Kapitel 13

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Das Klingeln meines Smartphones riss mich aus dem Tiefschlaf. Wer rief denn um diese nachtschlafende Zeit an? Vielleicht war etwas mit den Kindern. Meine Augen waren in sekundenschnelle offen und ich griff nach dem Teil. "Hallo", meldete ich mich panisch. "Was ist denn mit dir los Mausi.", scholl mir Marvins Stimme entgegen. Erleichtert atmete ich auf und ein angenehmes Gefühl durchströmte mich. "Wie war denn gestern eure Geburtstagsparty?" Stimmt, er wusste ja noch gar nichts von dem ganzen Drama. "Sie war der Horror.", stöhnte ich und begann zu erzählen. "Warum hast du mich nicht gleich angerufen?", fragte Marvin mich vorwurfsvoll. Ja, warum? Ich merkte erst jetzt wie gut es mir getan hätte ihm alles zu erzählen. "Und was hast du jetzt vor? Du hast doch bestimmt die halbe Nacht an irgendwelchen Pro- und Contralisten gesessen." Er kannte mich einfach zu gut, denn ich hatte wirklich bis in die frühen Morgenstunden daran gesessen, alle möglichen Argumente zusammenzutragen. Roman hatte definitiv mit seinem Alleingang für das Schweizer Internat den Bogen überspannt, noch dazu ohne Leos Einverständnis. Sein Verhalten Max gegenüber war untragbar. Anderseits wollte er Leo wahrscheinlich wirklich nur eine große Chance bieten. Und ich hatte einfach viel zu wenig Zeit für die Kinder gehabt. Meine Liste war ellenlang, aber zu einem wiklich tragbaren Ergebnis hatte sie mich nicht gebracht. "Ich weiß es nicht.", antwortete ich also nur. "Wir sind fünfzehn Jahre verheiratet und haben drei Kinder. Aber ist das nicht ein bisschen wenig als Argument für eine Ehe?" Am Telefon entstand eine kurze Pause, ehe Marvins Stimme wieder erklang. "Wenn es das einzige Argument ist, dann schon. Aber mal ganz ehrlich Mausi, liebst du Roman noch? Wenn ja, ist es das Argument überhaupt. Dann bekommt ihr auch alles geklärt. Und wenn nicht, ist es egal wie lange ihr verheiratet seid und wie viele Kinder ihr habt. Liebe und Vertrauen ist die Basis. Ohne funktioniert es nicht, da kannst du so viele Gespräche führen wie du willst." Da hatte er definitiv recht. Diese beiden Punkte hatte ich auf meinen Listen völlig unberücksichtigt gelassen. Stattdessen fanden sich dort Sachen wie führt gut den Haushalt und versorgt die Kinder oder meine Agentur sorgt für den monatlichen Lebensunterhalt. Aber liebte ich Roman noch? Vertraute ich ihm noch? Naja, das Herzklopfen wie am Anfang unserer Beziehung war nicht mehr da. Aber das war doch normal mit der Zeit. Trotzdem fühlte ich mich wohl in seiner Nähe. Ja gut, das tat ich in Franzi's und  Marcos Nähe auch oder in der Nähe  meiner Eltern und Schwiegereltern. War das nicht ein bisschen wenig? Ich musste an unseren Weihnachtsurlaub in der Schweiz denken. An Silvester hatte ich mich extra hübsch gemacht und gehofft, Roman fiele es auf. Ich hatte ihn gebeten mit mir zu tanzen, aber er hatte mich nur ignoriert. Das hatte mich ganz schön gewurmt, aber Marvin hatte ja erfolgreich von meinem Frust abgelenkt. Das mit dem Vertrauen hätte ich bis gestern sofort immer mit ja beantwortet. Heute aber fiel mir die Antwort nicht mehr so leicht. Konnte ich meinem Mann noch vertrauen, der einfach hinter meinem Rücken meine Tochter in ein Schweizer Internat sperren wollte und dann auch noch handgreiflich wurde gegen einen Teenager? Naja, mein Steißbein tat auch noch ganz gut weh von seinem Schubser. Okay, war ja meine Schuld, wenn ich nicht standhafter war. Halt, stop. War das nicht das, was immer alle Opfer häuslicher Gewalt taten? Die Schuld bei sich zu suchen. Klar, war das übertrieben. Aber das war Romans Verhalten auch. Marvin räusperte sich am anderen Ende und wartete immer noch geduldig auf meine Antwort. "Ich weiß es nicht.", kam es endlich kleinlaut von mir. Ich merkte wie sich mein Magen zusammenkrampfte. "Dann finde es heraus, Mausi. Setzt euch zusammen und redet. Aber mache nichts nur wegen der Kinder. Die sind nämlich nur glücklich, wenn es ihrer Mutter gut geht und sie glücklich ist. Denke in erster Linie an dich, okay. Und du weißt,dass du mich jeder Zeit anrufen kannst. Auch nachts." "Ich weiß.", antwortete ich schnell und fragte mich, warum ich das nicht einfach gestern Abend getan hatte. "Soll ich zu dir kommen, brauchst du mich?" Das war typisch für Marvin. Er war immer für mich da. Das vermittelte mir gerade ein unglaublich gutes Gefühl. "Nein, ich komme schon klar. Du hast deine beiden Kinder, um die du dich kümmern musst. Berlin liegt ja nicht gleich um die Ecke. Außerdem sind meine und Romans Eltern ja auch da", lehnte ich sein Angebot ab. "Okay, du hältst mich aber auf dem Laufenden." "Klar", versprach ich ihm, ehe ich mich verabschiedete. "Hab dich lieb, Tiger." "Ich dich auch, Mausi.", kam die Antwort und dann war das Gespräch beendet. Ich legte mein Handy wieder auf den Nachttisch. Es war jetzt 10.30 Uhr. Das hieß Roman müsste seinen Rausch auch langsam ausgeschlafen haben. Schnell lief ich ins Bad und machte mich fertig. Als ich nach dem Duschen in den Spiegel schaute, sah mich eine Frau im vielbesagten besten Alter mit tiefen Augenringen an. Wieder und wieder schoss eine Frage durch meinen Kopf. Wie konnte es nur so weit kommen? Wieso hatte ich diese ganze Schieflage in unserem Familienleben nicht früher bemerkt? Oder hatte ich sie bemerkt und nur verdrängt? Egal, was war. Ich musste meine Konsequenzen daraus ziehen. "ich lasse mir meine Familie von nichts und niemandem zerstören.", sagte ich kampflustig zu meinem Spiegelbild, ehe ich mir meine Haare bürstete und wieder ins Schlafzimmer lief. Ich würde ein  vernünftiges Gespräch mit Roman führen und dann würden wir schon wieder alles ins Lot bekommen. Ich griff mir mein Handy und machte mich auf den Weg nach unten. Mist, ich hatte gestern gar nicht unsere privaten Mails gecheckt. Schnell rief ich sie ab und überflog sie, da war bestimmt nichts wichtiges dabei. Plötzlich blieben meine Augen an einer Mitteilung unseres Finanzberaters hängen, der dringend um einen Rückruf bat. Ich öffnete den Anhang und traute meinen Augen nicht. Das konnte doch nicht wahr sein. Nein, das musste ein Irrtum sein. Sauer stürtzte ich die Treppe herunter und sah Roman wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa sitzen. Er hielt sich seinen Kopf als Martin ihm ein Glas Wasser und eine Tablette reichte. "Und wie groß ist der Stubentiger?", grinste er seinen Sohn an. Der stöhnte nur auf. "Frag nicht." Vorsichtig betastete er sein Auge und seine Nase. "Sehe ich schlimm aus?" "Na für de Jeisterbahn reicht et." Mein Vater kam mit zwei dampfenden Tassen Kaffee aus der Küche und reichte Roman eine. "Du hast jestern janz schön in de Kacke jegriffen." Ja, so konnte man das auch ausdrücken. Mein Mann sagte gar nichts und starrte ihn an. Ich räusperte mich laut und lief die Treppe hinunter. "Juten Morjen, meene Schnute." Mein Papa kam auf mich zugelaufen und reichte mir die andere Tasse . "Komm Martin, wir lassen die beeden mal alleene. Die müssen reden. Wenn wat is, wir sind nebenan. Is dit klar." Er schaute Roman scharf an und strich mir noch einmal sanft über den Rücken. Martin folgte seinem Beispiel und zwinkerte mir ermutigend zu, ehe sie zusammen in der Küche verschwanden. So, dann war jetzt der Zeitpunkt gekommen, vor dem ich mich die ganze Nacht gegruselt hatte.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt