Kapitel 142

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Ich pustete eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. So, eigentlich müsste alles im Koffer drin sein. Im Kopf ging ich noch einmal schnell alles durch. Ja, ich dürfte nichts vergessen haben. Nach zwei Koffern hatte man doch eine gewisse Routine. "Na Mausi, brauchst du Hilfe?" Marvin schlang seine Arme von hinten um meine Taille und küsste meinen Hals.  "Nein, ich habe alles fertig. Danis und Ellas Koffer stehen auch fertig gepackt in ihren Zimmern." Morgen ging es für uns in die Schweiz zum Weihnachtsurlaub. Heute wurde aber erst noch Weihnachten gefeiert. "Und, was macht der Weihnachtsbaum?", brachte ich gerade noch so hervor, denn Marvins Lippen an meinem Körper machten mich immer noch ziemlich nervös. Ob das sich wohl jemals änderte? "Dein Papa und die Kinder sind voll damit beschäftigt.", grinste er und drehte mich in seinem Arm "Und deine Mama ist zusammen mit Andi in der Küche am vorbereiten. Uns vermisst also gerade keiner." Er wackelte mit seinen Augenbrauen, ehe er mich leicht anstupste und ich in mein Bett plumpste vor dem ich gerade gestanden hatte. Was hieß hier mein Bett? Mittlerweile war es unseres. Marvin war mit Sack und Pack in mein Zimmer miteingezogen. So hatten wir wieder ein Gästezimmer mehr und wir beide unsere eigene gemeinsame Kuscheloase. "Das können wir doch jetzt nicht machen. Es kann doch jederzeit...." "Mausi, ein bisschen knutschen geht immer. Und es wird keinem auffallen." Das reichte mir doch als Aussage, um meine Lippen auf seine zu drücken. Ja, so ein bisschen knutschen ging immer. "Mama, wir sind......boah, ihr seid echt schlimmer als wir.", riss mich Leos Stimme aus den Tiefen Marvins Mundhöhle. Ich schaute zu meiner Tochter, die grinsend mit dem Kopf schüttelte. "Ich wollte eigentlich nur Bescheid sagen, dass wir zurück  und die Koffer fertig gepackt sind. Außerdem wollte ich fragen, ob ich noch etwas helfen kann, aber so wie es aussieht, kommt ihr alleine klar. Also weitermachen."Und schon war sie wieder verschwunden. "Du hast deine Tochter gehört, weitermachen." Marvin begann wieder kleine Küsse auf meinem Kiefer zu verteilen.  "Komm, lasse uns lieber den anderen helfen. Wir haben doch die ganzen nächsten zwei Wochen für uns." Ich richtete mich auf und krabbelte aus dem Bett. "Ich nehme dich beim Wort. Na dann los." Marvin griff meine Hand und zog mich die Treppe hinunter. Seit wir endlich zusammengefunden hatten, nutzten wir wirklich jede Möglichkeit für den Körperkontakt. Kathie hatte schon gefragt, ob wir mittlerweile an den Händen zusammengewachsen waren. Okay, vielleicht benahmen wir uns was das anging wirklich wie Teenager, aber wir hatten ja auch viele, viele Jahre nachzuholen. Denn mir war klar geworden, dass nicht nur Marvin damals schon eine Schwäche für mich gehabt hat, sondern ich auch für ihn. Irgendwie musste ich da nur auf der Leitung gestanden haben. Eigentlich komisch, dabei hatte ich sonst nie eine lange Leitung und war eher ein Blitzmerker. Egal. Wichtig war nur, dass wir uns nach unseren Umwegen wiedergefunden hatten. "Menschenskinder so jeht dat aba nich.", moserte mein Papa und fischte Funny aus dem Weihnachtsbaum, die gerade über die Äste turnte. Ja, unsere kleinen Miezen waren schon richtig aktiv und es gab nichts, was vor ihnen sicher war. "Jefällt dir der Baum so, meene Schnute? Wir haben extra uff dit Lametta verzichtet wegen eure Viehcherei." "Ja, Mama. Das ist nämlich gefährlich, wenn das die Tiere fressen.", nickte Dani ganz ehrfurchtsvoll neben seinem Opa. "Wir haben auch Kunststoffkugeln benutzt, falls sie herunterfallen.", erklärte Ella ganz stolz. Ja, genau deshalb hatte ich sie gekauft, dachte ich schmunzelnd. "Kann ich jetzt die Spitze oben rauf setzen?" Carmen schaute meinen Papa bettelnd an. "Da kommt aber keine Spitze, sondern ein Engel rauf." Ella hatte sie mit ihren Augen fixiert. "Nein, eine Spitze.", beharrte die kleine Blondine, die heute sogar rote Tüllschleifen an ihren kleinen Rattenschwänzen hatte. "Nein, ein Engel.", gab aber auch Ella nicht nach. Mein Papa schaute zwischen den beiden Mädels hin und her und kratzte sich am Kinn. Er war zwar Vater einer Tochter. Aber eben einer. Solche Zickenkämpfe hatte er deshalb nicht wirklich erlebt. "Dani, hier mach dit Ding mal, da ruff." Er hob seinen Enkel hoch und drückte ihm einen Stern in die Hand. Das war natürlich auch eine Lösung. "Auja, supi Dani.", jubelte Carmen begeistert "Siehst du kein Engel." Sie streckte Ella die Zunge raus. "Aber auch keine Spitze, sondern ein Stern.", antwortete diese mit zusammengekniffenen Augen.  "So, jetzt fehlen nur noch die Geschenke unter dem Baum. Helft ihr mir die zu holen?", versuchte ich den Zwist zu beenden. Da war wohl das richtige Stichwort im Satz enthalten, denn alle drei kamen zu mir gestürzt. "Na dann ab in den Keller, da steht im Vorratsraum die Sammelkiste." Ich hatte noch nicht fertig ausgesprochen, da klappte schon die Kellertür. Schnell folgte ich den dreien. "Ick pack denn schon mal diesen komischen roten Dekofetzen unten um den Baum.", rief mir mein Papa noch hinterher. Dieser komische Dekofetzen war eine Decke, die den Baumständer dekorativ abdeckte. Ich hatte sie letztens auf dem Weihnachtsmarkt entdeckt, als ich Weihnachtsgeschenke besorgt hatte. Sie war mit lauter kleinen Weihnachtsmännern bestickt. An dem Stand hatte ich dann auch noch den ganzen tierkonformen neuen Schmuck gekauft, denn wir hatten schon seit Ewigkeiten keinen eigenen Weihnachtsbaum. Sonst hatten wir den Heiligabend ja immer bei Karin und Martin verbracht, ehe wir dann ins Hotel in die Berge gefahren waren. Nachher würde ich die beiden noch anrufen. Bestimmt war es für sie auch eine Umstellung. Wenigstens waren sie heute nicht alleine. Roman würde zusammen mit Delphie bei ihnen feiern. Das beruhigte mich etwas, denn es bedeutete, dass meine Tochter wenigstens einen schönen Heiligabend haben würde. Karin würde sie garantiert verwöhnen. Und das würde ich auch machen, wenn wir dann in der Schweiz waren und sie fünf Tage zu uns kam. Man, ich freute mich so darauf. Erstaunlicherweise, hatte sich Romans Protest dagegen ziemlich in Grenzen gehalten. Vielleicht lag es ja auch daran, dass er dann ein paar Tage ungestört mit seiner Freundin verbringen konnte. Ich musste daran denken, wie er im Fahrstuhl über Delphie gesprochen hatte. Egal, ich würde einfach versuchen wieder ein besseres Verhältnis zu ihr aufzubauen.  "Sind das alles Geschenke?" Carmen zeigte mit aufgerissenen Augen auf die große Kiste. Ich nickte "Wow, bei uns gab es immer nur eins bis jetzt." Die Kleine schien mächtig beeindruckt. "Wir sind ja auch viel mehr Leute.", belehrte sie Ella gleich wieder.  "Na los, dann bringt sie hoch und packt sie unter den Baum." Wenn sie etwas zutun hatten, konnte nicht gleich wieder der nächste Zickenkrieg entbrennen. "Soll ich helfen?" Andi war aus dem Nichts aufgetaucht. "Wir sind mit dem Kaffeetisch fertig. Dein Sohn ist schon ein ganz schöner Frauenmagnet.", zwinkerte er mir zu. Ich musste grinsen. Ja, da konnte ich nicht widersprechen. "Ich wollte mich auch noch einmal bei dir bedanken, dass wir bei euch Weihnachten feiern können. Sonst waren wir zwei ja nur alleine. Das ist richtig schön für Carmen." Andi schaute mich ernst an "Und für mich auch. Ist fast so wie früher. Du hast viel Ähnlichkeit mit Paula", fügte er leise hinzu. Ich drehte mich zu ihm und schlang meine Arme um ihn "Wir freuen uns auch darüber. Ihr gehört doch mittlerweile zu unserer Familie. Du bist der Bruder, den ich mir immer gewünscht habe." Ich musste schwer schlucken. Man, irgendwie war ich heute total emotional. "Dit hat se wirklich. Die hat uns imma damit jenervt, dit se noch een Bruder will.", hörte ich meinen Papa. "Da hörst du es. Ich zog meine Schultern hoch. "So und jetzt kommt, ihr beeden. Die andern warten schon uff euch." Meine Papa legte uns beiden seine Arme um die Schulter und schob uns zur Treppe, wo meine Mutter schon an der Tür wartete. "Mensch Chris, wo bleibt ihr denn?" Als sie uns so sah, begann sie zu lächeln.  "Jetzt haben wa  echt een Sohn und eene Enkeltochter mehr, Dani.", lachte mein Vater und zog uns beide noch einmal fest an sich. "Das weiß ich doch, Chris." Mein Blick fiel zu Andi, der leicht glasige Augen hatte. "Komm her, mein Junge. Wir müssen den Kuchen verteilen." Meine Mutter hakte sich bei ihm unter und mein Papa und ich folgten ihnen.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt