Kapitel 60

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Das Pfingstfest war noch ziemlich entspannt geworden. Ich hatte mit meinen Schwiegereltern, Marvin und den Kindern zwei Ausflüge gemacht.  Am Pfingstsonntag hatten wir erst eine Halde bestiegen, also sozusagen die Ruhrpottalpen erklommen und dann gegrillt und am Pfingstmontag waren wir im  Sauerland wandern. Heute war aber der Dienstag nach Pfingsten und das bedeutete, dass Dani heute seinen ersten Eingewöhnungstag im Kindergarten hatte. Man, war ich nervös. Hoffentlich gefiel es ihm dort. "Na, machst du gerade die Vesper für Dani fertig?" Marvin kam in die Küche gelaufen und schnappte sich erst einmal meine Tasse Kaffee, die neben mir auf der Arbeitsplatte stand. "Meinst du ich soll ihm auch eine Kleinigkeit zu naschen einpacken?" Ich hatte ja null Ahnung, was im Kindergarten erwartet wurde. Auf dem Zettel stand nur kleine Frühstücksvesper. Dani sollte ja heute auch erst einmal nur drei Stunden dort bleiben. "Also, bei Mika und Ella war das erlaubt. Ich habe aber keine Ahnung wie das hier ist." Marvin zuckte mit den Schultern und schaute in die Dose vor mir. "Soll Dani da für ein paar Tage bleiben? Mausi, du hast ihm drei Brote gemacht und eine Banane, einen Apfel und Paprika. Meinst du nicht, dass das ein bisschen viel ist? Das würde ja für einen Schwerarbeiter reichen." Naja, wenig war es nicht, aber ich wusste ja nicht, worauf er Appetit hatte. Also hatte ich ein Brot mit Nussnougatcreme gemacht und die anderen mit seiner Lieblingswurst und seinem Lieblingskäse. Und beim Obst und der Paprika war ich mir auch nicht sicher. Auf alle Fälle wollte ich nicht, dass mein Sohn nichts zum Essen hatte. "Gib ihm das jetzt so mit und nachher fragst du einfach noch einmal die Erzieherin, was du ihm morgen mitgeben sollst. Heute Abend kannst du ja auch mit Dani absprechen, was er morgen mitnehmen möchte." Ich nickte und schloss die Dose. "Soll ich dich unterstützen und mitkommen?" Dafür hätte ich meinen besten Freund knuddeln können. Trotzdem schüttelte ich den Kopf "Nee, halte du lieber im Büro die Stellung." "Na, klar. Du bist doch dann auch in einer Stunde spätestens da, dann können wir auch mit Erik und Kathie das mit der Agenturerweiterung noch einmal genauer durchsprechen." Die beiden hatten dem schon bei unserem kurzen Gespräch am Samstag zugestimmt und auch Lisa Goretzka hatte sich sehr interessiert gezeigt. "Nee du, das muss warten. Ich nehme mein Laptop mit und arbeite aus dem Auto während Dani im Kindergarten ist. Falls was ist, bin ich dann wenigstens gleich vor Ort." Marvin schaute mich an und fing an zu schmunzeln, ehe er mich in den Arm zog "Ach Mausi, jetzt höre doch auf dir solche Sorgen zu machen. Dani wird da so viel Spaß haben. Da wird nichts passieren. Ich verstehe ja, dass du nervös bist, aber du wirst sehen, das läuft ganz prima." Das hoffte ich wirklich. Klar, hatte ich mir die Kita angesehen. Die waren wirklich toll eingerichtet. Sie hatten sogar eine Art Indoorspielplatz, wenn schlechtes Wetter war. Und im Garten gab es auch alles, was sich ein Kind wünschen konnte. Auch die Erzieherinnen machten alle einen sehr netten Eindruck....aber trotzdem war das irgendwie ein komisches Gefühl. Das war irgendwie so...so....keine Ahnung. Ich überlegte kurz. Irgendwie war das so als würde ich etwas verlieren. Genauso hatte sich das auch bei Leo angefühlt als sie zur Schule gekommen war. Damals hatte ich auch eine Heidenangst, dass ihr etwas passierte und ich nicht in ihrer Nähe war. Aber da war auch alles gut gegangen. Das einzige Mal wo ihr wirklich etwas passiert war, hatte ich sogar daneben gestanden und es kam aus einer Ecke aus der ich es nicht erwartet hätte. Ich konnte Roman ehrlich gesagt immer noch nicht verzeihen, was er getan hatte. "Mama, Mama, Kindergarten gehen." Dani riss mich aus meinen Gedanken und ich löste mich aus Marvins Umarmung. "Klar, mein Großer." Ich wuschelte ihm durch die Haare und stopfte die Versperdose in seinen Rucksack.
Mein Blick fiel zur Uhr. Ich saß jetzt schon seit fast drei Stunden hier im Auto und tippte an meinem Laptop. Ab und zu ließ ich meine Blick über den Zaun in den Outdoorspielbereich des Kindergartens schweifen. Dani hatte ich aber noch nicht einmal gesehen. Naja gut, es regnete ja auch. Die Tropfen rannen nur so an der Scheibe herunter. Als ich Dani dort abgegeben hatte, war er sofort fröhlich mit der Erzieherin mitgestapft und hatte sich nicht einmal umgedreht. Das hatte schon ein zeimlich mieses Gefühl in mir ausgelöst. Man, war ich eine dämliche Kuh. Ich sollte doch lieber zufrieden sein, wenn er sich da auf Anhieb wohlfühlte. Im Grunde war ich das ja auch, aber trotzdem .... Mein Blick fiel wieder zur Uhr. Ich fuhr meien PC herunter und stopfte ihn in die Tasche. So, es waren noch fünf Minuten. Ich würde jetzt einfach schon losgehen....."Hallo, Frau Bürki.", begrüßte mich die Erzieherin freundlich. "Schön, dass sie wirklich erst jetzt kommen. Manche Eltern rennen uns schon nach einer Stunde die Bude ein am ersten Tag. Aber Sie, sehen das ja schön entspannt. Das erleichtert uns auch die Arbeit." Wenn die wüsste, wie viel Beherrschung mich das gekostet hatte. "Dann gehen wir mal schauen, wo der Dani gerade ist." Wie, die wusste nicht einmal, wo mein Sohn war? Bemüht ruhig folgte ich ihr. "Da haben wir ihn ja." Wir liefen in einen Raum, in dem mein Sohn zusammen mit anderen Kindern mitten in einem Berg von Duplo Steinen saß und etwas baute, während er auf ein Mädchen neben sich einredete. "Dani, gucke mal, die Mama ist hier." Sein Kopf flog herum und er kam zu mir angerannt und zog mich an meiner Hand mit. "Mama, das ist Carmen, meine Freundin.", stellte er mir das Mädchen mit diesen kleinen süßen blonden Rattenschwänzen vor, das neben ihm gesessen hatte. "So Dani, dann sage mal Tschüss, wir wollen nach Hause." Mein Sohn schaute mich schockiert an "Ich will aber noch spielen. Ich will nicht nach Hause." Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Eigentlich sollte mich auch das wieder freuen, aber irgendwie fühlte ich mich plötzlich so überflüssig. Mein Sohn wollte lieber hier bleiben als mit mir nach Hause. Ich musste schlucken. Die Erzieherin beugte sich zu Dani herunter "Du kommst doch morgen wieder her und dann darfst du morgen auch bis nach dem Mittagessen hier bleiben." Dani schaute sie an als wüsste er nicht, ob er ihr das glauben konnte "Versprochen." Ich hielt ihm meine Hand hin und er schlug ein, so wie er das immer mit Marvin machte. "Gut. Mama komm, dann zeige ich dir mal mein Fach. Ich habe mir einen Fussball als Zeichen ausgesucht, weil Marvin doch Fussball gespielt hat, genau wie Leo." Ja, und wie sein Vater, aber der schien bei ihm völlig aus dem Gedächtnis verbandt worden zu sein. War das ein Wunder? Eigentlich nicht, so wie Roman ihn immer ignoriert hatte. Schnell hatte Dani seine Schuhe umgezogen und stand mit seinem Rucksack auf dem Rücken neben mir. Wir machten uns auf den Weg zum Auto "Mama morgen mag ich aber weniger zu essen haben. Die anderen haben alle so komisch geguckt, dass ich so lange gegessen habe." Ich schaute ihn erstaunt an "Wir sollen doch immer alles aufessen, damit es nicht regnet, sagt doch Oma Karin immer. Und ich will nicht, dass es morgen wieder regnet. Ich möchte nämlich in den Garten raus und die Rutsche ausprobieren." Mein Sohn erzählte weiter ganz aufgeregt von seinen ganzen neuen Freunden und in mir machte sich ein ziemlich schlechtes Gewissen breit. Wahrscheinlich dachten die Erzieherinnen jetzt ich wollte ihn mästen. Ja, ich musste die Vesper unbedingt mit ihm absprechen und ich musste mich daran gewöhnen, dass mein kleiner Sonnenschein jetzt auch langsam größer und selbstständiger wurde.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt