Kapitel 56

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Ich schaute zu Marvin, der mit seinen Fingern auf dem Lenkrad trommelte. "Man, nun fahr' doch mal. Wir wollen alle noch bei grün rüber." Da war aber jemand leicht genervt. Naja gut, ich konnte das gut nachvollziehen. Mich nervte es auch, wenn ich so einen Trödelkopf vor mir hatte. "Das Shooting mit Lisa ist klasse gelaufen. Sie hatte Luis super im Griff." Marvin nickte nur "Der ist echt zusammengebrochen als er Leon und Marco gesehen hat. So viel Respekt und Ehrfurcht hätte ich ihm gar nicht zugetraut." "Mmm." Wieso bekam ich denn so eine einsilbige Antwort. "Weltmeister muss man halt sein.", anders konnte ich mir das Verhalten von Luis nicht erklären. "Bin ich auch und das interessiert ihn trotzdem nicht.", brummte er sich in seinen Bart. Da lag also der Hase im Pfeffer. "Ach Mensch Tiger, das ist doch Quatsch..." "Nix, da von wegen Quatsch. Mich nimmt er nicht für voll, aber die beiden himmelt er an. Dabei sind wir zusammen Weltmeister geworden. Mich kennt er wahrscheinlich nicht einmal als Fussballer. Nur weil ich nicht bei den beiden großen Vereinen oder im Ausland gespielt habe. Ich war halt immer nur bei Hertha." Er schlug mit seiner flachen Hand auf das Lenkrad. "Ist ja nicht so als hätte ich keine Angebote bekommen. Aber..." Den Rest des Satzes verschluckte er einfach. Ich hatte nicht geahnt, dass ihn das so anfraß. Klar, Leon war natürlich ein Star bei den Bayern gewesen und Marco.....ja, Marco hatte es sogar auf das Fifa Spiel gebracht. Klar waren beide extreme Werbeträger gewesen. Und natürlich waren sie damit auch die absoluten Vorbilder der nächste beziehungdweise übernächsten Generation. Ich legte meine Hand auf seinen Arm und strich sanft darüber. "Aber Tiger, das ist doch..." ich unterbrach mich selbst. Auf keinen Fall konnte ich Quatsch sagen. "Ich dachte du warst immer gerne bei Hertha? Du hast doch immer alle Angebote abgelehnt, die ich dir unterbreitet habe. Keiner weiß besser, welche Angebote es alle für dich gab. Du hättest in England, Spanien und Italien spielen können. Und auch in der Bundesliga hätten wir dich hier in Dortmund unter Vertrag bekommen, wenn du das gewollt hättest." "Klar, war ich gerne bei Hertha. Aber natürlich hätte ich auch gerne mehr daraus gemacht." Das verstand ich nicht wirklich. "Aber..." "Man, Ina wollte auf keinen Fall von Berlin weg.", unterbrach er mich. "Niemals gehe ich aus meiner Heimat weg, höre ich sie noch sagen. Und ich Depp habe darauf Rücksicht genommen. Und jetzt..." Er schnaubte sauer. Ja, jetzt war sie in Indien, was nicht gerade in nächster Nachbarschaft zu Berlin lag. "Ach Tiger." Am liebsten hätte ich ihn einfach umarmt, so niedergeschlagen wie er aussah. "Wir haben schon zwei echte Glücksgriffe mit unseren Partnern gemacht. Hast du denn mal wieder etwas von ihr gehört?" "Mmm." Wieder so eine ausführliche Antwort. "Soll ich dir heute alles wie Würmer aus der Nase ziehen? Also mmm-ja oder mmm-nein?" Marvin verzog sein Gesicht "Mmmm-ja. Also genauer gesagt, habe ich von ihrem Anwalt gehört. Sie hätte gerne mehr Unterhalt." "Wie bitte? Wofür?" Das konnte doch nicht wahr sein. Die Frau war abgehauen und kümmerte sich nicht einmal um die Kinder. Wie dreist konnte man bitte sein? "Ja, läuft wohl nicht so mit Yoga und Ayurveda. Aber bald ist ja der Gerichtstermin und dann ist das hoffentlich durch." Das hatte ich auch noch alles vor mir. Hoffentlich würden wir mit Roman einen einfacheren Weg finden. Wenn ich ehrlich war, bezweifelte ich das aber. "Das tut mir echt leid, Tiger." "Du kannst ja nichts dafür." Er zuckte mit seinen Schultern. "Ich hätte dich damals lieber heiraten sollen." Ich fing an zu lachen "Genau." Ja, wir beide standen zwar jetzt vor den Scherben unserer Ehen, aber für mich wäre das nie eine Option gewesen. Wir waren beste Freunde und das war auch gut so. Mehr war da nie gewesen und mehr würde da auch nie sein. Mir fiel wieder der Beginn unseres Gesprächs ein "Aber siehe es doch mal so, du bist Weltmeister und musst nicht ständig vor Autogrammjägern flüchten. Das hat doch auch so seine Vorteile." Marvin schüttelte grinsend seinen Kopf. "Mausi, das war ein ziemlicher Gedankensprung. Aber eigentlich hast du recht. Wer braucht schon den Ruhm. Und noch viel mehr, wer braucht schon so einen Deppen wie Luis als ehrfürchtigen Fan." "Siehste, sag ich doch. Fährst du nachher mit mir Achterbahn?" Ein kurzes tiefes Auflachen erfüllte den Raum im Auto. Ach, wie ich diesen Klang liebte. Es bedeutete, dass ich meinen besten Freund aus seinem Stimmungstief herausgeholt hatte. "Mausi, deine Themensprünge werden langsam anstrengend. Aber natürlich fahre ich mit dir Achterbahn. Du weißt doch wie ich diese Kotzschleudern liebe. Und ich lasse mir auf keinen Fall entgehen wie du dich schmerzhaft in meinen Arm krallst und nach Mama und Papa schreist. Oder bist du mittlerweile darüber hinausgewachsen?" Ich fürchtete mal nicht, denn das letzte Mal, dass ich Achterbahn gefahren war, war mit Marvin vor fast zwei Jahrzehnten. Also was sollte sich geändert haben? Mein Handy begann zu klingeln. "Ups, unser Sponsor. Ich mache mal auf Lautsprecher." Der wollte sich doch hoffentlich nicht beschweren. "Hallo, Frau Bürki. Ich habe mir gerade die Kampagne angeschaut. Das ist ja wirklich hervorragend geworden." Erleichtert atmete ich auf und Marvin zwinkerte mir zu. "Ich habe das ganze gerade zusammen mit unserem Marketingabteilungsleiter besprochen. Wir würden Ihre Agentur gerne mit der Durchführung weiterer Kampagnen für uns beauftragen. Wir hätten da..." Hatte er gerade von Folgeaufträgen gesprochen. Ich hörte gebannt zu, was er für Vorstellungen hatte. "Na, was sagen Sie dazu?" Was ich dazu sagte? Erst einmal nichts, denn in meinem Hirn drehten sich gerade ziemlich viele Gedanken wie die Debütanten beim Wiener Opernball. Das was er uns anbot, war eine riesige Chance. Aber es hatte eigentlich nichts mehr mit meiner Agentur für Sportler zu tun. Auch wenn alle Kampagnen aus dem Sportbereich waren. Das war nichts für uns. Aber wie sollte ich die Absage am besten verpacken? "Ähm ja, also." Ich schaute zu Marvin, der mir unverständliche Zeichen machte. "Ähm ja, also..." "Mitarbeitern besprechen.", zischelte er mir leise zu. Na da konnte ich doch etwas mit anfangen. "... ich müsste das ganze erst einmal mit meinen Partnern besprechen." "Na, das ist doch klar, Frau Bürki. Sie melden sich einfach wieder bei mir und dann besprechen wir alles ausführlich und fixieren die Verträge. Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstfest. Sie haben ja meine Nummer." Und weg war er. Ich schaute auf mein Handy und schüttelte den Kopf. "Der geht davon aus, dass wir das machen. Ich hätte ihm gleich absagen sollen." "Das wäre aber dumm gewesen. Überlege dir doch einmal, was das für Kohle einbringt." Seit wann interessierte Marvin das liebe Geld? "Du weißt genau, dass Kohle nicht alles ist." Mein Ton war vielleicht etwas zickig, aber ich hatte viel zu lange immer nur darauf geguckt, dass genug Geld auf das Konto kam, damit Roman es verpulvern konnte. Und wohin hatte mich das gebracht? Ich hatte meine Kinder vernachlässigt und eins sogar verloren. Nee, ich brauchte nicht mehr Kohle auf dem Konto, ich brauchte mehr Zeit für meine Familie. "Stimmt, aber mit ist vieles leichter. Mensch Mausi, überlege doch mal." Da gab es nichts zu überlegen. Ich hatte einmal den Fehler gemacht meine Familie hinten anzustellen. Das würde ich nicht noch einmal machen. Lieber würde ich unseren Lebensstandard herunterschrauben. "Da brauche ich nichts zu überlegen. Meine Kinder sind mir wichtiger und dass ich genug Zeit für sie habe." Marvin schüttelte verständnislos seinen Kopf "Das eine schließt doch das andere nicht aus, sondern eher umgekehrt." Das verstand ich nicht  "Wie meinst du das?" "Na, wenn du mehr Einnahmen hast, musst du selbst weniger tun." Das war doch eine Milchmädchenrechnung. "Falsch, für die Einnahmen muss ich erst einmal etwas tun. Das Geld fließt doch nicht von alleine. Und du weißt genau, dass ich kürzer treten wollte und jetzt soll ich mir noch mehr auf den Hals laden?" Langsam aber sicher wurde ich sauer auf meinen besten Fraund. "Nee, eben nicht. Du erweiterst nur deinen Geschäftsbereich. Und bei den Summen, die im Marketing drin sind- glaube mir, ich weiß, wovon ich spreche- kannst du dir ein paar Angestellte leisten und hast trotzdem noch mehr Kohle auf deinem Konto. Mehr Angestellte bedeuten außerdem auch mehr Freizeit." Ja, gut, von dem ganzen Marketingbusiness hatte er mehr Ahnung. Und grundsätzlich hatte ich wirklich vor noch jemand für die Agentur anzustellen. Das würde aber natürlich von meinen Einnahmen abgehen. "Und du meinst, da hängt so viel mit dran, dass ich mir Angestellte leisten kann und trotzdem noch etwas übrig bleibt?" Marvin nickte "Mit Sicherheit. Ich könnte mich ja um den Marketingkram kümmern. Wenn wir dann noch Lisa Goretzka mit ins Boot holen würden." Der Gedanke gefiel mir richtig gut. Sie würde super in unser Team passen und sie hatte so etwas ja lange genug gemacht. Außerdem bräuchten wir dann nicht jedes Mal uns von so einem blöden Fotografen abhängig machen. Ganz abgesehen davon, dass die Arbeit mit ihr garantiert Spaß machen würde. "Mhm, und für den anderen Teil der Agentur stelle ich auch noch jemand ein. Das hatte ich sowieso vor." Ich hatte mir schon überlegt jemand für das Telefon und die einfachen Bürotätigkeiten einzustellen, der uns entlastete. "Versuche es doch einmal mit einem Werksstudenten. Das spart dir eine Menge Sozialabgaben und wenn er aus dem Bereich Sportmanagement ist, ist das doch eine Win-Win-Situation." Das war überhaupt die Idee. "Tiger, du bist der hellste Kopf unter der Sonne." Ich beugte mich zu ihm rüber und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt