Kapitel 131

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Roman hörte auf an der Tür zu trommeln und drehte sich zu mir um. Er starrte mich mit wutverzerrtem Gesicht an "Haben wir nicht andere Probleme als diese kleine verzogene Nerveensäge? Wir müssen hier raus, bevor noch mehr passiert." Hatte ich mich gerade verhört? Wie hatte er seine Tochter genannt? Was war aus dem Prinzessin geworden? Das konnte doch gar nicht sein. Ich musterte ihn erschrocken. Man, der zitterte ja am ganzen Körper. Ich schlug mir innerlich mit meiner Hand vor die Stirn. Supi. Nicht nur, dass wir im Fahrstuhl festsaßen, nein, Roman hatte auch noch eine Panikattacke. Früher hatte er so etwas öfter bei lauten Knallgeräuschen gehabt als Nachwirkung von dem Anschlag. Aber in den letzten Jahren war das eigentlich verschwunden. Warum musste das gerade jetzt zurückkommen? Wie bekam ich das am besten in den Griff? Früher hatte Ablenkung geholfen. Ein bestimmter Teil davon fiel aber mittlerweile weg. Alleine schon  der Gedanke ihn zu küssen, gruselte mich. Ich musste ein Schütteln unterdrücken. Trotzdem musste mir etwas einfallen. Reden...unverfängliche Fragen. Genau das war es doch. Ich klopfte sachte mit meiner Hand auf dem Boden neben mir "Komm setze dich her." Widerstrebend ließ sich Roman auch an der Wand herunterrutschen und umklammerte dann seine Knie "Wie geht es denn nun Delphie?", stellte ich meine Frage erneut. "Sie ist aufsäßig und besitzergreifend geworden.", brummte er "Ständig will sie meine volle Aufmerksamkeit und zickt mit meiner Freundin herum. Das ist genauso schlimm wie früher mit Leo. Aber das ist ja auch erst einmal durch." Er fuhr sich mit seiner Hand durch das Gesicht und ich musste mir auf meine Zunge beißen, um nicht zu sagen, dass das halt das Problem war, wenn man im Kindergarten wilderte. Schadenfreude stellte sich aber nicht im geringsten bei mir ein. Nur meine Sorge wurde größer. Ich musste unbedingt an Delphie rankommen. Sie brauchte einfach eine Mutter. Und was meinte er mit durch? "Wie geht es Leo überhaupt? Was macht ihre Hand? Trainiert sie wieder fleißig?" Roman schaute mich an, ehe er seinen Kopf auf seine Knie sinken ließ "Ihre Hand ist wieder in Ordnung. Aber sie steht jetzt nicht mehr im Tor. Dani spielt auch mittlerweile in Milis Knirpsmannschaft.", informierte ich ihn. Wenigstens zitterte er nicht mehr oder trommelte auf etwas ein. "Wieso steht sie nicht mehr im Tor? Sie muss unbedingt wieder ins Tor." Sein Kopf schoss hoch und die Augen funkelten mich an "Sie wollte aber nicht mehr und Marco hat sie auf Verteidiger umgeschult." Es folgte ein verbitterter Schnaufer "Du meinst wohl Marvin." Enttäuscht schüttelte er den Kopf und presste seine Lippen zusammen, ehe er seinen Kopf wieder auf die Knie packte. "Dani ist total begeistert dabei.", versuchte ich nochmals sein Interesse zu wecken."Mili sagt, er ist sehr talentiert." "So wie sein Vater in der Verteidigung?", brummte er nur, ohne seinen Kopf zu heben. "Sein Vater war Torwart.", platzte es aus mir heraus. Was sollte denn das schon wieder? "Wann habe ich dir eigentlich Anlass dazu gegeben zu glauben, dass ich fremdgegangen wäre?" Roman riss seinen Kopf hoch "Wann?", lachte er verächtlich "Jedes einzelne Mal, wenn du angeblich zu irgendwelchen Vertragsverhandlungen mit irgendwelchen Kerlen warst. Hast du wirklich geglaubt, ich merke das nicht, dass du deine Arbeit nur vorschiebst. Und mich hast du zum Haus- und Kindermädchen degradiert." Wie, ich schob meine Arbeit nur vor? "Ich war wirklich ständig unterwegs und am Arbeiten, damit genug Geld auf dem Konto ist, was du wieder mit vollen Händen rauswerfen konntest. Wenn du noch etwas vernünftiges außer Bälle fangen gekonnt hättest, dann hätte ich nicht arbeiten brauchen und mich gerne um die Kinder gekümmert." So langsam wurde ich echt wütend. Wieviel lieber wäre ich bei meinen Kindern gewesen. "Was heißt hier nur Bälle fangen? Ich habe ja wohl mehr als genug Geld verdient, damit wir gut davon leben konnten. Ja, natürlich habe ich nicht studiert wie der heilige Marvin." Sein gekränkter Blick schockte mich. Hatte er nie mitbekommen, dass das schnell aufgebraucht war? "Das reicht doch aber nicht ewig, wenn man so über seine Verhältnisse lebt wie du." "Ich?", das war fast schon ein empörter Aufschrei "Ich habe nie über die Verhältnisse gelebt. Ich habe mir nur das gegönnt, was ich mir auch verdient habe. Und ich hatte mir eine Menge verdient, wenn man plötzlich nur noch der Mann von der großen Jasmin Bürki ist, die sich wie eine große Nummer aufspielt." Wie große Nummer ? Ich habe immer nur meine Arbeit so gut ich konnte gemacht, um meine Familie gut zu versorgen. "Und zu deinem Gönnerprogramm gehört auch ein Geheimraum im Keller, den du als Warenlager missbraucht hast?" Roman riss seine Augen auf "Wie hast du den gefunden? Der geht dich gar nichts an, das ist mein Haus. Wieso wohnst du überhaupt noch mit dieser Bagage da?" Ich musste lachen "Tja, du meinst wohl, es war dein Haus. Das mit der Versteigerung war eine ganz schön miese Nummer." "Hat der neue Eigentümer es etwa an euch vermietet?" Ich schüttelte den Kopf "Nee, Niklas Stark hat es uns sogar verkauft. Wieso hast du nicht mein Kaufangebot angenommen? Hasst du uns wirklich so, dass du uns am liebsten auf der Straße gesehen hättest?" Roman fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken "Ich war so wütend als ich das Namensschild von deinem Stecher an meinem Haus gesehen habe...." "Marvin ist nicht mein Stecher und war es auch nie." Den letzten Teil, den ich sonst immer gesagt hatte, nämlich und wird es auch nie sein, unterschlug ich gekonnt, denn mittlerweile hoffte ich ja etwas anderes. Roman schnaubte nur und schüttelte ungläubig den Kopf. "Genau, für wie dumm haltet ihr mich eigentlich? Ihr habt sogar die Schlösser ausgewechselt. Und Leo habt ihr auch gegen mich aufgehetzt, dass ich sie nicht einmal mehr am Handy erreichen konnte. Das forderte eine Strafe." Wie Strafe ? Waren wir im Kindergarten, oder was? "Die Schlösser haben wir ausgetauscht, weil Leo die Handtasche geklaut worden ist. Übrigens mit ihrem Handy zusammen. Sie hat jetzt eine neue Nummer." "Dann...dann." Ich nickte "Dann konnte sie deine Anrufe gar nicht annehmen." Geflissentlich ging ich darüber hinweg, dass seine Tochter nicht das geringste Interesse daran hatte, ihm ihre neue Nummer mitzuteilen. Mir fiel wieder das Warenlager in unserem Keller ein. Dann hatte er wohl seinen ganzen Frust nicht mehr der umschwärmte Fussballgott zu sein, mit den Käufen kompensiert. "Sage mal, ich habe da auch einen Ordner gefunden. Wieso hast du mir damals deinen Unfall und die Fahrerflucht verschwiegen?" Schockiert schauten mich die dunkelbraunen Augen an, in denen ich früher immer versinken hätte können. "Du weißt davon?" "Jetzt schon. Ich hätte aber lieber damals von dir davon erfahren." Roman wischte sich die Schweißperlen, die sich mittlerweile auf seiner Stirnn gebildet hatten, mit der Hand weg. "Man, es war so peinlich. Du warst damals im Krankenhaus zu meinem Geburtstag und dann waren Daniel, Sandro und Nico da und wir haben abends ordentlich in einem Club in der Innenstadt gefeiert. Und ich hatte dann zu viel getrunken. Erst am nächsten Mittag als die Polizei bei uns war, habe ich mitbekommen, was ich da für einen Mist gebaut habe." Mir wurde ganz übel bei dem Gedanken, was noch hätte passieren können, wenn er so abgetreten war, dass er das nicht einmal mitbekam. "Aber das ist doch kein Grund es zu verheimlichen und einfach ein neues Auto zu kaufen." Ich schüttelte verständnislos meinen Kopf. "Man, ich hatte mir vormittags schon an einem Begrenzungspfahl im Krankenhaus eine kleiner Beule reingefahren. Das war einfach ein Unglücksauto und musste weg. Außerdem konnte ich mir ja ein neues leisten." Da wären wir wieder bei dem Problem des finanziellen Realitätsverlust. Das war ja wie ein Teufelskreis. Nein, er konnte sich nicht einfach ein neues Luxusauto im Wert von mehreren hunderttausend Euro leisten. "Wieso hast du überhaupt so viel getrunken? Das war doch noch nie deine Art." Ich hatte Roman nur zwei mal wirklich betrunken erlebt. Das erste Mal zu Franzis Polterabend, als er eifersüchtig auf Marvin war und das zweite Mal, als es den großen Zoff wegen Leo gab. Was also war der Auslöser? "Man, die drei haben mich die ganze Zeit gefragt, ob ich überhaupt Danis Vater bin. Und dann musste ich an den Trainingsunfall denken und daran wieviel du mit anderen Kerleen unterwegs warst....und."  Er brach mitten im Satz ab "Deshalb hast du dann auch nach Danis Geburt den Test machen lassen?", schlussfolgerte ich. Roman nickte niedergeschlagen "Nur, um zu erfahren, dass die drei recht hatten." "Hatten sie nicht.", fuhr ich hoch und begann in meiner Handtasche zu wühlen "Hier den wollte ich dir eigentlich nachher im Gerichtssaal geben." Ich hielt ihm den korrigierten Zeugungstest hin. "Was ist das?" Er schaute skeptisch auf das Blatt "Ich habe den in den Unterlagen in deinem Geheimraum gefunden und festgestellt, dass es da einen Namensfehler gab. Nach einem Anruf dort, hat man mir deinen richtigen Test zugeschickt. Du bist zu 100 Prozent zeugungsfähig." Roman griff nachdem Blatt und begann zu lesen. "Fuck, dann hat sie ja gar nicht gelogen.", brabbelte er vor sich hin. Was sollte das? Wieso redete er von mir in der dritten Person singular und nicht in der zweiten? Das hieß richtig, dann hast du ja gar nicht gelogen. "Ist Dani denn mein Sohn?" Was sollte denn diese Frage noch? Glaubte er wirklich,  dass ich fremdgegangen war? "Natürlich ist er dein Sohn. Hättest du gleich einen Vaterschaftstest gemacht, wenn du mir schon nicht traust, hättest du es gleich gewusst." Das fehlende Vertrauen war auch mit Sicherheit ein Grund dafür, dass wir heute hier diesen Termin hatten. Gerade als ich meinem Frust über sein mangelndes Vertrauen Luft machen wollte, wurde es wieder dunkel im Fahrstuhl, ehe er sich ruckelnd  in Bewegung setzte und das Licht  normal erstrahlte. Ich schaute zu Roman, der aufsprang und sich streckte, ehe ich seinem Beispiel folgte. Kurze Zeit später ertönte auch das schon lange von mir herbeigesehnte Ping und die Türen schwangen auf. Ohne ein weiteres Wort zu mir, stürzte Roman aus dem Fahrstuhl und ich folgte ihm.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt