Kapitel 160

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"Puh, bin ich jetzt nass." Delphie schüttelte ihre nassen Locken, so wie Wau sein Fell neben ihr. Ich schaute in das vor Kälte gerötete, aber strahlende Gesicht meiner Tochter. "Meine Schneefrau sieht doch aus wie eine Ballerina. Stimmt's Mama?" Ich nickte "Ich habe ein Foto von euch beiden gemacht. Soll ich es dir schicken?" Wir waren nicht ins Spaßbad gegangen, weil Dani und die Mädels mehr Lust darauf hatten im Schnee aktiv zu sein. Die drei hatten kleine Kunstwerke gebaut. Nur bei den großen war das ganze schnell in eine Schneeballschlacht ausgeartet. "Au ja, schicke es mir bitte." Delphie war ganz begeistert. "Dann kann ich das ja auch so als Hintergrundbild nehmen. Kannst du mir zeigen, wie das geht?" Das würde ich doch mit Begeisterung tun. Ich freute mich schließlich jedesmal, wenn ich etwas Zeit mit meiner Tochter verbringen konnte. Es freute mich auch, dass sie das Bild als Hintergrund wollte, denn es würde sie jedesmal, wenn sie auf das Handy schaute an den Urlaub erinnern und auch an uns. Das war doch ein Zeichen, dass sie sich doch hier wohlgefühlt hatte. Und das machte mir Hoffnung auf dem richtigen Weg zu sein. "Und mir schicke bitte auch das Bild." Ella schien sich über ihre neue Freundin zu freuen "Dann kann ich das auch Rosa, Stella und Luna zeigeen, wie viel Spaß wir hatten. Und ich kann dir auch erklären, wie man das mit dem Hintergrundbild macht." Okay, gerade bräuchte ich den Erklärbären nicht. Egal. "Wir müssen auch unbedingt noch die Nummern tauschen, damit wir immer schreiben können." Ella war total enthusiastisch und zog ihr Handy aus der Anoraktasche. Sie begann daran herumzutippen. "Ups.", erschrocken fuhr sie zusammen, als es in ihrer Hand zu vibrieren begann. "Das ist Stella." Sie schaute grinsend zu Delphie, die nicht mehr lächelte. Ihre Fröhlichkeit war schlagartig verschwunden. "Hallo Stella, frohes neues Jahr.", meldete sich Ellla und hörte dann eine Weile zu. "Delphie, Dani und ich haben heute Schneemänner und -frauen gebaut." Scheinbar wurde sie sofort wieder unterbrochen und fing an zu kichern. Ich schaute zu Delphie, die mit finsterem Blick Ella anstarrte, ehe sie die Treppe zu ihrem Zimmer hochlief. Ich hörte ein lautes Türknallen. Was war denn das schon wieder ? "Wo ist Delphie hin?" Ella schaute sich suchend um "Sie ist gerade nicht hier. Aber sie kommt uns ja bald in Dortmund besuchen, dann können wir ja alle etwas zusammen machen. Jaa, natürlich grüße ich sie von euch." Ich sollte mal nach Delphie schauen gehen, so lange Ella sowieso noch telefonierte. Vielleicht konnte ich ihr dann ja doch das mit dem Hintergrundbild erklären und noch ein wenig Zeit mit ihr alleine verbringen. Leise klopfte ich an die Zimmertür, ehe ich die Klinke herunterdrückte und eintrat. Erschrocken schaute ich zu Delphie, die ihre Sachen aus dem Schrank riss und in den Koffer auf der Erde schmiss. "Was machst du denn da?" "Koffer packen.", knurrte sie mich an und ich sah in ihren Augen die Tränen glitzern. "Papa kommt doch aber erst heute abend. Das hat doch noch Zeit." Sie schüttelte den Kopf "Nein, hat es nicht, sonst bin ich nacher nicht pünktlich fertig, wenn er da ist. Vielleicht kann er ja früher kommen. Ich will nämlich nicht länger hier bleiben." Die Entschlossenheit meiner Tochter schockierte mich. Wo war das fröhliche Mädchen von gerade eben hin? Was war passiert? Was hatte ich übersehen? "Aber Kätzchen, was ist denn los?" "Diese blöde Ella nimmt mir alles weg.", schniefte sie plötzlich und ließ sich auf das Bett plumpsen. Wie Ella nahm ihr alles weg? "Das stimmt doch gar nicht." Ich setzte mich neben sie und strich ihr beruhigend über den Rücken. Sofort wurde meine Hand weggestoßen "Doch. Erst dich und Dani und jetzt auch noch meine Freundinnen. Mich haben Stella und Luna nicht angerufen." Frustrierte trommelte sie mit ihren kleinen Händen auf dem Kissen.  "Aber Kätzchen. Ella hat mich dir doch nicht weggenommen. Du bist meine Tochter und ich habe dich immer lieb." "Mehr als Ella?" Delphies Augen waren wie kleine Laserwaffen auf mich gerichtet. Das war eine echt gemeine Frage, denn natürlich hatte ich Ella mittlerweile auch liebgewonnen, aber Delphie war meine Tochter. Mein eigen Fleisch und Blut. Trotzdem wollte ich bei der Liebe keine Wertung vornehmen. War Liebe nicht gleichmässig? Außerdem konnte ich es nicht gebrauchen, dass Delphie Ella das dann unter die Nase schmierte und ich die nächste Baustelle hatte. Andererseits, war es vielleicht gerade jetzt wichtig meiner Tochter die Sicherheit zu geben, dass sie mir wichtiger war. "Du bist meine Tochter.", versuchte ich mich also erst einmal aus der Bredouille zu ziehen. "Dann hast du mich also mehr lieb?" Ich sah eine kleine Hoffnung in ihren Augen aufflammen. Also nickte ich. "Trotzdem sind Stella und Luna meine Freundinnen und nicht ihre." Wieder schaute sie mich wütend an "Kätzchen, man kann doch auch mehrere Freundinnen haben. Nur weil sie jetzt auch mit Ella befreundet sind, heißt das doch nicht, dass sie es mit dir nicht mehr sind." "Und warum haben sie sie dann angerufen und nicht mich?" Trotzig streckte sie ihr Kinn vor. "Weil sie gar nicht deine Nummer haben. Außerdem wollten sie dich eben sogar sprechen." "Ehrlich?" Delphie schaute mich ungläubig an und zog eine Schnute "Trotzdem muss ich jetzt den Koffer packen. Papa kommt bald." Ich nickte "Komm, ich helfe dir schnell und dann zeige ich dir noch einmal das mit dem Handy." "Danke, Mama. Ich habe dich auch viel mehr lieb als diese Valerie." Hatte meine Tochter gerade gesagt, sie hatte mich lieb? Das fühlte sich so gut an. Aber wer war Valerie? Na klar, Romans neue Frau, schoss es mir durch den Kopf.
Zwei Stunden später saß Delphie wieder auf ihrem Koffer im Wohnzimmer und starrte zur Tür. Wieder war es schon dunkel draußen. Alles erinnerte an ihren letzten Abreisetag. Nur, dass Martin und Karin mit Dani und den Großen zum Rodeln waren. Irgendwie war die Stimmung verdorben. Ich schaute zu Ella, die stumm auf dem Sofa saß und Delphie mit ihren Blicken zu hypnotisieren versuchte. Seit dem Anruf der Zwillinge war ihre neugewonnene Freundschaft mehr als brüchig und die Kleine schien das mächtig traurig zu machen. Ich schaute zu Marvin, der nur mit den Schultern zuckte. "Wo bleibt denn der Heijopei schon wieder?" Mein Vater war auf seinen Exschwiegersohn mehr als nicht gut zu sprechen. Er hatte sich das letzte Mal tierisch darüber aufgeregt, wie er mit Delphie umsprang. Sein Blick ging zu Delphie, die leicht in sich zusammengesackt war. "Ruf den doch mal an. Wenn er noch nicht kommt, dann können wir ja erst einmal noch etwas essen. Delphie mag bestimmt noch meine Eierkuchen." Meine Mutter schaute zu ihrer Enkelin, die plötzlich zu lächeln begann. "Mit Marshmallows?" "Na klar, kriegste bei Oma dit Klebezeug dazu.", lachte mein Papa sofort.  Ich zog mein Handy aus der Tasche und wählte Romans Nummer. Ich schaute auf mein Display. Der hatte mich weggedrückt. Sauer wählte ich noch einmal. Wieder wurde ich weggedrückt. Marvin schaute mich an. "Der drückt mich immer weg.", empörte ich mich. "Dit jibt et doch wohl nich. Wat wäre wenn wat mit die Kleene wäre." Mein Papa schüttelte seinen Kopf. "Delphie, kannst du mir mal bitte dein Handy geben?" Meine Tochter kam zu mir gelaufen und drückte es mir in die Hand. Erneut wählte ich Romans Nummer. "Was?", erklang sofort seine angepisste Stimme. "Sag deiner Mutter ich komme dich morgen abholen. Mir ist heute etwas dazwischen gekommen." Im Hintergrund hörte ich Gebrabbel. Das hörte sich an wie in einem Restaurant. Nicht nur, dass mich seine Ansprache gegenüber seiner Tochter, die er am Handy vermutete, aufregte. Nein noch mehr regte es mich auf, dass ihm scheinbar ein gutes Essen wichtiger als seine Tochter war. Dummerweise hatte ich auf Lautsprecher gestellt und sah, wie meine Tochter förmlich in sich zusammenbrach. "Pass mal auf.", fing ich an.  "Jasmin.", hörte ich Romans empörte Stimme "Was hast du an Delphis Handy zu schaffen?" Wie? Der war auch noch empört. Ich schnappte nach Luft. Marvin griff sich das Handy aus meiner Hand. "Wenn du auf ihre Anrufe nicht reagierst, muss sie es ja auf dem Weg versuchen, in der Hoffnung, dass du dir wenigstens noch ein paaar Gedanken um deine Tochter machst." "Mein Tochter geht dich Drecksack gar nichts an. Du hast unsere Familie schließlich kaputt gemacht." An der Stimme erkannte ich, dass Roman fuchsteufelswild war. Marvin dagegen blieb ganz ruhig. "Ach, das hast du ganz alleine geschafft, da brauchte es mich gar nicht dafür." "Hör mir mal zu. Du", pöbelte Roman sofort weiter. "Nee, du hörst mir jetzt mal zu, Sportsfreund. Wir sind noch bis Heilig Dreikönige hier und solange bleibt Delphie jetzt bei uns. Du kannst dir dann überlegen, ob du sie selbst abholen willst oder ob Karin und Martin sie sie dir bringen sollen. Wir nehmen Delphie aber auch gerne mit zu uns nach Dortmund, wenn du als Erziehungsberechtigter deiner Ehefrau voll ausgelastet bist. Ein Wort genügt." Ich hörte nur ein empörtes Schnaufen vom anderen Ende der Leitung. "Ach ja, und sonst reicht uns eine SMS, wie du dich entscheidest." "Du...du." Marvin drückte den roten Hörer und lächelte mich an, als das Handy klingelte. Ich erkannte Romans Nummer. Marvin tippte etwas und dann war Ruhe."Der Flugmodus wäre für heute wohl gut. Und du packst deinen Koffer wieder aus.", wandte er sich an Delphie, die wie ein begossener Pudel aussah. An der Tür schloss es und Karin kam mit dem Telefon am Ohr herein "Ja, Roman, ist gut. Wir bringen Delphie wieder mit nach Hause." Sie schaute uns entschuldigend an. "Delphie soll noch bis zum sechsten hier bleiben." "Juhu." Dani riss seine Ärmchen hoch und rannte zu seiner Schwester, die aussah als hätte man sie geohrfeigt. "Ihr seid alle schuld, dass er mich nicht mehr will." Delphie schubste ihren kleinen Bruder beiseite und rannte die Treppe hinauf und dann knallte die Tür. Man, wir waren doch schon so schön einen Schritt weitergekommen und jetzt das.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt