"Dada." Ich hatte Mariska auf meinem Arm und hielt ihr einen Keks hin, während sie versuchte unbeirrrt über meine Schulter zu greifen. "Der Papa kommt erst später", versuchte ich sie zu beruhigen und drückte ihr einen Schmatzer auf ihre kleine speckige Wange. Franzi hatte vor einer halben Stunde bei mir vor der Tür gestanden und mir die Kleine in den Arm gedrückt, weil sie noch einen dringenden Termin hatte und Marco auch unterwegs war. Ja, und nun saß ich hier im Wohnzimmer und versuchte die Kleine zu bespaßen. Wie hatte Franzi gesagt? Schon einmal zum Üben. Ehrlich gesagt fühlte so ein Zwerg im Arm sich richtig toll an. Ich dachte wieder an den Mutterpass in meiner Tasche. Bald würde ich auch wieder so einen Zwerg in meinem Arm halten. Meinen und Marvins Zwerg. Nach dem Besuch beim Frauenarzt hatte ich mit Franzi zusammen noch kleine Babyschühchen besorgt. Okay, der eine oder andere Strampler war auch in meiner Einkaustüte gelandet. Und zu guter letzt hatte ich das Ultraschallbild auf einen silbernen Schlüsselanhänger zusammen mit dem errechneten Geburtsdatum gravieren lassen. Beides zusammen schlummerte gutverpackt in einem Geschenkkarton in meinem Schreibtisch im Büro in der hintersten Ecke, damit ich nicht doch einfach sofort damit über Marvin herfiel. Klar, wäre das auch nicht schlimm, aber ich hatte es doch als Geschenk zur Hochzeit geplant. Oder, war das vielleicht doch blöd, vor den ganzen Leuten? Was, wenn Marvin sich doch nicht freute und einfach davonlief? Franzi meinte zwar, dass das totaler Blödsinn wäre und er eher in Freudentränen ausbrechen würde......aber ganz sicher war ich mir da nicht. Ganz abgesehen davon, dass es bis dahin noch 1.209.600 Sekunden waren und ich immer Angst hatte mich zu verplappern. Obwohl Angst war der falsche Ausdruck. Das Bedürfnis es Marvin sofort zu erzählen und meine Freude mit ihm zu teilen, traf es viel besser. Irgendwie schwankte ich immer zwischen dem Gefühl ihm etwas ultrawichtiges vorzuenthalten und dem Glücksgefühl das absolut tollste Geschenk für ihn zur Hochzeit zu haben. "Dada.", krähte Mariska wieder und streckte sich über meine Schulter, während ich sie an mich drückte und knuddelte. "Ihr seht so süß zusammen aus.", ertönte Marvins leicht belegte Stimme, als er sich neben mich auf das Sofa gleiten ließ. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er aus dem Büro gekommen war. Scheinbar war ich so vertieft in meine Gedanken. "Mausi, da bekomme ich glatt Sehnsucht." Wie meinte er das denn? Sehnsucht nach meinem Arm? Oder nach einem eigenen Kind? "So eine Mischung aus uns beiden wäre mit Sicherheit das Sahnehäubchen." Er zog mich in seine Arme und strich Mariska sanft durch ihre rotblonden Fusselhaare. Und ich, ich schluckte gegen den gewaltigen Kloß in meinem Hals an. Verfluchte Hormone. Am liebsten würde ich aufspringen und sofort mit dem Geschenkkarton über ihn herfallen. Es war schon so schwer genug es vor ihm geheimzuhalten, aber jetzt, wo ich wusste, dass er auch nicht abgeneigt war. Manno.....na wenigstens brauchte ich dann bei der Hochzeit nicht mit der totalen Pleite bei meiner Überraschung rechnen. Mariska krabbelte von meinem Schoß auf Marvins und stellte sich auf, ehe sie mit ihren Fingerchen in sein Gesicht tatschte "Dada." Ich beobachtete die beiden. Marvin begann vorsichtig nach ihren Fingern zu schnappen und die Kleine quietschte total vergnügt. So würde er in einem Jahr auch mit unserem Baby hier sitzen. Eine Welle unglaublicher Gefühle überrollte mich......"Du Tiger, ich muss dir dringend etwas sagen. Wir bekommen...." Das Vibrieren des Telefons unterbrach mich. Ich schaute auf das Display. Das war Karin. Hoffentlich war nichts mit Delphie. Schnell nahm ich das Gespräch an. "Hallo Jasi." Es entstand eine kurze Pause und ich hörte das Schlucken meiner Schwiegermutter. Panik machte sich in mir breit. "Du hattest mich doch gestern wegen Delphies Telefon gefragt.", fuhr sie fort. Wieder entstand eine Pause. Verflucht, was war da los? Mir wurde speiübel. "Ja, was hast du herausbekommen?", animierte ich sie zum Weitersprechen. "Ja, also....", wieder stockte sie "ja, also, Roman hat es ihr bereits Anfang Januar gleich nach dem Urlaub wieder abgenommen. Wir haben uns deshalb gestern tierisch gestritten. So geht das doch nicht.", schluchzte sie auf einmal. "Er hat was." Marvin schaute erschrocken zu mir. Scheinbar hatte ich meiner Empörung wohl lautstark Ausdruck verliehen. "Ich konnte es auch nicht glauben, dass er Delphie ihr Handy wieder abgenommen hat." Ich hörte das Unverständnis in der Stimme meiner Schwiegermutter. "Und wieso sind dann immer die blauen Häkchen aufgetaucht? Hat er etwa auch noch alle Nachrichten gelesen, die ich ihr geschrieben habe?" Eigentlich brauchte ich gar nicht auf die Antwort zu warten. "Aber Delphie kommt mit euch zur Hochzeit her, oder?" Wer weiß, was er sich noch hatte einfallen lassen, um das zu verhindern. "Na ja.", druckste meine Schwiegermutter herum. "Was?", fuhr ich sie an. Mist, sie war doch nur der Überbringer der Nachriccht. "Was?", fragte ich also noch einmal etwas freundlicher. Marvin beobachtete mich die ganze Zeit besorgt. Wahrscheinlich konnte er sich schon denken, um was es ging. "Roman hat gesagt, dass an dem Wochenende nach ihrem Geburtstag eine Ballettaufführung ist und dass Delphie dort für die Hauptrolle vorgesehen ist und sie deshalb auf keinen Fall mit dem Training aussetzen darf." "Und was hat Delphie dazu gesagt?" Meine Schwiegermutter räusperte sich "Das sie schon zur Hochzeit möchte. Also jedenfalls als wir beide alleine waren. Roman hat sie ja gar nicht zu Wort kommen lassen. Was soll ich denn jetzt machen?" Ich hatte meine Schwiegermutter noch nie so hilflos erlebt. Klar, wollte sie nicht zwischen die Fronten geraten, schließlich war er ihr Sohn. Ich schloss kurz meine Augen. "Ich kümmere mich darum und gebe dir wieder Bescheid." Stöhnend legte ich das Telefon beiseite. Ich musste mich kurz fassen, bevor ich mich dem Anruf stellte. Obwohl vielleicht wäre er mit Wut im Bauch auch erfolgreicher. Nein, Wut war nie ein guter Berater. "Lasse mich raten, Roman schießt quer." Marvin schien nicht sonderlich überrascht, als ich ihm alles erzählte. "Dann solltest du ihm klarmachen, dass ihr das geteilte Sorgerecht habt und du ansonsten noch einmal bei der Richterin vorsprichst." Ich nickte und griff wieder nach meinem Telefon. Juhu, dieses Mal wurde ich nur zweimal weggedrückt. "Was?"ertönte seine angepisste Stimme bei meinem dritten Anruf "Ich habe meiner Mutter doch schon gesagt, dass Delphie keine Zeit hat bei eurer Farce mitzuwirken." Wie hatte der gerade die Hochzeit genannt? Ich spürte, wie mein Blutdruck stieg und versuchte mich schnell zu beruhigen. Das war gar nicht gut für mein Baby. Ich schaute zu Marvin, der mithörte, da ich auf Lautsprecher gestellt hatte. Er biss die Zähne zusammen und sah so sauer aus, wie ich mich fühlte. Was bildete sich Roman eigentlich ein? "Ich habe ein Recht darauf...", begann ich und wurde sofort wieder unterbrochen "Ein Recht darauf die Karriere deiner Tochter als Primaballerin genauso zu zerstören wie die deiner anderen Tochter als Torfrau?" Höhnisches Lachen scholl mir entgegen. Ich musste schlucken. "Ich will mit Delphie selbst sprechen.", gab ich mit möglichst fester Stimme von mir. Klar, war das ein Risiko, denn wahrscheinlich würde sie sich nicht trauen frei zu sprechen, wenn er neben ihr stand. Aber wenn wollte ich die Absage wenigstens aus dem Mund meiner Tochter hören. "Ist nicht da.", lachte der Idiot nur. Marvin griff nach dem Handy "Pass mal auf, du Pinsel. Entweder Delphie kommte nächsten Freitag mit deinen Eltern hierher zu uns oder wir stehen am Samstag höchstpersönlich bei dir auf der Matte und holen sie ab. Du hast die freie Wahl. Und sollte sie dann nicht da sein, wird sich das Gericht mit Sicherheit nicht viel Zeit lassen das alleinige Sorgerecht auf Jasi zu übertragen. Haben wir uns verstanden?" Ich hörte Roman empört nach Luft schnappen und dann war das Gespräch beendet. Mein Blick fiel zu Marvin, der mir aufmunternd zuzwinkerte "Ich denke, du kannst Karin Bescheid geben, dass Delphie mit ihnen mitkommt und die zehn Tage hier bleibt. Balettvorführungen gibt es noch jede Menge, aber die Hochzeit ihrer Mutter nur einmal. Und wenn sie so talentiert ist, wie du sagst, wird ihr das bisschen Trainingsausfall auch nicht schaden." Ein warmes Gefühl der Sicherheit durchzog mich. So bestimmt hatte ich Marvin nur bei dem Telefonat in der Schweiz erlebt. Ja, er setzte sich für mich und meine Kinder ein und beschützte uns, wie es ein Familienvater tat. Er war der Vater unserer kleinen Familie. Vorsichtig legte ich meine Hand auf meinen Bauch. Unser Baby würde er immer behüten. "Jetzt hast du schon wieder Magenschmerzen von der ganzen Aufregung." Er deutete mit seinem Kopf auf meine Hand. Ich schluckte meine ganzen Emotionen herunter, die ihm am liebsten wieder sofort die freudige Botschaft verkünden wollten und nickte nur. "Los, dann rufe jetzt Karin an und sage ihr, dass alles bleibt wie verabredet und dass sie für Delphie eine schweizer Telefonkarte besorgen soll. Wir kaufen ihr dann ein neues Telefon und dann kann sie immer mit dir Kontakt aufnehmen. Sie muss es ja dem Idioten nicht zeigen. Das geheime Mamaphone.", zwinkerte er mir wieder schmunzelnd zu. Also wenn ich diesen Mann nicht schon lieben würde, dann würde ich es spätestens jetzt. "Tiger, du ....wir....werden." Ich musste schlucken und spürte eine Träne über meine Wange rollen. Sofort strich er sie mit seinem Daumen sanft weg. "Ja Mausi, wir werden ein absolut glückliches Ehepaar bis in alle Ewigkeit." Ich schluckte und nickte nur. Verflucht, wie sollte ich mein Geheimnis nur bis zur Hochzeit für mich behalten.
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...