Kapitel 128

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"Mama, soll ich schon einmal das Mehl abmessen?" Leo war wirklich fest entschlossen mir bei den Eierkuchen zu helfen. Ich nickte, als auch schon wieder die Küchentür aufflog. "Mama, wann ist denn das Essen endlich soweit? Mein Bauch knurrt schon ganz laut." Carmen neben ihm nickte "Ja, Wau und Wuff sind schon ganz verängstigt abgehauen, obwohl wir mit ihnen spielen wollten." Ich schaute in meine Schüssel "Gebt mir noch zehn Minuten." "Wieviele Sekunden sind das?" Dani schaute von mir zu Leo "600", kam es aus unseren beiden Mündern und wir mussten Lachen. Dani nickte "Okay, aber keine Sekunde länger, sonst bin ich verhungert." So jämerlich wie er schaute, bekam ich direkt ein schlechtes Gewissen. "Komm' dann lasse uns noch eine Folge Sponge Bob gucken." Carmen zog ihn mit sich. Scheinbar war sein nahender Hungertod erst einmal vergessen, so begeistert wie er mithüpfte. "Carmen hat ihn echt gut im Zug.", grinste mich Leo an, als mein Handy begann Alarm zu schlagen. Ich schaute auf das Display "Max", informierte ich meine Tochter. "Kannst ihm sagen, ich bin nicht zu sprechen. Der soll mal in Ruhe nachdenken, was er sich geleistet hat." "Ja hallo Max, was gibt es?", meldete ich mich also erst einmal freundlich. "Jasi, weißt du, wo Leo ist? Ich kann sie nicht erreichen. Es ist immer sofort die Mailbox dran." Der Kerl war ja total durch den Wind. Irgendwie tat er mir gerade Leid. Ich schaute also zu Leo, die völlig ungerührt die Zutaten in die Schüssel schüttete. "Ja, also...."Man, warum musste ich denn da jetzt mit hineingezogen werden? Hatte ich mit der Scheidung morgen nicht schon genug an der Backe? Ich musste mir nachher unbedingt noch einmal alle Schreiben der Anwälte anschauen, damit ich nicht völlig planlos vor der Richterin stand. "Leo ist hier. Willst du sie sprechen?", Diese Frage brachte mir einen finsteren Blick meiner Tochter ein. "Ja, bitte. Sie ist vorhin einfach abgehauen. Das fand ich nicht in Ordnung. Ich habe mir echt Sorgen gemacht." Wie abgehauen? Hatte sie nicht gesagt, diese Kommilitonin hatte sie mehr oder weniger rausgeworfen? Die Sorgen glaubte ich ihm ungesehen. "Leo, Max will dich sprechen." Ich hielt ihr mein Handy hin "Ich kann gerade nicht, ich muss mich auf die Eierkuchen konzentrieren." Das Konzentrieren betonte sie besonders, ehe sie eiskalt das Rührgerät aufjaulen ließ. "Leo macht gerade.. " "Eierkuchen, ich habe es gehört.", unterbrach mich Max. Wenn mich nicht alles täuschte, klang er etwas säuerlich. Man, ich hatte heute echt keinen Nerv für Teenagerdrama. "Tschüss, Jasi." Und schon war das Gespräch beendet. Lautlos begann ich zu zählen. Wie lange würde es wohl dauern, bis es an der Tür klingelte? Leo schaltete das Rührgerät aus und schaute mich mit funkelnden Augen an. "Und, was hat er gesagt?" Ich zuckte mit den Schultern "Nicht viel. Nur, dass du einfach abgehauen bist und er sich Sorgen gemacht hat." "Gut so, das ist ja wohl das mindeste, wenn mich seine Laura-Zicke rauswirft." Also zwischen Rauswurf und Abhauen lag ja eine ziemliche Differenz. "Wie kommt er  denn darauf, dass du abgehauen bist? Hat er denn gar nicht auf die Ansage von dieser Lisa." "Laura", wurde ich sofort unterbrochen. "Dann halt Laura oder wie auch immer die Zimtzicke heißt. Hat Max gar nicht auf ihre Ansage reagiert?" Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. "Konnte er ja nicht. Er musste ja gerade etwas zu trinken für sie holen. Die Cola, die er bereitgestellt hatte, war ihr zu kalorisch." Leo verzog ihr Gesicht. Oha, dann lag meine Tochter mit ihrer Vermutung, dass diese kleine Studentin es auf meinen zukünftigen Schwiegersohn abgesehen hatte, wohl gar nicht so falsch. Das bedurfte einem Gespräch mit Franzi, dass sie mal ein Auge auf dieses Mädel hatte. So ging das ja mal überhaupt nicht. Beim Zählen war ich gerade bei 347 angekommen, als die Klingel laut auf sich aufmerksam machte. Wow, da hatte Max aber einen kleinen Sprint eingelegt. "Sage ihm, ich will ihn nicht sehen. Er soll zu der dummen Pute gehen.", knurrte Leo sofort. "Willst du das wirklich? So schnell aufgeben?" Das konnte ich mir nämlich beileibe nicht vorstellen. Sie zog eine Flappe und schüttelte den Kopf "Nee, da hast du recht. Ich rücke ihm jetzt den Kopf zurecht und dann lernt mich die Seekuh mal richtig kennen." Ja, das passte schon mehr zu meiner Tochter, die sofort losstürzte. Sicherheitshalber folgte ich ihr, falls ich doch den Friedensstifter geben musste. "Hey, Leo.", begrüsste Andi anstelle von Max sie. In seinen Armen hatte er mehrere Pizzakartons. Wo kam er denn jetzt her? Und wo war Marvin? Scheinbar konnte er meine Gedanken lesen "Halte mal die Tür auf, Marv bringt gleich noch den Rest. Uns ist so beim Billardspielen die spontane Idee gekommen, Essen beim Italiener zu holen." Wie Billardspielen? Die beiden hatten sich einen schönen Nachmittag gemacht, während ich mit den Kindern gekämpft hatte. "Papa." Carmen stürzte auf ihren Vater zu "Mmmm Pizza. Endlich was zu essen. Wir sind schon fast verhungert." Ausdrucksvoll ließ sie ihren Kopf hängen und schaute dann in meine Richtung "Jasi schafft es nämlich nicht uns Eierkuchen zu machen." "Ja", stieg jetzt auch noch mein Sohn anklagend mit ein "Die 600 Sekunden sind schon ewig vorbei." Na super. Wie stand ich denn jetzt da? Wenn ich nicht die ganze Zeit unterbrochen worden wäre, dann würden wir jetzt schon alle mit dem Verdauen beschäftigt sein. "Na dann flott an den Tisch, bevor es Hungertote gibt.", scheuchte Andi die Kinder los. "Die Lasagne ist da." Marvin kam zusammen mit Max durch die Tür. Man, duftete das verführerisch. Ich dachte an den Eierkuchenteig in der Küche. Ach was sollte es, dann kippte ich ihn halt weg. "Na, Mausi. Alles in Ordnung? Du schaust so sauer." Ach, warum schaute ich wohl so? Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und marschierte mit den Aluformen an mir vorbei in Richtung Esszimmer. Ich schaute zu Max, der sich gerade vor Leo aufbaute. Nö, ich hatte heute schon genug Drama, also machte ich mich flottest aus dem Staub und folgte Marvin. Die Entscheidung fand auch das Wohlwollen meines Magens, der mir schon eine gewisse Vorfreude auf mein  Lieblingsessen signalisierte. Mika, Ella, Dani und Carmen saßen bereits am Tisch und bekamen ihre Pizza zugeteilt. Ich ließ mich auch auf meinen Stuhl plumpsen und ehe ich mich versah, schob mir Marvin die dampfende Lasagne vor meine Nase. Okay, das war ein adäquater Ausgleich für ihr nachmittägliches Vergnügen. "Nächste Woche gehen wir wieder Billard spielen, wenn die Kids beim Schwimmen sind.", grinste Andi, während er in sein Pizzastück biss. "Das hat echt Laune gemacht." Marvin nickte sofort "Aber sowas von. Warte ab, nächste Woche mache ich dich platt. Dann bin ich wieder mehr in Übung. Ich habe bestimmt zehn Jahre nicht mehr gespielt. Und wie war euer Nachmittag so? Beim Schwimmen alles gut gelaufen?" Na wenigstens bekamen die beiden Bros überhaupt noch etwas außerhalb ihrer Bromance mit. Wenigstens interessierten sie noch ihre Kinder, die sie mir aufgeladen hatten, damit sie sich miteinander vergnügen konnten. Wer fragte mich eigentlich, ob ich Billardspielen wollte? Ich hatte das immer geliebt, weil es so einfach auf Geometrie und Physik beruhte. Aber mich fragte ja keiner. War ich gerade wirklich auf die Männerfreundschaft eifersüchtig? Manno, wie weit war es jetzt schon mit mir gekommen? Ich sollte doch zufrieden sein, dass die beiden sich mittlerweile so gut verstanden. Das war allemale besser als diese blöde Stimmung vorher. "Ist für uns auch etwas zu essen dabei?" Leo kam mit Max händchenhaltend ins Esszimmer marschiert. So debil wie die beiden grinsten, hatten sie wohl ihr Problem geklärt bekommen. Na toll, dann waren ja alle wieder glücklich. Warum hatten Roman und ich das eigentlich nicht so einfach hinbekommen, wie diese beiden Teenies? Warum musste das morgen eine Richterin entscheiden? Konnte man nicht von zwei erwachsenen Menschen erwarten, dass sie es vernünftig geregelt bekamen, wenn sie schon nicht mehr zusammen passten? Oder viel mehr, warum haben wir es nicht frühzeitig geklärt bekommen, so dass eine Scheidung gar nicht erst nötig wäre? Wo war unsere Liebe verloren gegangen? Egal, das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Viel wichtiger war, dass ich morgen gut vorbereitet war. "Mausi, was hälst du davon, wenn wir noch alle zusammen einen Spieleabend machen?", riss mich Marvin aus meinen deprimierenden Gedanken. Ehe ich überhaupt antworten konnte, brach ein mehstimmiger Jubel aus. "Au ja, lasst uns Twister spielen", lachte Leo "Und Elefun.", warf Dani begeistert ein. Er liebte es die kleinen Schmetterlinge mit dem Kecher zu fangen. Dann war meine Abendplanung wohl abgeschlossen. Fünf Kinder konnte ich ja wohl nicht enttäuschen. Und wenn ich die erwartungsvollen Gesichter der beiden Männer sah, diese wohl ebensowenig. "Na, dann lasst uns spielen." Ich stand auf und begann die Pizzakartons zu stapeln, als ich von Marvin wieder auf meinen Stuhl zurückgedrückt wurde. "Lass mal, das machen wir. Du isst erst noch deine Mousse-au-chocolat." Hatte er gerade......Ja, hatte er gesagt, wenn ich die kleine Schale vor mir betrachtete. Begeistert griff ich zu meinem Löffel und genoß den ersten Happen. Mit Mousse-au-chocolat hat mich früher immer Roman verwöhnt. Ich schob mir den nächsten Löffel in den Mund. Mm, war das lecker. Wer brauchte diesen schweizer Mistkerl schon, wenn man Mousse auch so bekam. Ich würde jetzt mit meiner Familie den Abend genießen und mit meinen Kindern spielen. Wen interessierte schon die blöde Scheidung morgen. Wofür leistete ich mir diesen teuren Anwalt? Nicht dafür, dass ich einen Abend vorher mich in die Akte einlas. Das war sein Job, nicht meiner. "Na, los, dann lasst uns Spaß haben.", lachte ich und sprang wieder auf. Natürlich erst nachdem meine Mousse der Lasagne in meinem Bauch Gesellschaft leistete. "So gefällst du mir schon viel besser, Mausi." Marvin legte seinen Arm  um meine Schulter. "Aber viel, viel besser.", schloss sich Andi ihm an und legte von der anderen Seite auch seinen Arm um mich. Tja, ab morgen war ich dann zwar offiziell wieder Single, aber wen störte das schon, wenn man zwei beste Freunde hatte. Okay, es störte mich. Ein bester Freund wäre ja auch ausreichend. Also Andi und Marvin als mein fester Freund. Erst einmal würde ich meine Scheidung hinter mich bringen und dann......mal schauen, was dann die Zeit brachte. Nee, ich würde mich nicht auf die Zeit verlassen. Ich würde einfach selbst aktiv werden. Genau, selbst war die Frau.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt