Kapitel 22

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Ich rannte so schnell ich konnte zu Leo und riss das Tor auf. Sie zog ihre Hand heraus und die Tränen liefen über ihr Gesicht. Max kam zu uns gerannt, während ich weitere Schritte hinter mir hörte. Sckockiert schaute ich auf die Hand meiner Tochter, die in sekundenschnelle angeschwollen zu sein schien. "Sieh zu dit de Land jewinnst.", brüllte mein Vater Roman an und schubste ihn, während meine Mutter ihn zu beruhigen versuchte "Wir können hier nicht noch mehr Verletzte gebrauchen Chris. Danke, Martin.", wandte sie sich an meinen Schwiegervater, der seinen Sohn mit sich zog. "Wir müssen das sofort kühlen und dann ins Krankenhaus.", drang Max Stimme zu mir durch. Ich nickte abwesend und sah nur wie Leo die Tränen über die Wangen liefen, während sie schluchzte. Ich legte meine Arme um sie und versuchte sie zu trösten, während ich spürte, wie der Kloß in meinem Hals immer dicker wurde. "Hier Kühlakkus.", Phil reichte diese blauen Packs, die wohl in keinem Sportlerhaushalt fehlten seinem Bruder, der sie ganz vorsichtig auf Leos Hand positionierte. "Das hilft. Gleich tut es weniger weh.", versuchte er sie zu beruhigen. Ich schaute mich um. Alle standen ziemlich schockiert um uns herum. Von Roman und Martin war nichts mehr zu sehen. Ich rannte zur Terrasse, als ich von Franzi gestoppt wurde. "Wo willst du hin?" Sie schaute mich eigenartig an. Nee, sie dachte doch jetzt nicht wirklich, dass ich abhauen und meine Tochter im Stich lassen würde. "Ich muss meine Handtasche holen, da sind die Autoschlüssel und die Versicherungskarte drin.", ich deutete zur Terrasse, als sie mich immer noch nicht losließ. "Lass mich, ich muss Leo ins Krankenhaus fahren.", brüllte ich sie an, während sie einen Arm um meine Schulter legte. "Du fährst nicht. Du stehst unter Schock. Marco fährt und Max und ich kommen mit." Sie zog mich wieder zum Gartentor. Davor stand schon Marcos Auto mit laufendem Motor. Max half Leo gerade beim Einsteigen als Dani zu mir gerannt kam und sich an mein Bein klammerte. "Papa böse, Papa Leo Aua demacht. Papa soll weg." Ich beugte mich zu ihm runter und drückte ihn an mich. Wie schlimm musste es wohl für den Zwerg gewesen sein das ganze mit anzusehen. "Mama lieb"., flüsterte er in mein Ohr und ich spürte wie mir die ersten Tränen über die Wangen liefen. Ich hoffte, dass er nicht zu traumatisiert war, am liebsten würde ich mich jetzt um ihn kümmern, aber das ging nicht. Leo brauchte mich gerade noch viel dringender. "Du bleibst ganz lieb bei Oma und Opa bis ich zurück bin.", versuchte ich ihm so normal wie möglich zu vermitteln. "Okay", nickte er ernst mit dem Kopf. "Komm, Dani. Mama muss zu Leo." Meine Mutter umarmte mich auch kurz, ehe sie Dani auf den Arm nahm. "Dit wird schon, meene Schnute.", zog mich auch mein Vater in den Arm, ehe er mich zum Auto schob. "Wir kümmern uns um Dani und ruft mal an.", rief meine Mutter hinterher. "Wenn ick den in de Finger kriege, mach ick den fertich.", grummelte mein Vater vor sich hin. "Wir kümmern uns hier auch um alles.", riefen auch Lisa und Vicki. Franzi zu, die nur nickte, als Marco auch schon losfuhr. Ich schaute kurz aus der Seitenscheibe in unzählige schockierte Gesichter. Das war ein echter Albtraum. Wann erwachte ich endlich daraus? Ich drehte mich zu Leo neben mir, die krampfhaft ihre Zähne zusammenbiss. Sie musste unglaubliche Schmerzen haben. Die Tränen liefen ihr unablässig über die Wangen. Im Auto war es mucksmäuschenstill, nur ganz leise war Max Stimme zu hören, wie er Leo gut zu redete. Die Landschaft flog an der Scheibe vorbei, als ein rotes Licht aufleuchtete. "Mist.", grummelte Franzi. "Wie schnell?" "83", kam sofort die Antwort. "Scheiße, das bedeutet einen Monat Fahrverbot.", fluchte ich. "Das ist mir so scheißegal, Leo muss schnell ins Krankenhaus. Das ist wichtiger." Wieso war Marco mehr um meine Tochter besorgt als ihr eigener Vater, der sie schwer verletzt hatte? Roman hatte nicht einmal nach ihr geschaut. Eigentlich konnte ich immer noch nicht glauben, was passiert war. Auch wenn das mit der Tür ein Unfall und keine Absicht war, konnte ich nicht vergessen, was dem voran gegangen war. "Wir sind da." Marco hielt mit quietschenden Bremsen vor der Notaufnahme, als Max auch schon die Tür aufriss und aus dem Auto sprang. Ich riss auch meine Tür auf und folgte seinem Beispiel. Leo kletterte vorsichtig heraus und ihr Freund stützte sie zum Eingang. Franzi und ich stürtzten an ihnen vorbei zur Anmeldung. "Meine Tochter hat sich die Hand in der Tür gequetscht.", informierte ich die Schwester dort schnell, "Setzen sie sich bitte ins Wartezimmer und füllen das aus." Sie drückte mir ein Klemmbrett mit einem Vordruck und einen Stift in die Hand. "Aber sie müssen ihr sofort helfen.", begehrte ich auf. "Sie müssen das erst einmal ausfüllen.", ignorierte sie meinen Einwand einfach. "Das kann doch nicht sein.", meckerte auch Franzi los, als Max mit Leo neben uns auftauchte. Hinter dem Tresen erschien so ein Halbgott in weiß und zog sich die nächste Akte vom Stapel. "Heh, Sie da, meine Tochter braucht sofort Hilfe und ihre Mitarbeiterin hier, schiebt uns ab.", machte ich lautstark auf uns aufmerksam. Der Arzt hob seinen Kopf an und schaute uns an "Mensch Max. Was ist passiert? Kommt mit ins Behandlungszimmer," forderte er uns einmal auf und lief los. "So geht das nicht, Doktor Harderbrot. Erst muss die Anmeldung ausgefüllt werden. Und dann entscheide ich die Priorität.", widersprach die Schwester. Die sollte doch bloß ihre Klappe halten. "Wer ist hier der Arzt?", kam die knappe Antwort. Ich grinste sie an und lief hinter Max und Leo hinterher ins Behandlungszimmer, nachdem ich Franzi das Klemmbrett in die Hand gedrückt hatte. "Wie ist das denn passiert?" Der Doktor schaute auf Leos Hand und tastete sie vorsichtig ab. Ich zuckte zusammen als meine Tochter schmerzvoll aufzischte. "Ich habe sie mir in der Tür geklemmt.", gab sie dann leise von sich. Wieso nahm sie die Schuld auf sich? Ihr Vater hatte sie ihr eingeklemmt. "Da war aber ganz schöne Power im Spiel, so wie sie geschwollen ist. Gut, dass du gleich gekühlt hast, Max." Der Doktor wandte sich an mich. "Also erst einmal müssen wir röntgen. Ich habe die Vermutung , dass da etwas gebrochen ist. Max du kennst dich ja hier aus. Bringst du deine Freundin zum Röntgen." Max nickte und führte Leo hinaus. "Sie können in der Zwischenzeit ja den Anmeldebogen ausfüllen und wir sehen uns dann zur Besprechung, wenn wir die Röntgenbilder haben." Ich nickte und verließ den Behandlungsraum. Im Wartezimmer saß Marco mit Franzi über das Klemmbrett gebeugt. "So, das müsste alles sein," grinste sie,"Du musst nur noch unterschreiben." Ich setzte meine Namen darunter und wollte zur Anmeldung, als Marco mich zurückhielt. "Ich mache das, setze du dich mal hin." Erschöpft ließ ich mich auf den Stuhl gleiten, als mein Handy losscherbelte. Hektisch griff ich meine Jackentasche, Hoffentlich waren das nicht meine Eltern, weil etwas mit Dani war. Aber wahrscheinlich war es Roman, der wieder zu sich gekommen war und jetzt wissen wollte, wie es seiner Tochter ging. Jedenfalls würde ich es erwarten. Ich schaute gar nicht erst auf das Display sondern meldete mich gleich. "Hallo Mausi, wie ist das Turnier gelaufen?", scholl mir Marvins fröhliche Stimme entgegen. "Tiger, es ist alles eine totale Katastrophe.", brachte ich schluchzend heraus, ehe ich ihm alles erzählte. "Mausi du beruhigst dich jetzt. Leo braucht deine ganze Kraft." Ich nickte. Ja, da hatte er recht. Ich musste für Leo stark sein. Mein kleines Mädchen musste fürchterliche Schmerzen und Angst haben. "Hast du mich verstanden?" "Ja", antwortete ich schnell." "Gut, du gibst mir gleich Bescheid, wenn du mehr weißt." Wieder nickte ich, denn ich sah Max und Leo zusammen mit dem Arzt wieder im Behandlungszimmer verschwinden . Wortlos drückte ich Franzi das Handy in die Hand und lief los, als auch schon mein Name ausgerufen wurde. Als ich das Zimmer betrat, saß Leo auf der Liege und Max stand neben dem Doktor am Monitor und betrachtete die  Röntgenbilder. Auch wenn ich keinerlei medizinisches Wissen hatte, wusste ich, dass die Handknochen nicht aus soviel Einzelteilen bestanden. Mir wurde speiübel. Roman hatte nicht nur die Hand unserer Tochter gequetscht, sondern zertrümmert. Irgendwie fanden die Worte stationär und Operation den Weg in mein Gehirn, während alles andere an mir vorbei ging, "Kann Max bei mir bleiben?", flehte mich Leo an. Ich nickte. "Ich hole Sachen für dich und komme ganz schnell wieder ." Zum Abschied umarmte ich meine Tochter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, ehe ich wie ferngesteuert zurück zu Marco und Franzi lief. "Leo muss operiert werden. Ich muss Sachen holen. Max bleibt bei ihr." Die beiden nickten und standen auf. "Dann los. Das wird wieder." Franzi zog mich fest in die Arme. Als ich aufschluchzte, strich sie mir beruhigend über den Rücken. Ich konnte diesen Satz nicht mehr ertragen. Nichts wurde hier wieder. Aber wenigstens wusste ich jetzt, was ich zu tun hatte, dachte ich wütend.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt