Kapitel 50

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Ich schaute zu Leo, die an Max Hand vor mir lief. Auch heute noch schien sie in Berlin alles aufzusaugen. Warum hatte ich so einen Ausflug nicht schon früher einmal gemacht? Gestern war es wirklich noch ziemlich nostalgisch geworden. Nachdem wir mit Franzis Eltern gegessen hatten, sind wir wirklich noch in meinen alten Segelclub gegangen. Man, hatte sich da alles verändert. Sie hatten ein neues Clubhaus gebaut und auch so war alles viel edler geworden. Die Jugend hatte jetzt auch ein eigenes Jugendhaus und nicht nur einen Container wie früher. Richtig melancholisch geworden bin ich dann aber beim Anblick meiner kleinen Alex, die wirklich noch von der Jugend zur Vorbereitung auf den Segelschein genutzt wurde. Bei ihrem Anblick hatte ich einen ganz schönen Kloß im Hals und als sich dann auch noch mein ehemaliger Trainer, den wir zufällig getroffen hatten, an mich erinnern konnte, hatte ich doch eine kleine Träne verdrückt. Gestern Abend hatte mich dann Leo mindestens noch eine Stunde bekniet auch wieder ein Segelboot zu kaufen. Ich musste zugeben, dass dieser Gedanke mir eigentlich wirklich gut gefiel. Das Segeln wäre ein guter Ausgleich zum Arbeitsstreß. Es gab nichts schöneres als diese Stille auf dem Wasser, weit weg von allem. Nur das Rauschen des Windes in den Segeln.... ja, ich musste das noch einmal gut durchdenken, aber eigentlich hatte sie mich schon fast überzeugt. Vielleicht könnte ich das ja auch wieder mit Franzi zusammen in Angriff nehmen."Und wie fühlst du dich hier so?" Ich schaute zu meinem besten Freund, der neben mir lief als wir gerade auf der Ostkurve des Olympiastadiums standen "Boah, die blaue Tartanbahn ist ja der Hammer." Leo schaute beeindruckt zu uns. "Und hier hast du immer gespielt? Das muss der Hammer sein." "Ja, das war über Jahre sozusagen mein Wohnzimmer.", grinste er "Eure Väter haben hier sogar den Pokal geholt." Max fing an zu lachen "Ich bin hier sogar geboren." Leo schaute ihn schockiert an, während Marvin und ich auch zu lachen anfingen "Stimmt. Das war damals echt ein Ding als deine Mutter mich damit überrumpelt hat, dass ihre Fruchtblase mitten im Spiel geplatzt ist. Ich war total panisch. Und sie hat euch dann total gechillt im Sanitätsraum dort drüben zur Welt gebracht." Ich deutete Richtung Marathontor. "Ja, das war mal wieder typisch für Franzi." Marvin schüttelte lachend seinen Kopf "Und Nik und ich haben dann erst einmal den Fanshop geplündert. Man hat dein Vater gebockt, als ihr als erstes Hertha Strampler anbekommen habt. Du bist ja auch immer noch Ehrenmitglied bei Hertha.", grinste er. Leo fielen fast die Augen aus dem Kopf "Echt, warum weiß ich das nicht, dass du hier geboren bist und dann auch noch Herthaner?" Sie stupste ihren Freund in die Seite. "Irgendwann spielst du auch mal hier.", wechselte er schnell das Thema. Sie schüttelte entschieden den Kopf und schaute auf ihren Arm "Hiermit nicht mehr. Fussball ist für mich durch." Ich legte meinen Arm um ihre Schulter "Die Ärzte haben doch aber gesagt, dass du mit der Hand keinerlei Einschränkungen haben wirst.", versuchte ich sie zu trösten und aufzumuntern "Nee, das wird nichts mehr.", bekam ich die ganz entschiedene Antwort. Naja, das würden wir schon noch sehen, dachte ich mir und ließ es erst einmal darauf beruhen. "So, und jetzt gehen wir auf den Fernsehturm.", schlug ich also vor. Sofort hakte sich Leo bei mir unter und zog mich Richtung Auto, ehe sie sich zu den anderen umdrehte "Na los, hoppihopp." So aufgedreht und glücklich hatte ich meine Große seit ewigen Zeiten nicht erlebt. Ich überlegte kurz. So war sie eigentlich als kleines Kind gewesen bevor Delphie geboren worden war. Da hatte sie Roman so manchesmal mit ihrem Temprament zum Schwitzen gebracht. Wie oft war sie schon während des Einparkens aus dem Auto gesprungen und losgerannt. Damals musste ich immer fahren, damit er dann gleich hinterherlaufen konnte. Eine leichte Melancholie breitete sich in mir aus. Wieso hatten wir es nicht geschaft unser Glück von damals festzuhalten....
"Boah, das ist ja der Wahnsinn, wie groß Berlin ist. Da ist Dortmund ja überhaupt nichts gegen." Leo lief von einer Panoramascheibe zur nächsten und drückte sich ihre Nase daran platt." Ja, von hier oben vom Fernsehturm hatte man wirklich einen tollen Überblick. Ringsum uns erstreckte sich ein riesiges Häusermeer. Ich versuchte mich zu orientieren. "Schau mal. Da ungefähr ist die Wohnung von Marvin.", zeigte ich Dani, der neben mir auf dem Arm meines Freundes war. Auch er schaute ganz begeistert. "Und da hinten haben früher Omi und Opi und ich gewohnt." Ich zeigte weiter Richtung Süden und orientierte mich am ehemaligen Kraftwerk Reuter. Leo, die wieder neben mir stand, folgt mit ihrem Blick meinem Handzeig. "Wusstest du, dass der Turm genauso alt wie Opi und Omi ist?", fragte sie ganz aufgeregt und deutete auf die Infotafel "Ja, er wurde 1969 eröffnet und die Kugel dreht sich einmal in einer Stunde komplett. Wenn man also im Restaurant am Tisch sitzt, hat man nach einer Stunde einmal ganz Berlin gesehen.", gab ich mein Wissen zum besten. "Können wir nachher auch noch mal an eurer alten Wohnung und deiner alten Schule gucken?" Irgendwie machte es mich echt stolz, dass meine Tochter so an meiner Vergangenheit interessiert war. Ich hatte das Gefühl, dass wir endlich ein echtes Mutter-Tochter-Verhältnis hatten. Bei dem Gedanken, dass ich das fast vergeigt hätte, musste ich schlucken. "So, jetzt gehen wir aber auf dem Kudamm shoppen.", trieb ich alle an....
"Man, hat sich das hier alles verändert.", rutschte es mir kopfschüttelnd heraus. Überall waren Hochhäuser, die ich überhaupt nicht kannte und das Hochhaus, das ich kannte, war nicht mehr da. "Wo ist das Kudammkarree hin?" Ich schaute Marvin ratlos an, der neben mir die Straße entlang schlenderte. "Mausi, das wurde schon vor zehn Jahren oder so abgerissen. Deshalb gibt es doch jetzt dort diesen neuen Komplex." Er deutete in die Richtung, in die ich irritiert geguckt hatte. "Jetzt sage mir nicht, dass es das Europa-Center auch nicht mehr gibt.", fragte ich erschüttert. "Doch das gibt es noch, da hat sich auch nicht viel verändrert. Sogar diese eigenartigen Uhren stehen da noch.", beruhigte er mich. "Was für eigenartige Ugren?", fragte Leo neugierig. "Also im Europa-Center ist eine, bei der du am Flüssigkeitsstand die Uhrzeit ablesen kannst und an dem einen Ausgang ist eine  die funktioniert mit Mengenlehre.", erklärte ich ihr "Los, lasst uns da mal gucken gehen." War klar, dass sie da gleich begeistert war. Keine Viertelstunde später standen wir vor der Mengenlehreuhr. Ich schaute zu Max, der verzweifelt darauf schaute, genau wie Marvin und Mika."Also das ist doch ganz einfach abzulesen.", begann ich "Ja, es ist genau 16 Uhr und 18 Minuten.", unterbrach mich Leo. Da hatte sie recht "Das hast du doch auf deiner Uhr gespiekt.", grinste mein bester Freund. Sie schüttelte empört ihren Kopf und fing an zu erklären. Stolz hörte ich ihr zu. Scheinbar hatte meine Tochter diese Affinität zu Stunden und Minuten von mir geerbt.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt