wir alles abgesprochen hatten, darauf bestanden, dass sie den Jahreswechsel mit ihm in Bern verbrachte. Wahrscheinlich war er Gast bei einer medienwirksamen Party und da verkaufte sich die Rolle des alleinerziehenden Vaters wohl besser. Ich spürte Frust in mir aufsteigen, denn für Delphie wäre eine kleine lustige Feier mit der Familie besser als der Erwachsenenauftrieb. Aber was sollte ich machen? "Willst du das heute auch gleich wegen der Hochzeit mit ihm klären?" Marvin schien mir in die Seele schauen zu wollen. Ich schüttelte meinen Kopf "Das mache ich erst, wenn wir einen festen Termin haben." Er nickte und klopfte sich ans Kinn. "Was hälst du von Delphies Geburtstag? Dann hast du sie da auch bei dir." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, an dem Tag soll sie die Hauptperson sein und nicht wir. Aber wenn wir zwei Tage vorher heiraten würden, dann könnte sie noch bleiben und bei uns feiern. Wir wollen doch sowieso keine Hochzeitsreise machen. Und ich könnte eine Torte als Ballettschuh für sie backen." Ich sah den Kuchen schon vor meinem geistigen Auge. "Ja, dann schließen wir aber die Tür ab, nicht dass die Katzen dir wieder dazwischen kommen", schmunzelte Marvin mich an. Ich beugte mich zu ihm und drückte ihm wieder einen Kuss auf die Lippen "Das gefällt mir, Tiger." "Mir auch, Mausi." Sanft wanderten seine Lippen wieder auf meine. Man, davon konnte ich überhaupt nicht genug bekommen. Ich musste wirklich über 40 werden, um diese überirrdische Erfahrung beim Küssen zu machen. Und naja, auch auf anderen Gebieten.... das war es wohl, was man immer damit meinte, wenn man sagte, das Paar wäre wie füreinander geschaffen. "Man, man, man ihr müsst ja schon janz wunde Lippen vom vielen Knutschen haben." Mein Vater setzte sich uns gegenüber in den Sessel und sein strahlendes Gesicht sagte, dass die Tatsache ihm gut gefiel. "Ja, Opi. Die sind viel,schlimmer als Max und ich.", lachte Leo und setzte sich auf seinen Schoß. "Und dit will wat heißen, meene Minischnute." Meine Tochter fing zu kichern an und kuschelte sich an ihren Opa. Das war ein echt hübsches Bild. Delphie suchte nie die Nähe ihres Großvaters. Weder des einen noch des anderen. Im Höchstfall war es Karin erlaubt sie in den Arm zu nehmen. Woran lag das eigentlich? Daran, dass Roman sie immer von allen abgeschirmt hatte, war wohl die Antwort. Oder gab es da noch andere Gründe? "Wann kommt denn der Idiot die Kleene abholen?" "Ich schaute auf meine Uhr. Eigentlich jetzt." Leo sprang sofort auf. "Ich will ihn aber nicht sehen. Und Dani soll das auch nicht. Ich gehe hoch und beschäftige mich mit ihm." Ich nickte "Das ist eine gute Idee." "Ihr braucht aba keene Angst haben. Wir sind schon jenuch Kerle um den Heiopei in Schach zu halten. Stimmt' s Marvin?", versuchte mein Papa meine Tochter zu beruhigen. Wenn ich ehrlich war, erwartete ich auch nicht wirklich Stress mit Roman. Aber das hatte ich an Leos Geburtstag und zu Ostern auch nicht. Also, schaden konnte es nicht, dass wir nicht alleine waren. "Ich gehe mal schauen, ob Delphie schon ihren Koffer fertig gepackt hat." Die beiden Männer nickten mir zu als ich aufstand. Schon von weitem hörte ich Danis piepsige Stimme. "Und du kommst dann auch wenn Papa und Mama heiraten zu uns nach Dortmund. Dann lernst du auch meine Freundin Carmen kennen und ihren Papa Andi. Die beiden passen gerade auf unser Kätzchen auf...." Ich steckte meinen Kopf durch die Tür. "Mama." Dani sprang vom Bett seiner Schwester auf und kam zu mir gerannt. "Ich habe Delphie gerade von Carmen und den Kätzchen erzählt." Man, war der Kleine gerade wieder aufgedreht. Ich schaute zu Delphie, die ihren Koffer versuchte zuzubekommen. Sie setzte sich verzweifelt darauf und pustete sich eine Locke aus ihrem Gesicht. "Dani, gehe mal zu Leo, die wollte mit dir etwas machen.", forderte ich den Kleinen auf. Auch wenn es eben süß war, wir er völlig unbefangen auf Delphie eingequatscht hat und sie sogar ein Lächeln im Gesicht hatte, würde ich gerne noch etwas Zeit ganz alleine mit ihr verbringen. Das war zwar egoistisch, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir es beide brauchten. "Warte, ich helfe dir den zuzumachen." Ich lief zu meiner Tochter und drückte mein Gewicht auch mit auf den Koffer. Sie zog den Reißverschluss zu. "Hast du auch deine neuen Klamotten eingepackt?" Ich dachte an unseren schönen Ausflug nach Bern. Sie nickte grinsend "Deshalb geht der Koffer ja so schwer zu. Ich habe sie auch ganz nach unten gepackt, damit Papa sie nicht sieht." Das war doch schon wieder genauso falsch wie früher bei Leo, als er sie sich immer hatte umziehen lassen, weil ihm ihre Klamotten nicht gefielen. Ich musste mit ihm darüber reden. Delphie durfte nicht das Gleiche mitmachen müssen. Fehler durften nur einmal passieren und nicht wiederholt. "Und du weißt, dass du mich jederzeit anrufen kannst?" Ich schaute sie lächelnd an und bekam ein ernstes Nicken als Antwort. Warum kaute sie denn an ihrer Unterlippe? "Kommst....kommst du dann auch wirklich zu meiner nächsten Ballettaufführung?" Wieso war sie so unsicher? Ich hatte ihr das doch versprochen. Na klar, war sie noch immer misstrauisch. Wie oft hatte ich früher etwas versprochen und dann kam doch die Arbeit dazwischen. "Die lasse ich mir auf keinen Fall entgehen." Mir brannte auch eine Frage auf meiner Seele. Jetzt war ich es, die auf ihrer Lippe herumkaute. "Und du kommst zu meiner Hochzeit?" Delphie zuckte mit ihren Schultern und das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden. "Wenn du das willst." "Kätzchen, ich würde mich sehr darüber freuen. Du bist meine Tochter und das ist ein wichtiger Tag für mich. Natürlich möchte ich dich da dabeihaben. Du gehörst doch zur Familie." "Ja, dann sind wir alle eine große Familie. Und wir beide sind Schwestern." Wo kam denn auf einmal Ella her? Delphie sprang vom Bett auf "Vergiss es." Sie zeigte mit ihrer Hand zwischen sich und Ella hin und her und ihre Augen funkelten wütend. "Du und ich werden niemals eine Familie sein und schon gar keine Schwestern. Ich habe nichts zutun mit solchen Versagern wie euch, die sich bei meiner Mutter einnisten." Mir verschlug es glatt die Sprache. Das waren nicht die Worte einer Achtjährigen. Das waren Romans Worte. Wie hatte er unsere Tochter nur so aufhetzen können? Ich zog doch auch nicht über seine kleinen Häschen vor Delphie her. Ehe ich eingreifen konnte, hatte meine Tochter ihren Koffer vom Bett gezerrt und das Zimmer zusammen mit ihm verlassen. Ich schaute zu Ella, die mich traurig ansah und der eine Träne über die Wange rollte. "Mama, warum ist die immer so gemein zu uns?" Ich schlang meine Arme um die Kleine und drückte sie an mich. Was sollte ich da antworten?
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...