Ich drückte auf den messingfarbenen Klingelknopf neben dem Namensschild Göbel. Mein Finger zitterte leicht und mein Herz war auch etwas aktiver als normal. Ich schaute zu Dani, der sich schon gegen die Tür stemmte, die mit einem leisen Surren plötzlich aufsprang. "Na los, Mama.", forderte er mich auf und hüpfte schon die ersten Treppen hinauf. Ich schaute auf die Flasche in meiner Hand. Gestern hatte ich nach dem Arzt noch schnell eine Flasche spanischen Wein besorgt, weil wenn schon Paella, dann auch wenigstens mit passendem Wein. Zufrieden schaute ich auch noch einmal auf meine Hand. Ja, endlich wieder gipsfrei und gut verheilt. Ich schnüffelte einmal kurz. Nee, alles gut. Das war mir gestern echt peinlich vor der Arzthelferin gewesen, die den Gips aufgesägt hatte. Man, war das ein Dufterlebnis als sie das Ding abgenommen hatte. Danach hatte ich den halben Nachmittag meinen Arm geschrubbt. Aber jetzt war alles im grünen Bereich. Ich wollte mich doch nicht blamieren. "Hallihallo! Schön, dass ihr so pünktlich seid.", begrüßte mich Andi an der Tür. "Ich hatte schon Angst, du kommst nicht pünktlich los aus dem Büro." Mit seinen Befürchtungen lag er gar nicht so falsch, denn wenn ich nicht so konsequent gewesen wäre, hätte das auch nicht funktioniert. Marvin war nämlich gerade als ich los wollte mit einem neuen Konzept anmarschiert gekommen und wollte es unbedingt mit mir besprechen, weil er es morgen vorstellen musste. Das hätte ihm ja auch keine Minute früher einfallen können. Ganz zu schweigen davon, dass Lisa da mit Sicherheit die bessere Ansprechpartnerin war. Trotzdem musste ich an sein enttäuschtes Gesicht denken als ich ihn hatte abtropfen lassen. Sofort setzte mein schlechtes Gewissen wieder ein. Es war jetzt 16 Uhr. Wie lange sollte das Kochen und alles hier dauern? Also so wie Andi mich gerade anlächelte, am liebsten ewig. Mein Blick viel zu Dani und Carmen, die gerade in die Küche hüpften. Aber die Kinder mussten ja auch pünktlich ins Bett. Also war ich spätestens um 20 Uhr zu Hause. Da konnte ich mir dann ja das Konzept noch anschauen. Ich griff nach meinem Handy in der Tasche und wollte Marvin gerade eine Nachricht schreiben, als es mir aus der Hand gefischt wurde und wieder in der Tasche landete. "Jetzt wird nicht gearbeitet, jetzt wird gekocht. Ich brauche schon deine ganze Aufmerksamkeit.", zwinkerte Andi mir zu. Ach, wie ich dieses Zwinkern liebte und diese blauen Augen. Ja, die verdienten definitiv meine komplette Aufmerksamkeit. Das schien mein Puls wohl auch so zu sehen, denn er legte mal wieder an Tempo zu. "Komm mal mit. Ich zeige dir erst einmal unser Home-Sweet-Home und dann legen wir los. Ich hoffe, du magst Muscheln und Gambas." Nein, die mochte ich überhaupt nicht. Als ich aber wieder in diese leuchtend blauen Augen schaute, die mich so hoffnungsvoll anstrahlten, nickte ich nur und schluckte meine Antwort herunter. Bestimmt schmeckten die total lecker, wenn er sie zubereitete und außerdem hatte er sich als Student in solche Unkosten gestürzt und sie extra besorgt, da konnte ich ja wohl schlecht ablehnen, nur weil das Zeug für mich gleich hinter gegrillten Spinnenbeinen, Mehlwürmern und Kakalaken in meiner Gruselliste kam. "Hier, das ist unser Wohnzimmer." Ich folgte ihm in den gemütlich eingerichteten Raum. Auf einer Kommode standen mehrere Bilderrahmen. Ich lief hin und schaute sie mir an "Sind das..." Andi griff sich einen Bilderrahmen und strich sanft mit seinem Finger darüber "Ja, das sind meine Schwester und mein Schwager mit Carmen kurz vor dem Unfall." Ich konnte spüren, wie ihn wieder die Erinnerung packte. Sanft strich ich ihm über den Arm als er auch schon den nächsten Bilderrahmen griff "Und das war Carmens und mein erster und bis jetzt auch leider letzter Urlaub an der Nordsee." Ich sah ihn zusammen mit der Kleinen vor einer Sandburg "Das war letzten Sommer in Duhnen.", erklärte er weiter. Seine Stimme klang sofort wieder fröhlicher. Scheinbar hatte er sich wieder gefangen. Wir liefen weiter in Carmens Zimmer, dass im Vergleich zu Danis immer penibel aufgeräumten Zimmer eher chaotisch aussah. Ja, so sah mein Kinderzimmer früher auch aus. Wahrscheinlich war das bei meinen Kindern nur nie ein Thema, weil Roman sie schon von kleinauf zur Ordnung getrietzt hatte. "So, da ist dann mein Schlafzimmer...." "Papa, kommt ihr endlich. Wir haben Hunger.", unterbrach ihn Carmens Stimme, die scheinbar schon zusammen mit Dani in der Küche wartete. Er zuckte mit den Schultern "Das Schlafzimmer muss ich dir dann wohl später ganz in Ruhe zeigen." Und dann war es wieder da, dieses Zwinkern. Mein Puls sprintete los. Ja, das Schlafzimmer interessierte mich ungemein und ganz in Ruhe bedeutete mit sehr viel Zeit. Auch dem wäre ich nicht abgeneigt, genausowenig wie einem ausführlichen Matratzentest. Manno, was dachte ich denn schon wieder? Ich war hier zum Kochen, zusammen mit meinem Sohn. Solche Gedanken hatten da überhaupt nichts zu suchen. Ich folgte Andi, ließ aber meinen Blick noch einmal durch den Flur gleiten. Alles war hier irgendwie gemütlich eingerichtet. Ich griff nach einer kleinen Figur, die auf der Kommode unter dem Spiegel stand "Das ganze unnütze Steh-rum-Zeug, ihr nennt es glaube ich Deko, hat noch Paula hier angeschleppt." Ich musste lachen. Ja, so sahen es normale Männer, nicht so wie Roman, der jede Wohnambiente-Zeitschrift nach den neuesten Trends durchforstet hatte. Mir wurde immer noch schlecht, wenn ich bedachte wieviel Geld er dafür rausgeschmissen hatte. Ich stellte die Figur wieder zurück als sich ein Arm um meine Schulter legte. Sofort spürte ich eine unglaubliche Wärme, die sich ausbreitete "So, und jetzt komm, sonst verhungern uns die beiden Zwerge noch." Ja, und dann stand ich in der Küche, die einige Nummern kleiner war als unsere. Aber auch diese strahlte einen gemütlichen Charme aus, besonders mit der kleinen gemütlichen Sitzecke. "So dann schnibbelt ihr beiden erst einmal die Paprika." Andi drückte Carmen und Dani jeweils zwei Paprika, ein Brettchen und ein Messer in die Hand und scheuchte sie an den Tisch, ehe er sich mir zuwandte "Und wir kümmern uns um die Gambas. Da müssen erst einmal die Därme entfernt werden." Ein leichtes Schütteln ging durch meinen Körper. Schnell versuchte ich es zu unterdrücken. Wieso musste ich mich auch noch mit den Verdauungs- beziehungsweise Ausscheidungsorganen von den Viehchern beschäftigen? Also wenn ich die Muscheln auch noch beatmen sollte, dann streikte ich aber wirklich. Egal, ob die Augen azurblau waren.....
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
Storie d'amoreJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...