Kapitel 63

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Ich saß an meinem Schreibtisch und schaute auf den Bildschirm. Das waren richtig gute Angebote, die da gerade für ein paar meiner Jungs hereingekommen waren. Das bedeutete Streß für die nächsten Tage. Erleichtert dachte ich daran, dass heute ja noch der Werksstudent anfangen würde. Der kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Hoffentlich lag ich mit meiner Einschätzung wirklich richtig und er wäre die richtige Unterstützung. Ich schaute auf die Uhr. In einer Stunde müsste er eigentlich auch hier aufschlagen. Mein Fokus wanderte schnell wieder auf das Schriftstück auf meinem Bildschirm, als meine Bürotür aufflog. "Dani hat heute fett mit seiner blauen Zuckerwatte bei seiner kleinen Freundin gepunktet." Marvin kam grinsend auf meinen Schreibtisch zumarschiert. Ja, heute hatte er mal das Fahren zum Kindergarten übernommen, weil er Ella zur Schule bringen musste. Für sie ging es heute auf einen zweitägigen Ausflug mit ihrer neuen Klasse. Klar, dass der Papa da noch dem Bus winken wollte. "Hat Ella auch so an der Uhr gedreht und die halbe Nacht nicht geschlafen?" Erik kam auch stöhnend in mein Büro gestapft, gefolgt von Kathie. Na klar, Ella ging ja auch zusammen mit Rosa in ein Klasse, genau wie.......ja, eigentlich war das auch Delphies alte Klasse und sie wäre heute auf ihre erste Miniklassenfahrt gefahren, genau wie die Reus Drillinge. Sie gingen ja alle in eine Klasse. Ich musste an den Wochenendausflug vom letzten Jahr mit den Eltern denken. Ja, da waren wir noch dabei und dieses Mal ging es ohne Eltern los. Mir kam das vor als wäre es nicht nur eine Jahr, sondern eine ganze Ewigkeit her. Was Delphie wohl gerade machte? Immer noch wollte sie nichts von mir wissen und immer noch rief ich jeden Tag bei Karin an. Glücklicherweise zog Roman ja erst in zwei Wochen in die Wohnung nach Bern. Mir war überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken. Wenn keiner mehr darauf schaute, verwöhnte und verzog er sie wahrscheinlich noch mehr. "So, ich bin dann mal auf einem Außentermin in Bochum.", verabschiedete sich Erik "Und ich muss nach Köln.", schloss sich Kathie an. "Ich habe mein Telefon auf deinen Apparat gestellt. Ich denke auch nicht, dass ich heute noch einmal rein komme."  "Ich auch.", stimmte Erik seiner Frau zu. Was auch? Nicht reinkommen oder Apparat umgestellt? Naja, egal. Das würde ich dann ja schon merken. "Ja, ich bin auch mit Lisa verabredet. Wir wollen uns da ein Studio ansehen, das wir günstig mieten könnten. Du kommst doch hier alleine klar, oder?" Was sollte ich jetzt sagen? "Klar, hau ab." War also meine einfache Antwort "Gut, aber wenn du Hilfe brauchst, rufst du sofort an." Ich nickte "Sei bitte nur um 13 Uhr wieder hier, damit ich Dani abholen kann und dann muss ich ja auch mit Leo zur Therapie ." Marvin nickte "Geht klar. Dann spute ich mich jetzt mal." Ich schaute meinem besten Freund hinterher wie er aus meinem Büro verschwand. Okay, dann hatte ich jetzt wenigstens meine Ruhe hier. Ich begann erneut das Schriftstück auf meinem Bildschirm durchzulesen. Immerhin war ich schon in der zweiten Zeile gelandet als mein Telefon zu klingeln begann. Fünf weitere Anrufe später, war mein Notizblock mit lauter Nachrichten für die anderen gespickt. Ich wollte mich gerade wieder meinem Bildschirm widmen als schon wieder das Telefon klingelte. Man, war das Ding heute verhext? Ich fuhr mir genervt durch meine Locken und griff nach dem Hörer. In etwas Entfernung hörte ich ein weiteres Läuten. Das war dann wohl der Apparat im Vorzimmer. Verflixt, ich konnte mich ja schlecht halbieren. Dann hatte der Anrufer halt Pech. Ich schaute zur Uhr. In 45 Minuten müsste eigentlich der Werkstudent kommen. Vielleicht konnte ich ihn ja überzeugen gleich anzufangen. Ja, genau. Als ob. Naja, man würde ja wohl noch träumen dürfen. Ich konzentrierte mich auf meinen Anrufer...... Das war ein wirklich fruchtbares Gespräch gewesen. Ich hatte ein spitzen Angebot noch spitzenhafter gemacht. Manchmal musste man das Eisen einfach sofort schmieden, wenn man den Geschäftsführer eines Spitzenvereins am Hörer hatte. So interessiert wie er an meinem Schützling war, durfte man ihm keine Zeit lassen, es sich noch einmal anders zu überlegen. Insbesondere wenn das Interesse auf beiden Seiten bestand. Das war eine echt fette Provision, die da auf unser Konto wanderte, ganz zu schweigen von dem Handgeld, das mein Sportler bekam. Zufrieden lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und schaute zur Uhr gegenüber von meinem Schreibtisch. Es war jetzt schon fast 11 Uhr. Mist, warum war denn der Typ von gestern aus dem Supermarkt nicht gekommen? Hatte ich mich so in ihm getäuscht? Ich hatte wirklich den Eindruck gehabt, dass er den Job hatte haben wollen. Na, super. Dann würde ich wohl weiter suchen müssen. Das Klingeln im Vorzimmer riss mich aus meinen Gedanken. Ich sprang auf und lief los, als das Klingeln auch schon verstummte. Was war das für eine Männerstimme? War Marvin doch schon zurück? Ich linste neugierig um die Ecke und traute meinen Augen nicht. Da saß der blonde Kerl von gestern aus dem Supermarkt am Schreibtisch und telefonierte. Ich musste grinsen. Dann war er doch gekommen. Also hatte ich mich nicht geirrt. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, sprang er vom Stuhl auf und kam auf mich zu. "Entschuldigung, aber das Ding hat in einer Naht geklingelt und Sie waren so in Ihr Gespräch vertieft. Ich hoffe, Sie sind nicht sauer. Ich habe hier alles notiert." Er streckte mir einen Stapel Telefonnotizen entgegen.  "Ich bin nicht....", schon wieder klingelten beide Telefone. Was war denn heute hier los? "Sie schickt der Himmel. Wir sehen uns gleich in meinem Büro.", warf ich ihm noch schnell zu und rannte zu meinem Telefon. Eine halbe Stunde später legte ich den Hörer auf. Ein leises Klopfen an der Tür ertönte "Ich hoffe, Sie mögen einen Cappuccino?" Ich musste grinsen. Ja, mein Werkstudent wusste wie er mich glücklich machen konnte. "Sie können Gedanken lesen." Ich war wirklich begeistert von seiner Eigeninitiative. Das Telefon hatte geklingelt also hatte er die Anrufe angenommen ohne dass ihm das jemand erst einmal erklärt hatte. Und auch unseren Kaffeeautomaten hatte er auf Anhieb alleine in den Griff bekommen und das gelang nicht jedem. Ich nahm ihm die Tasse ab und deutete auf den Stuhl auf der anderen Seite meines Schreibtischs. Die Mappe mit dem vorbereiteten Arbeitsvertrag zog ich aus der Ablage und reichte sie ihm. Er überflog ihn kurz und griff nach dem Kugelschreiber, der auf meinem Schreibtisch lag. "Na, da würde ich sagen herzlich willkommen im Team." "Ich freue mich in Ihrer Agentur Erfahrungen sammeln zu dürfen. Ich habe hier noch ein paar Telefonnotizen.  Außerdem habe ich auf dem Schreibtisch ein paar Infomappen entdeckt. Soll ich die gleich versandtfertig machen, Frau Bürki?" Okay, so viel Arbeitseifer gefiel mir. "Ja, und dann sind da auch noch ein paar Vertragsentwürfe auszudrucken. Kleinen Moment." Ich hackte auf meiner Tastatur herum. Das konnte doch nicht wahr sein. Wo war der Mist hin? Ich hatte da die letzten Tage dran gesessen. "Scheiße.", rutschte es mir heraus. Ich schlug mir mit meiner Hand vor den Mund. Na das machte doch gleich einen richtig guten Eindruck. "Gibt es ein Problem?" Ich nickte und schlug mit meiner flachen Hand auf den Schreibtisch "Das Mistding hat meine Entwürfe gefressen." Ein sympathisches tiefes Lachen erfüllte den Raum "Die Dinger fressen so etwas eigentlich nicht. Darf ich mal?" Was durfte er mal? Lachen? Nee, wenn meine Arbeit von drei Tagen weg war, war das absolut kein Grund zum Lachen. Grummelnd rutschte ich trotzdem bei Seite. "Von wann waren die Entwürfe? Und gibt es ein Schlagwort?" Was auch immer das helfen sollte. Ich nannte ihm beides und schaute zu, wie seine Finger über die Tastatur flogen. " Da sind sie wieder, Frau Bürki." Ich schaute auf den Bildschirm und traute meinen Augen nicht. Ja, da waren meine Vertragsentwürfe wieder. "Ähm, danke. Das ist ja der Wahnsinn. Ich hätte die ganze Arbeit von vorne gemacht." In meinem Kopf hatte ich schon das Szenario wie ich nach langer Zeit mal wieder eine Nachtschicht einschieben musste. "Ich bin übrigens, Jasmin und nicht Frau Bürki. Wir sind hier ein Team und da finde ich so steifes Gesieze irgendwie blöd." Im Gesicht meines heldenhaften Retters- jeder der einen PC besiegen konnte, war in meinen Augen ein Held, denn ich stand mit den Dingern ziemlich oft auf Kriegsfuß - manifestierte sich ein Lächeln. "Ich bin der Andi. So eine lockere Arbeitsatmosphäre finde ich auch angenehmer." Ja, so sah ich das auch. "Super, Andi. Dann mache das noch fertig und dann hast du für heute auch Feierabend." Sein Strahlen wurde noch breiter "Klasse, dann kann ich ja heute meine Tochter selbst aus der Kita abholen. Die wird sich freuen." Ich musste auch grinsen. Ja, es waren doch die kleinen Dinge, die uns Eltern freuten. "Mache das und morgen kannst du da auch wieder von 8 bis 12 kommen?" Schon wieder klingelten die Telefone. Im Weggehen bekam ich noch ein Nicken. Also bis jetzt gefiel mir das echt gut. Scheinbar hatte ich mit meinem Gefühl richtig gelegen.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt