Kapitel 69

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Ich stapfte resigniert aus dem Laden. Das war schon mindestens der  zehnrte Laden in der Pariser Innenstadt, der zwar allen möglichen Kitsch verkaufte, einschließlich Disney Plüschtieren, aber natürlich wieder keine Belle hatte.  So langsam hasste ich den Satz- je suis désolé. Ja gut, eins musste man denn französischen Verkäufern lassen. Sie waren extrem freundlich und fast schon betrübt, wenn sie das sagten. Nicht so wie die Verkäufer bei uns, von denen ich wohl eher den Satz -haben wir nicht- in genervtem Ton gehört hätte, weil ich die Unverschämtheit besaß sie anzusprechen. Trotzdem nützte mir die Höflichkeit gar nichts, denn ich stand immer noch ohne Belle da. Und morgen war Sonntag, da hatten die Geschäfte auch in Paris zu. Das war doch Mist. "Mausi, was ziehst du denn für eine Schnute?" Marvin schaute mich besorgt an.  Bisher war er ganz artig mit mir durch die Gegend getrabt, ohne Fragen zu stellen. "Man, ich suche Belle und finde sie nirgends. Dabei wollte ich sie unbedingt Delphie schicken. Und jetzt wird das nichts." Bei meinem letzten Wort hatte sich doch wirklich ein kleiner Schluchzer eingeschlichen. Mist, das wollte ich doch gar nicht. Ich spürte einen warmen Arm, der sich um meine Schultern legte. Das fühlte sich gerade richtig gut an. "Nee, nee...so fangen wir gar nicht an. Aufgegeben wird nicht. Wenn du dir das vorgenommen hast, dann machen wir das auch." Ich spürte wie er mir einen Kuss auf meinen Scheitel drückte. Er schob mich in die Richtung, wo Marco und Leon auch auf ihre Frauen warteten, die genau wie ich in irgendwelchen Läden verschwunden waren. "Na wenigstens schon einmal die erste.", grinste Marco "Hoffentlich kommen unsere beiden Weiber auch bald, schließlich wollen wir noch kurz auf den Eiffelturm und dann geht es ja auch schon auf den Kahn zum Futtern." Ja, das war unser Abend-Sightseeing-Programm. Erik und Kathie hatten sich bereit erklärt auf die Kinder im Hotel aufzupassen. Naja so ganz stimmte das bereit erklärt nicht. Sie hatten das kürzeste Streichholz gezogen, traf es wohl besser. Wer verzichtete schon freiwillig auf einen romantischen Bummel durch das abendliche Paris im Juni bei sommerlichen Temperaturen. "Ähm, also wir würden uns ausklinken. Wir müssen noch dringend etwas besorgen." Marco schaute Marvin schockiert an "Aber.." "Nichts aber. Wenn es schnell geht, können wir euch ja über Handy erreichen und uns euch wieder anschließen. Also bis später." Mein bester Freund zog mich an der Hand weiter. "Na dann besorgt es euch mal schnell.", hörte ich noch Leon im Weggehen lachen. "Idiot.", brummte Marvin säuerlich und zeigte ihm den ausgestreckten Mittelfinger. "So, und du sagst mir jetzt wer oder was Belle ist, damit ich dir suchen helfen kann." Ich war total verdattert. Marvin hatte das ganze Abendprogramm auf den Kopf gestellt, nur damit ich weiter suchen konnte. Das war...."Tiger, du bist ein Schatz." Ich umarmte ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Also Belle ist die Hauptfigur aus die Schöne und das Biest. Also sozusagen die Schöne. Und das ist doch Delphies Lieblingsfilm und Belle ist halt ihre Lieblingsfigur. Und....", plapperte ich los. Marvin zog sein Handy aus der Tasche. Okay, dann hatte er es sich wohl anders überlegt und wollte lieber doch mit den anderen auf den Eiffelturm. "Und wo sind sie?" Ich versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen "Also hier in der Nähe gibt es drei Spielwarenläden. Und am Flughafen Orly soll es noch einen großen Disney-Store geben." Was hatte er gesagt? "Du hast gar nicht den anderen geschrieben?" Marvin schüttelte den Kopf "Mensch Mausi, wir haben doch gesagt, wir besorgen Belle. Also tun wir das auch. Was denkst du denn schon wieder. Ich habe nur gegoogelt." Ich musste grinsen. Ja, was dachte ich schon wieder? Das war Marvin und der stand immer zu seinem Wort. "Na dann lasse uns die Spielwarengeschäfte abklappern." Drei Stunden und drei Je-suis-désolées später, saß ich glücklich neben Marvin im Taxi. In meinen Händen hielt ich eine Plastiktüte mit Disney-Aufdruck und darin befand sich eine Belle. Ja wohl, auf dem Flughafen hatten wir sie bekommen. Stolz und zufrieden strich ich über die Tüte und schaute zu Marvin, der neben mir saß und aus dem Fenster schaute. Die Sonne war kurz vor dem Untergehen und die Straßenlaternen begannen alles zu erleuchten. Das Taxi stoppte und der Fahrer drehte sich zu Marvin. "Monsieur. Wir sind an der Pont Neuf. Das macht 87 Euro." Mein bester Freund drückte ihm einen 100 Euro Schein in die Hand und öffnete die Tür. "So, dann schreiben wir mal den anderen, wo sie sind. Normalerweise müsste das Boot hier gleich ablegen." Er deutete zu mehreren Booten, die am Seine-Ufer festgemacht waren und dort leicht in der Strömung hin- und herschaukelten. Das war bestimmt total romantisch im Mondlicht damit den Fluss hinunterzufahren und die ganzen schönen toll beleuchteten Altbauten zu bewundern. Außerdem gab es da bestimmt auch noch richtig gutes Essen. Dafür waren die Franzosen ja bekannt. Vor meinem geistigen Auge tauchten Schnecken und kleine süße Frösche auf. Ich schüttelte mich angewidert. "Ist dir kalt?" Marvin schaute mich mal wieder besorgt an. Ich schüttelte meinen Kopf "Nee, ich habe an das Essen gedacht." Ein herzliches Lachen ertönte neben mir "Lasse mich raten, es war klein, grün,niedlich und hüpfte. Und wenn du es geküsst hättest, wäre ein Prinz daraus geworden." Ich nickte schmunzelnd. Ja, er kannte mich. "Also ich mag den Fraß auch nicht so." Marvin ließ sein Handy wieder in die Hosentasche gleiten. "Wie wäre es, wenn wir das Schiff auch streichen und einfach etwas an der Seine entlang schlendern und uns später ein Baguette holen und uns in den Park am Eifelturm setzen? Hast du Lust darauf?" Und ob ich darauf Lust hatte. "Aber was sollen die anderen dazu sagen?" "Was interessiert uns das denn? Die denken sich doch sowieso was sie wollen. Also wie sieht es aus?" Ich musste an Leons Spruch vorhin denken und auch an die Sachen, die meine Freundinnen gestern im Disneyland gesagt hatten. Da hatte er wirklich recht. Sie dachten sowieso was sie wollten. Ich griff nach seiner Hand "Na los, worauf wartest du."  Eine Stunde später saßen wir auf einer Bank im Champ de Mars. In meiner Hand hielt ich ein Baguette mit Schinken und Käse belegt. Ich biss hinein und schaute zu dem wunderschön beleuchteten Eiffelturm. Man war das lecker und ziemlich schnell aufgefuttert. "Und Mausi, zufrieden?" Marvin reichte mir einen Becher mit Wein. "Ja, jetzt fehlt nur noch Mousse-au-chocolat und mein Leben ist rund." Marvin hielt seine Hand vor die Brust "Oh, wie nachlässig von mir, Madame." Er begann in der Tüte neben sich zu kramen. "Tata." Stolz streckte er mir einen Becher mit brauner Substanz entgegen "Mousse?", schoss es mir ungläubig aus dem Mund, während ich aber schon zugriff "Was sonst, Mausi.", zwinkerte er mir zu und reichte mir einen Löffel. So verwöhnt zu werden, hatte schon was. Gesättigt saßen wir immer noch auf der Bank und beobachteten das bunte Treiben. Überall waren händchenhaltende Paare unterwegs, die immer wieder stehen blieben und sich küssten. Da wurde man ja fast neidisch. Ich spürte einen Arm um meine Schulter und kuschelte mich an Marvin. Vielleicht sollte ich mir auch wieder einen Mann suchen? So ganz ohne Liebe war ja auch blöd. Aber was erwartete ich mir in meinem Alter noch? Naja gut 41 war jetzt nicht steinalt, aber auch nicht mehr jung. Wollte ich wilden Sex? Nee, nicht wirklich. Eher so Romantik, ein bisschen kuscheln. Ja, das war es was mir fehlte. Das was mir eigentlich schon seit Jahren fehlte. Zum Beispiel einfach zusammen am Eiffelturm sitzen, aneinander gekuschelt und die romantische Stimmung genießen. Alleine bei dem Gedanken schon erhöhte sich mein Pulsschlag. Ja, genau nach so etwas würde ich suchen. Ich kuschelte mich noch dichter an Marvin. So musste Leben sein.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt