Ich saß auf dem Küchenstuhl und beobachtete wie Andi mit geschickten Fingern den Pizzateig ausrollte. Bewundernswert, bei mir klebte das Zeug immer irgendwo fest und machte nicht das, was ich wollte. Ich dachte an letzten Freitag Nacht zurück und sofort überzog eine wohlige Gänsehaut mich und alle meine Synapsen waren in Habachtstellung. Diese Nacht mit Marvin ließ sich einfach nicht aus meinem Kopf vertreiben. Wenigstens war es mir bis heute wirklich geglückt ihm weitestgehend aus dem Weg zu gehen. Das war gar nicht so einfach, wenn man unter einem Dach wohnte. Trotzdem hatte ich es immer geschafft, dass mindestens eins der Kinder anwesend war, wenn ich zu Hause war. Und im Büro war mir klar, dass er dort nicht so ein unangenhmes Gespräch führte. Ja, das Gespräch wurde garantiert unangenehm und ich wollte es einfach nicht führen. Er musste mir nicht noch expliziter klar machen, dass ich eine naive Kuh war und er nur eine einmalige Sache wollte, obwohl das sicher vernünftig war wegen der Kinder. Nee, das war absolut nicht vernünftig. Vernünftig wäre es gewesen, wenn es gar nicht dazu gekommen wäre. Aber scheinbar steckte in jedem Kerl so ein Entdecker, der alles mal abgescheckt haben musste, um einen Haken machen zu können. Selbst in dem nettesten und ruhigsten besten Freund. "Was guckst du denn schon wieder so griesgrämig?" Andis Blick ruhte auf mir. Was war ich erleichtert gewesen, als er mich heute gefragt hatte, ob wir mit den beiden Stöpseln nicht ins Kino gehen wollten. Die anderen Tage war ich ja ausgebucht gewesen, nur für heute hatte ich keinen Plan. Er hatte einfach vor mir gestanden und gesagt "Freitag ab eins, macht jeder seins. Und was hälst du davon, wenn wir was zusammen mit den Kids machen." Da war ich doch sofort dabei gewesen, auch wenn ich eigentlich ein schlechtes Gewissen hatte, dass ich so früh aus der Agentur abgehauen war. Wie fast jeden Tag diese Woche. So konnte das nicht weitergehen. Ich musste mich wieder mehr auf meinen Job konzentrieren und mich nicht nur verstecken. "Hallo, du guckst nicht nur griesgrämig, sondern bist auch noch abwesend.", holte mich Andi in die Gegenwart zurück. "Die ganze Woche bist du schon irgendwie komisch. Was ist den los?" Wollte ich mit ihm darüber reden? Er war mein Werkstudent. Man redete mit seinen Angestellten doch nicht über sein verkorkstes Liebesleben. Obwohl, mit Lisa und Kathie würde ich es tun. Und früher auch mit Marvin. Der fiel ja als Hauptproblem dieses Mal aus. Außerdem war Andi ja auch mein bester Freund, also......irgendwie schämte ich mich aber auch. Er war ein Mann und verstand das sowieso nicht, dass ich als Frau mit so einmaligen Sachen ein riesiges Problem hatte, besonders weil ich Marvin liebte. Man, ich drehte mich doch schon wieder im Kreis und meine Gedanken nahmen schon wieder Fahrt auf. Das wollte ich doch gar nicht. Vielleicht sollte ich am Wochenende einmal mit Franzi sprechen. Die verstand mich garantiert und konnte mir einen Ratschlag geben. Außerdem war dann ein weiterer Tag gerettet, an dem ich mich nicht diesem unangenehmen Gespräch mit Marvin stellen musste. Ja, ein Mädelsabend morgen wäre perfekt. "Gar nichts ist los", beantwortete ich aber endlich Andis Frage und zuckte mit den Schulter, um meine Antwort noch zu unterstreichen. "Das kannst du jemand anderem erzählen." Man, warum lachte er denn jetzt? Ich verzog mein Gesicht und schaute sauer. "Nee, wirklich", versuchte ich ihn zur Ruhe zu bringen. "Mensch Jasi, hältst du mich für blind? Die ganze Woche läufst du mit einem Gesicht herum als hätte jemand auf deine Kätzchen getreten." "Die sind schon ganz schön gewachsen, ne", unterbrach ich ihn stolz. Die kleinen Tiger hatten sich wirklich gut rausgemacht und das Fläschchen geben vom Anfang fehlte mir ganz schön. Aber glücklicherweise waren sie trotzdem ziemlich schmusig und tauschten ihr Katzenkörbchen nachts gerne auch einmal gegen mein Bett ein. Gerade in den letzten Nächten hatte ich oft wach gelegen, wenn dieser endlos Film in meinem Kopf ablief, und ihr Schnurren hatte mich dann doch irgendwann in einen tiefen Schlaf begleitet. Es war wirklich saudämlich so eine One-Night-Sache im eigenen Bett abzuziehen, noch dazu wenn man das one gar nicht will. Schlaflose Nächte mit viel Emotionen und Erinnerungen waren da vorprogrammiert. Da half es auch nichts das Bett neu zu beziehen. Jeden Abend hatte ich sofort Marvins Geruch wieder in der Nase, wenn ich mich ins Kopfkissen kuschelte oder das Deckbett über mich zog. "Ja, sind sie. Aber du brauchst gar nicht ablenken. Also, was ist am letzten Wochenende passiert? Du gehst Marv ja regelrecht aus dem Weg." War das so auffällig? Ich hatte gedacht mit meinen ganzen Aktivitäten würde das niemand merken. Und dann schoss mir das Marv wieder durch den Kopf "Dann frage doch deinen neuen besten Freund, was passiert ist", antwortete ich also trotzig. Andi nahm das belegte Pizzablech und schob es in den Ofen, der schon vorgewärmt war. Dann drehte er sich zu mir um und setzte sich gegenüber von mir auf den Stuhl. "So, jetzt haben wir zwanzig Minuten ungestört Zeit uns zu unterhalten. Und ich frage nicht meinen besten Freund, sondern meine beste Freundin, was da bei euch los ist." Zwanzig Minuten. Das waren ja 1200 Sekunden. Oder anders gesagt verdammt lange, wenn man keine Lust auf die Unterhaltung hatte und um den heißen Brei herumschleichen musste. "Es ist nichts. Du musst aber wirklich aufpassen, dass die Kätzchen nicht nach draußen entwischen, wenn du zu Weihnachten auf sie aufpasst.", versuchte ich es also erneut. "Jasi" Andis Blick durchdrang mich warnend "Ich passe garantiert gut auf deine Miezen auf. Also was ist passiert?" "Man, Marvin und ich sind nach meiner Scheidung zusammen im Bett gelandet", platzte es dann doch aus mir heraus und ehe ich mich versah schüttete ich auch gleich noch meine ganzen Probleme damit heraus. "Und woher willst du wissen, dass es für ihn nur eine einmalige Sache war?" Wieso sah Andi so nachdenklich aus? "Weil er von einmal gesprochen hat." Ich war doch nicht blöd. Den Zahlenraum beherrschte ich ganz gut. "Das ist doch aber nur so eine Redensart. Wir Männer sind nicht immer so exakt in unseren Aussagen wie ihr Frauen. Denke doch mal an die berühmten 20 Zentimeter, die sich dann doch höchstens als 15 entpuppen", zwinkerte er mir grinsend zu. "Papa, wann ist die Pizza fertig?" Carmen kam in die Küche gestürzt und hatte Dani im Schlepptau. "Jetzt, Schneckchen." Ich war vor einem weiteren Gespräch gerettet. Aber vielleicht hatte Andi ja auch recht und Marvin hatte das gar nicht soooo explizit gemeint. Möglich wäre es ja. Obwohl, nee. Dann hätte er ja weiter Annäherungsversuche gemacht. Und das hat er tunlichst unterlassen. Er hatte einfach weitergemacht wie bisher. Jedenfalls glaubte ich das. Allzuoft hatte ich ihn ja nicht gesehen, dank meiner Taktik. "Der Film war echt cool", schmatzte Carmen. "Ja, können wir nicht auch mal solche Höhlen bauen? So mit Decken im ganzen Zimmer?" Danis Augen glitzerten begeistert, als er mich anschaute und den letzten Happen Pizza verschlang. "Au ja, Papa", stieg Carmen sofort mit ein. "Na klar, Dani schläft einfach heute bei uns und dann bauen wir jetzt gleich, wenn Jasi weg ist, die Höhlen. Decken und Laken haben wir genug." Die Kinder jubelten. In meinem Kopf tauchten die Erinnerungen auf, wie mein Papa früher für Franzi und mich diese Dinger gebaut hatte. Wie viele Nächte hatte wir darin geschlafen und uns bis spätabends Gruselgeschichten erzählt. Ja, so Höhlen gehörten zu einer vollkommenen Kindheit dazu. "Aber Dani hat doch gar nichts zum Schlafen mit.", gab ich zu bedenken "Wir müssen erst noch alles holen." Andi schüttelte seinen Kopf "Quatsch, er bekommt einen Schlafanzug von Carmen und eine Zahnbürste für ihn haben wir auch da. Dann können wir gleich loslegen, wenn du weg bist." Wieso fragte mich eigentlich niemand, ob ich mitbauen wollte? Leicht schmollig schob ich mir mein letzten Bissen Pizza in den Mund. "Mama, du hast aufgegessen. Du kannst dann jetzt gehen." Dani sprang von seinem Stuhl auf, während ich noch nicht einmal runtergeschluckt hatte und zog ungeduldig an meiner Hand. Ehe ich mich versah zog ich den Reißverschluss meiner Jacke zu und stand im Treppenhaus. Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass es gerade einmal 18 Uhr war. Toll, was machte ich denn jetzt noch mit dem Rest des Abends? Am besten schlich ich mich einfach ganz klammheimlich in mein Schlafzimmer und kroch in mein Bett, um mich wieder die halbe Nacht von blöden Gedanken und heißen Erinnerungen verfolgen zu lassen. Na, toll, selbst mein kleiner Sohn hatte mich so schnell wie möglich loswerden wollen. Meine Anziehungskraft bei Männern glich ja einem Magneten, den man verkehrt herum hielt. Kein Wunder, dass Marvin kein wirklich weitergehendes Interesse an mir hatte.
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...