Ich schmiss den Eiskratzer und den Handfeger in den Kofferraum und sprang in mein Auto. "Danke, Tiger, für's helfen." Wer hatte denn Anfang Dezember mit Schnee und Eis rechnen können. Ich jedenfalls nicht, sonst hätte ich ja meine Standheizung programmiert und nicht selbst, wenn auch mit Marvins Unterstützung, gekratzt und gefegt. Man, waren meine Finger jetzt kalt. Hätte ich gestern Abend wie die meisten erwachsenen Bürger der Republik die Tagesschau geschaut, hätte ich den Wettterbericht gesehen und mir wäre die böse Überraschung erspart geblieben als ich nach dem Aufstehen aus dem Fenster geschaut hatte. Egal, der gestrige Abend war es mehr als wert gewesen. Wir hatten alle soviel Spaß bei den Spielen. Leo und Dani waren beide so glücklich und das war das wichtigste. Leo hatte nicht einmal an den Termin, den ich gleich hatte, gedacht. Und das war auch gut so, sonst wäre sie heute bestimmt total abgelenkt in der Schule. Abgelenkt......ja, abgelenkt war ich gestern auch den ganzen Abend....obwohl, eher müsste ich sagen den ganzen Tag. Aber der Abend toppte alles. Sofort tauchte das Bild von Andi und Marvin beim Twisterspielen vor mir auf. Man hatten die beide sich verknotet. Und ich hatte freien Blick auf Marvins knackigen Hintern. Und als sein Shirt etwas hochgerutscht war......Schluss jetzt. Was waren denn das für Gedanken am Tag meiner Scheidung? Erst einmal würde ich die hinter mich bringen und dann so etwas denken. "Mausi, soll ich nicht doch mitkommen?" Marvin musterte mich "Nee, lass mal lieber. Ich möchte nicht, dass Roman dich sieht und dann dort noch etwas eskaliert." Das wäre bestimmt für keinen von uns förderlich. "Ich könnte ja im Auto warten." Das war eine gute Idee und ich hätte mich damit wahrscheinlich viel wohler gefühlt, aber irgendwie hatte ich auch das Gefühl, das ganze alleine durchziehen zu müssen. Ich hatte es ja auch alleine geschafft meine Ehe gegen die Wand zu fahren.....also nicht ganz alleine, Roman hatte auch seinen Teil dazu beigetragen, aber es betraf wirklich nur uns beide. "Ach Tiger, das ist lieb gemeint, aber mir ist viel wichtiger, dass du Dani aus der Kita abholst. Ich bin ja schon groß und schaffe das, versprochen." Marvin verzog sein Gesicht. Ihm war deutlich anzusehen, dass ihm meine Antwort nicht gefiel. "Andi holt ihn mit Carmen zusammen ab. Das haben wir gestern extra so besprochen als wir unser Ablenk.......ähm als wir mit den Kids gespielt haben." Marvin fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. "Das du das schaffst ist mir klar, trotzdem ist mir nicht wohl dabei dich da alleine hinzulassen." Sein Blick fiel zu meinem Arm und ich wusste genau, was er gerade dachte. Ich legte schnell meine Arme um seinen Hals und drückte ihm einen Abschiedskuss auf die Wange, ehe ich mich in mein Auto setzte. "Aber wenn du mich brauchst, rufst du an, Mausi. Ich komme dann sofort. Und gehe dem Idioten soweit du kannst aus dem Weg.", seufzte er unzufrieden als er die Fahrertür langsam schloss. Ich nickte und versuchte mich an einem Lächeln, als sich unsere Blicke noch einmal durch die Seitenscheibe trafen. Jetzt wurde es aber Zeit, dass ich loskam. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich noch eine gute Stunde Zeit hatte. Das waren mehr als 60 Minuten oder 3600 Sekunden. Normalerweise brauchte man bis zum Gericht 20 Minuten oder 1200 Sekunden. Also lag ich noch super in der Zeit. Und das, obwohl ich heute morgen ewig vor dem Schrank gestanden hatte, um zu überlegen, was ich anziehen sollte. Irgendwie gab es ja keinen Leitfaden. Also was zog man zu seiner Scheidung an? Letzendlich hatte ich mich auch wegen des Wetters zu einer schlichten schwarzen Hose und einem dezenten Rollkragenpulli in einem schönen grün entschieden. Den schwarzen hatte ich wieder in den Schrank gepackt. Das ganze war ja keine Beerdigung, sondern nur eine Beendigung eines nicht mehr haltbaren Zustands im beiderseitigen Einvernehmen. Denn daran, dass weder Roman noch ich weiter Interesse hatten diesen Verwaltungsakt namens Ehe aufrecht zu erhalten, gab es keinerlei Zweifel. Deshalb auch der grüne Pullover. Grün war doch die Farbe der Hoffnung. Und die hatte ich, dass nach der Scheidung alles besser wurde. Sofort tauchte wieder Marvins besorgtes Gesicht vor mir auf "Ach Mensch, Tiger.", entschlüpfte es mir. Irgendwie war er immer für mich da und um mich besorgt. Ich dachte an seinen Versprecher vorhin. Ich hatte es mir extra nicht anmerken lassen, dass ich ihn bemerkt hatte. Das war echt so süß von Andi und ihm, dass sie mich von dem Termin ablenken wollten? Wieder tauchte das Twisterbild vor meinem inneren Auge auf. Wenn das alles durch war, würde ich heute Abend meine ersten Annäherungsversuche starten. Dann war ich ja eine freie Frau. Man konnte mir weder während der Ehe noch in der Trennungszeit vorwerfen, fremdgegangen zu sein. Naja, bis auf den einen Kuss auf Ibiza mit Marvin. Aber das war ja nur ein harmloser Kuss und ich bezweifelte stark, dass Roman mit seinen ganzen Tussis und jungen Hüpfern auch so zurückhaltend war. Wobei harmlos war der Kuss eigentlich nicht, denn er hatte mir ja irgendwie die Augen geöffnet. Wenn auch erst verspätet. Aber jetzt wusste ich was ich wollte. Und das war Marvin. Der grüne Pullover würde mir schon helfen. Hoffentlich auch bei der Klärung des Sorgerechts. So wie sich mein Magen zusammenzog, bräuchte ich auch noch grüne Unterwäsche, Socken, Schuhe, Hosen und Haare, um genug Hoffnung zu haben, dass Roman bei Leo und Dani raus war, ich aber noch bei Delphie ein Mitspracherecht hatte. Ich rieb mir mit meiner Hand durch mein Gesicht. Wie konnte das nur so weit kommen? Ich musste an unsere kleine Hochzeit in Dortmund denken. Und an die große in der Schweiz. Wir waren doch so glücklich. Wohin und wann war unser Glück klammheimlich verschwunden? Was war passiert? Man, warum staute es sich denn hier so? Ich trommelte mit meinen Fingern auf dem Lenkrad und schaute zur Uhr im Armaturenbrett. Mist, nur noch 30 Minuten oder 1800 Sekunden. Warum verflucht, vergaßen die Autofahrer eigentlich alle grundlegenen Fähigkeiten des Autofahrens sowie nur drei Regentropfen oder zwei Schneeflöckchen die Fahrbahn berührten? Es war überhaupt nicht glatt. Die Straßenmeisterei hatte super Arbeit geleistet und die Straßen waren frei. Warum zum Henker stand ich also in einem Stau? Gefühlt hatte ich schon den halben Weg zum Gericht geschafft, aber das könnte echt ganz schön knapp werden. Manno, ich wollte nicht zu spät kommen. Wie sah das denn aus? Kein Richter der Welt würde einer unzuverlässigen Person, die nicht einmal pünktlich zu Terminen erschien, das alleinige Sorgerecht für Kinder zusprechen. Das war doch sch..... Na endlich ging es weiter. Beim Passieren der Unfallfahrer, die heftig beim Diskutieren waren, stieß ich einen ziemlich undamenhaften Fluch aus. Egal, jedenfalls tat er gut und ich gab Gas. Ganze zwanzig Minuten oder 1200 Sekunden später quetschte ich mich in eine Miniparklücke. Warum gab es hier am Gericht eigentlich kaum Parkplätze? Egal, ich hatte ja jetzt einen erkämpft. Ich sprang aus dem Auto und begann in meiner Tasche nach dem Portemonnaie zu wühlen. Hoffentlich hatte ich überhaupt Kleingeld für den Parkschein. Diese Straßenpiraterie war ja mittlerweile total ausgeufert. Was war denn das? Ich zog einen Beutel mit Gummibärchen aus meiner Tasche. Wie kam denn der da hin? Mitten auf der Tüte prangte ein kleiner Zettel -Mama, wir haben dich lieb, Dani und Leo-. Ich musste fest schlucken und strich mit meinem Zeigefinger über den leicht krakelig geschriebenen Namen meines Sohnes und über das schwungvoll geschriebene Leo. Dann wusste meine Tochter also doch von dem Termin. Ich schloss kurz meine Augen und stopfte meine Lieblingsgummibärchen wieder in meine Tasche, ehe ich das Kleingeld zusammenkramte. Wie lange dauerte so eine Scheidungsverhandlung? Vielleicht länger als manche Ehe. Ich schaute mir den Tarif an....ein Tagesticket, dann konnte nichts schief gehen, außerdem war bei den Preisen dann auch das Monatsgehalt dezimiert, so unter dem Motto, ich hätte ja gerne Unterhalt gezahlt, aber ich musste vorhin einen Parkschein ziehen. Hatte ich mir echt Sorgen wegen des Kleingelds gemacht? Das war überflüssig. Bei den Preisen hier nahm man auch Scheine, da beim Einwurf der Kleingeldmenge sonst der Parkschein schon beim Erhalt abgelaufen war. Egal ich schnappte mir das Zettelchen, das der Automat ausspuckte und packte es schnell in mein Auto. Ein Blick auf die Uhr sagte mir noch sieben Minuten oder 420 Sekunden. Schnell sprintete ich in das Gerichtsgebäude. Ein Glück, dass diese Personenkontrollen mittlerweile per Körperscanner funktionierten und ich schnell durchflutschen konnte. Noch 5 Minuten oder auch 300 Sekunden. Ich schaute zu dem Fahrstuhl, dessen Türen sich gerade begannen zu schließen. Schnell hechtete ich noch hinein. Das würde ich noch pünktlich schaffen. Erleichtert schaute ich auf die sich hinter mir schließenden Türen und schloss einmal kurz die Augen, um durchzuatmen.
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...