Kapitel 39

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Ich packte mein Handy auf den Schreibtisch. Na toll. Und wie sollte ich das hinbekommen? Ich hatte doch null Plan von Werbung. Entschlossen stand ich auf. Ich würde jetzt erst einmal rüber in den Wohntrakt gehen und zusammen mit der Familie zu Abend essen und einen Film schauen. Dann würde ich noch Dani ins Bett bringen und ihm eine Geschichte vorlesen. Das war ein Ritual geworden auf das ich auf keinen Fall verzichten wollte. Danach hatte ich dann immernoch genug Zeit mich hinter meinem Schreibtisch zu verkriechen und eine Lösung zu finden. Schlaf wurde sowieso völlig überbewertet. "Da bist du ja, Mausi." Marvin kam mir mit einem Tablett beladen entgegen ins Wohnzimmer. Ihm folgten Ella und Dani mit Getränkeflaschen und Gläsern. "Hallo Mama. Wir gucken Film.", strahlte er mich glücklich an. Schon alleine dieses Strahlen war es wert nachher etwas weniger bis gar keinen Schlaf zu bekommen. "Kann ich noch etwas helfen?" Marvin schüttelte sofort seinen Kopf "Nee, wir drei haben einfach....." "Mama, wir haben Fingerfood temacht.", unterbrach ihn Dani und strahlte mich ganz stolz an. "Na da bin ich aber gespannt." Ich wuschelte meinem Sohn durch die Haare "Ich auch.", kam es von der Treppe. Leo kam dort händchenhaltend mit Max heruntermarschiert. Der Anblick meiner glücklichen Tochter freute mich riesig. Man sah ihr an, wie sie es genoss sich nicht mehr verstecken zu müssen. Seit sie aus dem Krankenhaus zurück war, hatten Max und sie jede Nacht in ihrem neuen Zimmer übernachtet. Ja, ich hatte mit der Renovierung alles richtig gemacht. Ich setzte mich auf das Sofa und griff mir einen von den kleinen belegten Baguettescheiben "Mm, sind die lecker. Das habt ihr ja super gemacht." "Ja, voll lecker.", stimmte auch Leo sofort zu und schob sich die nächste in den Mund. Dani hielt Ella seine kleine Hand zum Einschlagen hin "Haben wir voll super temacht.", strahlte der kleine Sonnenschein wieder. "Mama, Papili hat mich heute angerufen." Ich schaute Leo fragend an. Mein Herz begann alarmiert zu rasen. Er hatte sich die ganze Zeit nicht gemeldet. Das konnte also nichts gutes bedeuten. "Er wollte wissen, wann ich endlich wieder trainieren kann." Leo tippte mit ihrem Zeigefinger an die Stirn."Der hat nicht einmal gefragt, wie es meiner Hand überhaupt geht. Und dann hat er mir wieder von diesem dämlichen Fröhlisberg erzählt. Ich habe ihn dann nach meinen Pokalen gefragt und er besteht darauf, dass er sie dort in der Schweiz für mich behält." Ich versuchte an ihrem Gesicht ihre Gefühlslage abzulesen "Der ist doch echt bescheuert. Der rafft immernoch nicht, dass ich da niemals hingehe. Ich habe ihm dann mehr oder weniger freundlich gesagt, dass er sich die Teile in seinen Arsch schieben kann." "Arsch schieben, Arsch schieben.", echote Dani völlig fehlerfrei. Sollte ich mich über diesen Fortschritt freuen oder darin den Untergang seiner Erziehung sehen? Ich entschied mich für freuen. Mir fiel aber auch Leos besorgtes Gesicht auf "Kannst du nicht das alleinige Sorgerecht für uns beantragen? Ich habe da im Internet recherchiert. Dann kann der Spinner nichts mehr machen." Ich hörte die Angst, die in ihrer Stimme mitschwang. Natürlich hatte sie besonders nach so einem Gespräch Angst, dass ihr Vater sie doch noch in die Schweiz holte. Ja, ich musste dringendst einen Termin bei einem Anwalt für Familienrecht machen. "Ich kümmere mich gleich morgen um einen Termin beim Anwalt.", versuchte ich sie zu beruhigen. Ja, wozu sollte ich das auch weiter aufschieben? Eine Scheidung war unausweichlich und je schneller sie über die Bühne ging, desto schneller konnte jeder sein neues Leben beginnen und die Dinge waren geklärt. "Gut.", Leo wandte sich wieder zufrieden dem Essen zu.
Vier Stunden später saß ich wieder in meinem Büro und hatte nicht den geringsten Plan, wo ich anfangen sollte. Seit einer Stunde wühlte ich mich schon durch die Unterlagen. Die zündende Idee blieb aber aus. Ich hörte ein leises Klopfen an der Tür und hob meinen Kopf. "Mausi, ich habe hier noch eine Portion Mousse für dich vom Mittagessen gefunden." Marvin kam mit einer kleinen Glasschale in der einen Hand und einem Löffel in der anderen zu meinem Schreibtisch gelaufen. "Du siehst ziemlich fertig aus." Danke, das war es doch, was man um 21 Uhr von seinem besten Freund hören wollte. "Kann ich dir vielleicht helfen?" Ich schob mir erst einmal einen Löffel Mousse in den Mund und ließ sie auf meiner Zunge zergehen, ehe ich antwortete "Also, wenn du eine komplette Werbekampagne für einen total überdrehten und egozentrischen Fussballer aus dem Boden stampfen kannst, die auch noch dem Sponsor und Auftraggeber gefällt, dann ja." Marvin schaute mich verwundert an "Seit wann bist du in der Werbung?" Ich schnaubte durch meine Nase "Seit mein abgehobener Schützling mit keiner Idee einverstanden ist, die der Sponsor liefert, der ihn und nur ihn aber als Werbegesicht haben will und deshalb mir überlässt eine Kampagne zu entwickeln, die meinem Schützlinfg zusagt. Ich habe total freie Hand." Ich fragte mich echt, warum die Sportler sich zu Diven entwickelt hatten. Obwohl eigentlich war es keine wirklichr Frage. So viel Geld wie sie mittlerweile bekamen, sorgte das halt dafür, dass man einfach abhob und sich für unantastbar hielt. Da war der Charakter schnell versaut, besonders wenn man nicht nur von den Fans, sondern auch vom Verein und den Sponsoren gehypt wurde. Das Fussballspielen war doch für die meisten nur noch zu einer lästigen Nebensache geworden. Wahrscheinlich hatte jeder Hollywoodstar mehr Bodenhaftung. Naja, er verdiente ja auch weniger. "Zeig mal her." Marvin hatte sich meinen Besucherstuhl herangezogen und sich neben mich an den Schreibtisch gesetzt. Er blätterte sich auch durch meine Unterlagen und schien sie zu überfliegen "Also, du hast frei Hand. Auch beim Budget?" Ich zuckte mit den Schultern "Sieht so aus. Aber ich finde es sollte schon in einem gewissen Rahmen bleiben." Er machte ein nachdenkliches Gesicht und nickte "Und welche Vorstellungen hat der Spinner?" Ich musste lachen. Ja der Begriff passte sehr gut zu meinem Schützling, der sich in kürzester Zeit vom netten Jungen vom Lande, der gut, naja eher traumhaft mit einem Ball umgehen konnte, zum arroganten überheblichen Paradiesvogel entwickelt hatte. "Naja, sagen wir mal vom Topmodel, das ihn anhimmelt bis zum Raumschiff ist alles vertreten." "Für ein Limonadenmixgetränk ohne Kalorien?" Ich nickte und musste an die einfache Cola Werbung mit Manuel Neuer in meiner Jugend denken. Da brauchte es noch kein Blingbling und Raumschiffe. Marvin fing an mit seinem Finger an sein Kinn zu tippen. "Du, ich habe da eine Idee. Bei uns in der Agentur hatten wir da auch so einen Werbedeal...." Klar, mein bester Freund arbeitete in einer Werbeagentur in Berlin. Dort hatten wir uns ja auch wiedergetroffen. Aber eigentlich war er dort doch nur für die Finanzen und manchmal auch das Rekruting zuständig und nicht für das Kreative. Seine Idee war aber wirklich genial. Das könnte echt funktionieren. Weitere drei Stunden später hatten wir eine komplette Kampagne ausgearbeitet. "Wieso kannst du das alles?" Marvin hatte mich echt erstaunt "Naja, mein Wirtschaftsstudium habe ich nach Karriereende abgeschlossen, also sollte der Umgang mit Zahlen und eine Kalkulation ja wohl kein Problem sein und in den drei Jahren, die ich jetzt schon in der Agentur arbeite, kam dann noch der Kreativinput dazu. Nur Zahlen sind ja auch langweilig." Klar wusste ich von seinem Studium, aber ich hatte ihn immer für einen besseren Buchhalter dort gehalten. "Du bist genial. Willst du nicht bei mir anfangen?" Der Einfall war mir ganz spontan gekommen. Schließlich wollte ich ja jemand einstellen, um mich zu entlasten. Das war auch schon mit Kathie und Erik abgesprochen. Marvin wäre perfekt. Auf ihn könnte ich mich zu 100.000 Prozent verlassen. "Aber du willst bestimmt nicht deinen Job aufgeben und von Berlin weg.", beantwortete ich meine Frage sofort selbst. Ich schaute auf die Uhr. Mist, schon nach Mitternacht. "Du schläfst aber heute bei mir und nicht im Gästezimmer. Sonst werden Ella und Mika noch wach." Ich hatte ja noch das alte Ehebett von Roman und mir. Da war ja genug Platz. Marvin gähnte nickend "Na dann ab ins Bett." Er legte seinen Arm um meine Schulter und schob mich aus dem Büro.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt