Kapitel 52

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Ich lief neben meiner Schwiegermutter zum Gästezimmer. Wie versprochen waren sie gerade angekommen und würden Pfingsten bei uns verbringen. Ich war schon gespannt, wie ihr die neue Einrichtung dort gefiel. "Also ich muss sagen, euer Wohnzimmer sieht jetzt wirklich viel wohnlicher und gemütlicher aus." Wenn sie das so sah, würde ihr hoffentlich auch der Rest gefallen. Ich öffnete die Tür und ließ sie eintreten. "Wow, dieses Apfelgrün überall macht sofort gute Laune. Endlich ist hier alles mal ein bisschen farbiger und freundlicher. Dieses ganze weiß hat mich immer an ein Krankenhaus erinnert.", lächelte sie. "Und nicht mehr diese blöden Hochglanzmöbel, wo du jedes Mal Angst hattest etwas anzufassen, weil man sofort deine Fingerabdrücke gesehen hat.", brummte Martin hinter uns, der das Gepäck mitgebracht hatte. Ich schaute beide verwundert an "Ich dachte immer, das wäre schweizer Stil, weil Roman so darauf gepocht hatte." Die beiden schüttelten den Kopf "Nö, das ist nur seine Meise. Wir mögen es lieber gemütlich." Das hätte mir eigentlich klar sein müssen, denn ihr Haus war ja auch mehr rustikal eingerichtet. "Aber da hat er ja jetzt die richtige Beraterin.", kam es von meinem Schwiegervater, der sofort einen Ellenbogen von Karin in die Seite bekam und sich schnell zur Seite drehte. Mir fiel wieder der Zeitungsbericht beim Kinderarzt ein "Ach du meinst diese Nastassja?" Beide schauten mich verwundert an "Du weißt davon? Roman hat dir das erzählt?", fragte mich Karin fassungslos. Ich musste an das Telefon denken, dass ich vorhin mit ihm geführt hatte. Ich war gerade noch dazu gekommen ihn zu informieren, dass Delphie zur Vorsorge und Impfung musste als er mich auch schon angefangen hatte zu beschimpfen, dass ich doch eine unfähige Mutter sei und ihm ja wohl kaum Ratschläge oder Anweisungen zu geben hatte. Okay, mir war dann vielleicht auch ein wenig der Kragen wegen der Logopädiegeschichte und Dani geplatzt. Das Gespräch war also nicht allzu fruchtbar und lang. Jedenfalls hatte es keine Möglichkeit zum Austausch solcher Neuigkeiten geboten. Ich schüttelte also den Kopf "Nee, ich habe nur ein Foto in der Zeitung gesehen und eins und eins zusammengerechnet."  Meine Schwiegermutter kam zu mir geeilt und strich mir über den Arm "Es tut mir so leid. Ich wollte auf keinen Fall, dass du es so erfährst, aber ich wusste auch nicht wie ich dir das am Telefon hätte erzählen sollen." Sie schaute mich zerknirscht an. Ich lächelte sie aufmunternd an "Du, das ist nicht weiter schlimm. Roman und ich gehen getrennte Wege. Jeder hat soll seine Chance auf ein neues Glück haben und wenn er mit der Tussi glücklich ist, dann umso besser. Für mich ist nur wichtig, dass es Delphie damit gut geht. Ich habe ja auch mein Glück darin gefunden, dass ich jetzt mehr Zeit für meine Kinder habe. Und Delphie tritt dieses Wochenende wirklich in Paris auf?", versuchte ich das Gespräch wieder in glattere Gewässer zu bringen. "Naja auftreten ist übertrieben. Sie ist dort zu einem schweineteuren Workshop, den ihm die Ballettlehrerin ins Ohr gesetzt hat, um das Talent ultimativ zu fördern." Ich sah meinem Schwiegervater sein Missfallen an "Als ob sie nicht auch einfach in Münsingen trainieren könnte. Du willst ja gar nicht wissen, was diese Reise wieder kostet. Und die andere Missi muss ja auch mit. Und dann muss es natürluch auch das Ritz Carlton sein als Unterkunft. Was einfacheres geht ja nicht." Er schüttelte sauer seinen Kopf. "Eigentlich müsste er heute bei einem Spiel bei den Young Boys sein, aber er hat auf einen freien Tag bestanden. Wenn er so weitermacht, ist er den Job bald wieder los. Und so viel Geld wie er aus dem Fenster schmeißt, spielt das ganze ja auch nicht ein. Ich weiß  wirklich nicht, wo das enden soll, besonders wenn er dann jetzt auch noch die Wohnung zahlen muss." Das war der Moment, wo meine Ohren hochschossen "Wie Wohnung?" So lange Martin und Karin ein Auge auf Delphie hatten, war ich ja beruhigt, aber jetzt? "Keine Angst, ich fahre dann auch jeden Tag dort hin.", versuchte mich meine Schwiegermutter sofort zu beruhigen. Scheinbar hatte sie mir meine Ängste angesehen. "Hallo Oma, hallo Opa." Leo feuerte ihren Rucksack auf die Erde und umarmte ihre Großeltern stürmisch. "Ja, hallo, meine Große.", Karin knuddelte ihre Enkeltochter liebevoll. "Wie geht es dir? Du strahlst ja fast vor Glück." Leo nickte wild "Ja, wir haben heute Max seine Abiergebnisse bekommen." Stimmt, das hatten sie ja gestern erzählt, dass die heute bekannt gegeben wurden. "Na, so wie du aussiehst, ist er bestimmt durchgefallen.", lachte Martin. "Quatsch, Opa. Mein Freund ist der schlauste Mensch überhaupt auf dieser Welt." Er nickte sofort "Das will ich doch meinen, schließlich ist er mit meiner bildhübschen und intelligenten Enkelin zusammen." Karin und ich mussten schmunzeln über Leos irritierten Blick "Ja, das auch, aber er hat sein Abi mit 1,0 bestanden. Es ist unglaublich, er hat wirklich überall 15 Punkte geholt.", strahlte sie schon wieder vor Stolz. "Das ist ja super. Das muss gefeiert werden.", lachte Karin. Ich war  mir sicher, dass Marco schon mitten in der Planung war. "Und wie hat Phil bestanden?" Leo winkte uninteressiert ab "Genauso."  Ein Handyklingeln unterbrach uns "Bürki.", meldete ich mich schnell und hörte dem Anrufer zu. Das konnte doch nicht wahr sein. Ich hatte mich schon so auf den Besuch meiner Schwiegereltern gefreut. Klar hatte ich für den morgigen Tag das Werbeshooting eingeplant. Das würde ja höchstens zwei bis drei Stunden dauern, aber den heutigen Tag hatte ich mir komplett frei nehmen wollen. Und jetzt das. "Danke, für die Info. Ich kümmere mich darum.", verabschiedete ich mich.  "Probleme?" Martin schaute mich forschend an. "Das war der Fotograf für morgen. Er hat mir abgesagt. Wo soll ich denn jetzt auf die Schnelle noch einen Vollprofi herbekommen?", sagte ich verzweifelt. "Das ist eine Riesenkampagne, da kann ich nicht irgendeinen Amateuer nehmen. Mist, ich wollte doch heute den Tag mit euch verbringen und jetzt muss ich doch ins Büro." Karin legte mir ihren Arm um die Schulter. "Das ist doch kein Beinbruch. Die Arbeit geht vor. Und wir sind doch noch die ganze nächste Woche da." Nee, die Arbeit sollte in meinem neuen Lebensabschnitt nicht mehr vor der Familie vorgehen. Aber ich konnte das Shooting auch nicht canceln. Mist, Mist, Mist. Ich musste sofort Erik, Kathie und Marvin zusammentrommeln und dann eine Lösung finden und das in weniger als 24 Stunden. Das war fast aussichtslos, schließlich wohnte ja nicht gerade der nächste Starfotograf gleich in Bochum und hatte Zeit. Leider. Ich stöhnte innerlich auf. Das würde garantiert ein langer Tag und eine lange Nacht und ich war mir nicht sicher, dass das Adjektiv erfolgreich noch dazukam. "Du, Mama. Frage doch mal Franzi. Die hat letztens gerade die neueste Kollektion mit Lisa geshootet." Ich schaute überrascht zu Leo. "Lisa ist doch Physiotherapeutin beim BVB." Leo schaute mich kopfschüttelnd an "Doch nicht die Lisa. Ich meine Lisa Goretzka. Die ist Fotografin." Okay, Fotografen gab es viele, aber war sie auch Profi, schoss es mir durch den Kopf. Wir hatten uns noch nie über ihren Beruf unterhalten. "Ich gehe mal schnell zu Franzi.", warf ich in den Raum und machte mich auch schon auf den Weg  "Wir drücken dir die Daumen.", hörte ich Karin mir noch hinterherrufen. Ja, das konnte ich gebrauchen. Hoffen und Beten würde auch nicht schaden.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt