Kapitel 120

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Die Kellertür klappte hinter mir zu. Perfekt, dann konnte ich ja meine Verrenkungen mit der Kiste in meinen Händen beenden. Es war unglaublich wie schwer Girlanden und dieser ganze Dekokram waren. "Gib mal her." Andi riss mir die Kiste aus meinen Händen. Wo kam der denn auf einmal her?  "Hallo Jasi." Carmen hüpfte auch ganz aufgeregt vor mir herum "Machen wir jetzt alles ganz toll für Danis Geburtstag?" Ich nickte. Bei so viel geballter Göbel-Power wurde man leicht überrollt. Obwohl ich ja zufrieden war, dass Carmen heute so fröhlich drauf war, denn ich hatte eigentlich mit einer deprinmierten, verheulten Kleinen gerechnet. "Wir waren eben auch noch für Dani ein tolles Geschenk kaufen. Weißt du, was wir gekauft haben? Wann kommt Dani überhaupt endlich aus dem Kindergarten?" Manno, war Carmen aufgedreht. Ich schaute zu Andi, der versuchte zu schmunzeln und mit den Schultern zuckte. Ihm war schon anzusehen, dass der heutige Tag ihm schwer fiel. "Marvin holt Dani gerade ab." "Juhu. Wie lange braucht er dafür?" Wieder hüpfte Carmen aufgeregt durch die Gegend. "So lange wie es dauert, Schnecke." "Ach, Papa. Du sollst mich nicht immer Schnecke nennen. Ich bin doch nicht langsam." Da musste ich ihr recht geben. Sie war wenn dann eine Turboschnecke mit Worpverstärker. Ich lief zu Andi und umarmte ihn. Wir hatten uns ja noch gar nicht richtig begrüßt und eine Umarmung konnte er heute garantiert gut gebrauchen. "Alles okay?" Ich spürte ein leichtes Nicken an meinem Haar und Arme, die mich gar nicht mehr losließen. "Es tut immer noch so scheiße weh." Andis Stimme zitterte und war so leise, dass Carmen es nicht hören konnte. Ich konnte mir nur ansatzweise vorstellen, wie schlimm es war, die geliebten Menschen zu verlieren. Mein Magen knotete sich zusammen. Was, wenn Roman daran wirklich schuld war? Ich hörte das Schließen an der Tür und dann das fröhliche Quietschen von Carmen "Da seid ihr ja endlich." Okay, dann war Marvin auch da. Das bedeutete, dass hier gleich wieder zwischen den beiden Kerlen die Luft brannte. Ich fragte mich echt, was das war. Und gerade heute brauchte Andi das bestimmt nicht. Ich hatte ihm auch so schon ansehen können, dass er seine ganze Kraft dafür brauchte, sich gegenüber Carmen seine Trauer nicht anmerken zu lassen. "Hey, Mausi." Marvin drückte mir einen Kuss auf die Wange "Bro." Er hielt Andi seine Hand zum Einschlagen hin. Hatte ich etwas verpasst oder hatte mein Hinweis, dass heute der Todestag war, ausgereicht? Na klar, Marvin war ja sehr empathisch. Wenn ich ihn nicht schon lieben würde, dann..... ja, was dann? Dann würde ich wie jetzt auch weiter in der Friendzone herumtreiben. "Und hast du denn Leo noch gerettet gestern?" Andi schaute mich grinsend an. "Ach hör mir doch auf. Ich habe mich zum totalen Volltrottel gemacht, weil sie sich in der Zwischenzeit schon versöhnt hatten. Auf der Rückfahrt habe ich dann noch drei Stunden im Stau gestanden. Ich war erst als alle schon geschlafen haben zu Hause. Nie wieder.", stöhnte ich. Obwohl, so,ganz stimmte das nicht. Marvin hatte noch auf mich gewartet. "Ja, und wenn sie jetzt anrufen würde, würdest du sofort wieder losfahren, richtig?" Ich zog meine Schultern hoch "Vielleicht." Marvin und Andi fingen an zu lachen "Ganz sicher.", kam es aus beiden Mündern und sie schlugen miteinander ein. Das wurde langsam beängstigend. Ich schaute zwischen den beiden hin und her. "Habe ich was verpasst gestern?" "Ja. Das war noch voll lustig im Schwimmbad.", lachte  Carmen. Ich schaute zu Dani, der nickte und nicht ganz so begeistert schien. "Ja, Papa und Andi haben eine Wasserschlacht gemacht als du weg warst. Und jetzt dürfen beide nicht mehr ins Schwimmbad hat der Bademeister gesagt." Was war das bitte für eine Wasserschlacht, dass es gleich Schwimmbadverbot gab? "Habt ihr Kinder ertränkt oder euch unsittlich gegenseitig die Badehosen heruntergezogen?"Ich schaute zu den beiden Männern, die etwas betreten schauten. "Nee Mama. Sie haben sich angebrüllt und gegenseitig geschupst und dann sind sie beide ins Wasser gefallen." Dani schaute mich ganz ernst an "Ja, voll auf so zwei dicke Omas mit ihren Schwimmnudeln.", gackerte Carmen, die das wohl ziemlich lustig fand. Dani fing an zu nicken "Und die haben dann damit Papa und Andi gehauen bis sie sie ihnen weggenommen haben. Das waren voll böse Omas. Oma Karin und Oma Dani würden so etwas nie machen." Da musste ich doch schmunzeln. Die beiden hätten den Kerlen mit Sicherheit auch die Leviten gelesen. Ich bündelte meine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Herren der Schöpfung, die immer noch bedröppelt schauten. "Wieso seid ihr im Wasser gelandet? Und wieso habt ihr euch angebrüllt?" "Naja, wir hatten da etwas zu klären." Marvin kaute auf seiner Unterlippe und hatte eine ziemlich gesunde Gesichtsfarbe. So zickig wie er gestern war, hatte ich in etwa eine Ahnung, worum ihr Streit ging. Nämlich um mich. Scheinbar konnte er es nicht verknusen, dass ich jetzt noch einen besten Freund neben ihm hatte und fühlte sich dadurch bedroht. Aber musste man deshalb zum Neanderthaler werden und alte Frauen ertränken? Solche Anwandelungen hatten Männer doch sonst nur, wenn es um die Liebe ging. Wollte ich wirklich alles wissen, was da abgegangen war? Nee, garantiert nicht. "Und jetzt habt ihr alles geklärt?", fragte ich argwöhnisch. In der Agentur und auch so, wäre es mit Sicherheit besser, wenn die Luft zwischen den beiden wieder rein wäre. "Klar, haben wir auf Männerart. Nicht wahr, Kumpel.", grinste Andi und Marvin nickte "Aber sowas von, Kumpel." Wieder schlugen die beiden miteinander ein. "Und wie darf ich mir das vorstellen?" So ein bisschen neugierig war ich ja schon "Naja, wir waren nach dem der Bademeister uns rausgeschmissen hat...." "Was übrigens ziemlich übertrieben und willkürlich war.",unterbrach Marvin Andi, der sofort zustimmend nickte "Da hast du Recht, Bro. Naja, jedenfalls waren wir noch mit den Kids bei Mecces, haben uns ausgesprochen und einen Verbrüderungsburger gegessen." "Ja, das haben wir, Bro", stimmte Marvin ihm zu. Im Moment war ich mir nicht ganz sicher, ob diese neue Bromance mich freuen oder lieber ängstigen sollte, so wie die beiden mich angrinsten. In meinem Kopf tauchte ein Bild auf, wie sie bei Mecces das Taschenmesser herausgeholt hatten, um ihre Finger anzuritzen und Blutsbrüderschaft zu feiern. "Habt ihr bei Mecces jetzt auch Hausverbot?", fragte ich sicherheitshalber. "Nö, nur im Schwimmbad." "Und auch nur für ein halbes Jahr. Da müsstest du mit den Kids zum Schwimmunterricht gehen." Beide klimperten mit ihren Wimpern. Also an diese Harmonie musste ich mich definitiv erst noch gewöhnen. Ich schaute zu der Girlande, die quer durch das Zimmer baumelte. "Die muss noch höher.", gab ich also Anweisung "Eben war sie noch zu hoch.", murrte Marvin "Weißt du noch, was du willst.", kam es auch von Andi. Beide standen jeweils in der gegenüberliegenden Ecke und versuchten die Papierschlange mühevoll an der Wand zu befestigen. Da es nicht die erste war, schien ihr Enthusiasmus für Dekoration rapide in den Keller zu sinken. "Wenn wir damit fertig sind, schuldest du mir aber ein Bier, Platte.", brummte Andi "Geht klar. Dann können wir auch gleich noch etwas zocken", kam die erfreute Antwort. So langsam fragte ich mich, ob mir ihr angespanntes Verhältnis nicht doch besser gefallen hatte. Eigentlich hatte ich mir nämlich einen gemütlichen kuscheligen Abend zusammen mit Marvin auf der Couch vorgestellt, bei einem schönen Glas Wein und einem Film. Andererseits tat es Andi bestimmt auch ganz gut gerade heute noch etwas Ablenkung zu haben. "Papa, darf ich dann bei Dani schlafen?" Carmen entging aber auch nichts. "Auja, Mama. Darf Carmen heute bei mir schlafen?" Dani kam sofort zu mir angehüpft und schaute mich bettelnd mit seinen großen braunen Augen an. "Na klar, und wenn es Bier beim Zocken gibt, bereite ich für dich auch schon einmal unser Gästezimmer vor.", wandte ich mich an den großen Blonden. "Ach, ich liebe Frauen mit Weitblick, Süße." Ich hielt kurz die Luft an. Ob das die neugewonnene Männerfreundschaft schon aushielt? Mein Blick ging zu Marvin, der nur grinste "Mache das mal, Mausi." Angst, jetzt bekam ich eindeutig Angst. Hinter mir raschelte es laut. "Ach, Wuff." Der Welpe hatte einen von den Lampions auf seinem Kopf und versucht ihn wieder loszuwerden. "Das passiert, wenn man seine Nase in alles hineinsteckt." Ich kniete mich zu ihm und zog ihm das Teil vom Kopf. "Dann muss das aber ein Weibchen sein und kein Rüde.", lachte Andi und Marvin stimmte sofort mit ein. Den beiden ging es eindeutig zu gut. Ich kniff meine Augen zusammen und starrte sie an "Ach Mausi, mache doch keine Schlangenaugen. Er hat doch recht. Normalerweise steckt ihr Frauen doch immer eure hübschen Näschen in alles." Ich verzog mein Gesicht. Das hübsche Näschen rettete ihn gerade noch einmal.  "Hey Pipi Langstrumpf, hey Pipi Langstrumpf." war auf einmal laut zu hören . "Carmen.", brüllte Andi auf einmal los und die Kleine verdrückte sich spontan in die Küche, während er in seine Hosentasche griff. "Das kleine Mistbiest hat doch schon wieder meinen Klingelton geändert." Er schaute auf sein Handy "Unbekannte Nummer." Nach einem Achselzucken meldete er sich. "Ja, danke. Ich komme sofort." Ich drehte mich zu ihm um und erschrak mich. Er war kreidebleich im Gesicht und sah total schockiert aus. "Das....das......das war die Polizei.", stotterte er los. Was bitte wollte die Polizei von ihm? "Bist du zu schnell unterwegs gewesen und bekommst jetzt den Pokal für den Raser des Monats.", lachte Marvin während er den Happy Birthday Ballon aufhing.  "Sehr witzig.", maßregelte ich ihn und schaute weiter besorgt zu Andi, der unter Schock zu stehen schien. "Sorry Andi, sorry Mausi." Marvin schaute auch zu Andi, der sich auf einen Stuhl hatte plumpsen lassen und ließ den Ballon los, der an die Decke segelte und lief zu seinem neuen Kumpel "Bro, was ist los?" "Die ....die Polizei hat gesagt, sie haben den Unfallfahrer. Wisst ihr, wie lange ich auf diesen Anruf gewartet habe." Der Täter war ermittelt. Ich musste schlucken und eine unbändige Angst machte sich in mir breit. Was, wenn es Roman war? Andi sprang von dem Stuhl auf und schlug mit seiner flachen Hand auf den Tisch "Fünf verpisste Jahre habe ich darauf gewartet, dass dieses Arschloch zur Rechenschaft gezogen wird. Und jetzt...." "Jetzt wird er dafür gerade stehen müssen." Marvin klopfte Andi leicht auf die Schulter "Nee, eben nicht, denn das ganze verjährt nach fünf Jahren." Das konnte doch nicht wahr sein. Trotzdem fühlte ich einen kurzen Anflug von Erleichterung. Wenn es Roman war, musste er wenigstens nicht mehr ins Gefängnis. Die Erleichterung verflog sofort wieder als ich Andis trauriges und wütendes Gesicht sah. "Der Arsch kann einfach so weitermachen ohne irgendetwas. Und Paula, mein Schwager und meine Eltern haben nicht die Chance mal eben wieder aus dem Sarg zu hüpfen." Wieder ließ er sich auf den Stuhl plumpsen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Ich lief zu ihm und schlang meine Arme um ihn, um ihn zu trösten. "Das ist doch alles Scheiße.", schluchzte er, ehe er tief durchatmete und von seinem Stuhl wieder aufsprang. "Ich fahre jetzt zur Polizei. Kann Carmen bei euch bleiben?" Ich nickte sofort. "Mausi, du fährst Andi. Ich passe auf die Kinder auf." Marvin zog mich kurz in seinen Arm "Er braucht dich jetzt.", flüsterte er mir ins Ohr. Abwesend nickte ich. Wie würde Andi auf mich reagieren, wenn wirklich herauskam, dass mein Exmann seine Familie tot gefahren hatte? Mir wurde ganz übel bei dem Gedanken. Trotzdem setzte ich mich artig in Bewegung, zog mir meine Jacke an  und griff meine Autoschlüssel

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt