Kapitel 164

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Ich saß über die lange Liste gebeugt und brütete.  Man, waren da viele Gäste zusammengekommen. Glücklicherweise bot unsere Location mehr als genug Platz. Trotzdem graulte es mich vor dem Sitzplan. Da gab es immer so viel zu berücksichtigen. Wer verstand sich mit wem, zum Beispiel. Oder noch viel wichtiger, wer verstand sich überhaupt nicht mit wem. Wer musste in der Nähe des Brautpaartisches berücksichtigt werden, und so weiter. Am besten schrieb ich alle Namen auf kleine Kärtchen. Das war doch die Idee. Also begann ich mit der Arbeit.... 
"Mama, was machst du denn da?" Daniel schaute neugierig auf den Teppich, wo ich begonnen hatte die ersten Namenskärtchen zu verteilen. "Ich puzzle an dem Sitzplan für die Hochzeit." Der Zwerg fing an zu strahlen "Darf ich auch mitpuzzlen? Wie lange dauert es noch bis zur Hochzeit?" Eigentlich sollte mich lieber ein anderer Herr in diesem Haus fragen, ob er mitpuzzlen durfte. Aber der hatte sich ganz klammheimlich verdrückt, als ich mit dem Thema Sitzplan angefangen hatte. "Klar kannst du mir helfen. Ich gebe dir immer die Karte und sage dir, wo du sie hinlegen musst." Dani nickte eifrig. "Und die Hochzeit ist in 35 Tagen." Das war echt schon ziemlich bald. Wenn ich daran dachte, was es noch alles zu erledigen gab, wurde mir ganz übel. Wenigstens hatte es aber so kurzfristig wirklich mit unserem gewünschten Termin geklappt. Ich hatte keinen Plan, wie Franzi das hinbekommen hatte. Bestimmt war da das eine oder andere Mal auch ihr in Dortmund immer noch sehr beliebter Nachname gefallen. "Wie viele Stunden sind das, Mama?" "Das sind 840 Stunden oder 50.400 Minuten oder 3. 024. 000 Sekunden." Mein Sohn riss seine Augen auf  "Aber Mama, das ist ja noch ohnenendlich lange." Ja, so unterschiedlich war die Zeitwahrnehmung. Was für ihn ohnendlich war, versetzte mich in Panik, weil ich Angst hatte nicht alles fertig zu bekommen. Meine To-do-Liste war nämlich fast noch einen Kilometer lang. "Dann lege mal die Karte da ganz außen hin." Ich deutete mit meinem Finger zu der Stelle. Das war nur meine dusselige Cousine. Die musste ich nicht gleich in meiner Nähe haben. Musste ich noch nie. Wir waren schon immer wie Feuer und Wasser. Meine Mutter hatte aber darauf bestanden sie einzuladen, weil sie doch zur Familie gehörte und sich seit dem Tod meiner Tante so verändert hatte. Da schlimmer ja nicht mehr ging, gab ich ihr also wiederwillig die Chance. Trotzdem musste man ja nicht gleich übertreiben. "Und die Karte kommt dorthin." Diesesmal zeigte ich in die Mitte, wo der Haupttisch stand. "Das ist Carmens Karte.", quietschte mein Sohn. Ja, den Namen konnte er schon lesen. "Klar, sie sitzt doch neben...." "Neben mir.", antwortete mein Sohn ganz bestimmt. Eigentlich sollte sie neben Andi sitzen und Dani neben mir, also auf der Seite, wo nicht Marvin saß. Ich rieb mit meinem Zeigefinger über mein Kinn. Vielleicht wäre ein Kindertisch die weitaus bessere Idee. Wenn Dani neben mir saß, fühlte sich nachher Delphie wieder zurückgesetzt und das wäre gar nicht gut. Außerdem saß sie dann auch mit Rosa, Stella und Luna zusammen. Vielleicht bekam sie ja so wieder viel mehr Lust auf Dortmund, denn ich hatte seit der Schweiz immer noch keinen Kontakt zu ihr. Und das war jetzt schon mehr als drei Wochen. Nie reagierte sie auf meine Nachrichten, die ich ihr auf ihr Handy schrieb. Es tauchten zwar immer die blauen Häkchen auf, aber mehr auch nicht. Erst dachte ich sie braucht vielleicht wieder etwas Zeit und ich wollte ja auch keinen Druck ausüben, aber so langsam fragte ich mich doch, was passiert war. Wenigstens wusste ich von Karin, dass es ihr gut ging. Trotzdem. Ich schluckte gegen den Kloß an...... ich würde nachher einmal mit Karin sprechen, dass sie versuchte herauszubekommen, was mit meiner Tochter los war. "Du hast recht, Carmen sitzt neben dir. Und ihr sitzt dort." Ich zeigte zu der Stelle, wo der Kindertisch hinkommen würde. Wenn ich dort auch Leo und die ganzen Älteren platzierte, dann war auch die Aufsicht der Zwerge gleich geregelt. Das war doch perfekt. Ich zog die nächste Karte vom Stapel. Franzi. Als Trauzeugin kam sie definitiv an unseren Tisch, genau wie unsere Eltern. Und Andi, der Marvins Trauzeuge war. Im Gegensatz zu mir hatte er ihn auch schon gefragt. Aber was sollte Franzi schon dagegen haben. Trotzdem. Ich griff mir mein Handy aus der Hosentasche und setzte eine kurze Nachricht ab. "Mama, wo soll die Karte denn nun hin?" Dani schaute mich erwartungsvoll an. Ich deutete wieder auf den imaginären Haupttisch und suchte in meinem Kartenstapel nach Marco, um ihn gleich dazuzulegen. Mir fiel Lisas Karte in die Hand. Wenn ich sie an den Tisch mit meiner Cousine setzte, dann hatten dort die anderen Tischgenossen wenigstens etwas Spaß.  Das war doch perfekt. Ich reichte Dani die Karte und deutete wieder in eine Richtung. Und Dogan und Mili an einem Tisch bedeutete auch für den Rest dort ein gewisses Unterhaltungspotential. War doch gar nicht so schwer, so ein Tischplan, wenn man so ein paar Sachen berücksichtigte. Das Klingeln an der Tür riss mich aus meinen Überlegungen. "Ich mache die Tür auf und du wartest hier. Wir machen gleich weiter.", wandte ich mich an meinen Sohn, der artig nickte. "Hey, Jasi. Was ist passiert?" Franzi stand völlig außer Atem vor mir. Was sollte passiert sein? Wieso schaute sie so verstört? "Du hast mir doch geschrieben, dass du noch dringend etwas mit mir besprechen musst." Ich musste schmunzeln "Ich habe dir geschrieben, dass ich dich bei Gelegenheit etwas fragen muss wegen der Hochzeit und wann du Zeit hast." Sie wischte mit ihrer Hand durch die Luft. "Ich sage doch dringend. So und jetzt lass mich rein, hier draußen ist es schweinekalt. Wir haben noch Januar und ich habe mich extra beeilt und keine Jacke angezogen." Sie rieb sich ihre Hände und schob sich an mir vorbei. "Dafür schuldest du mir erst einmal einen heißen Kakao." Um diese Forderung zu unterstreichen, lief sie geradewegs in die Küche. Dank unseres hochmodernen Heißgetränkeautomatens hielten wir keine zwei Minuten später Tassen in unserer Hand, aus denen kleine Dampfwölkchen stiegen und saßen damit am Küchentisch. "So, und jetzt hau raus, wo der Schuh drückt." Franzi sah mich neugierig an. "Naja, ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob du wieder meine Trauzeugin wirst." Warum riss sie denn die Augen so auf? "Ähm naja, ähm also." Warum stotterte sie und baute mehr ähms in den Satz als ihr Ehemann an seinen besten Tagen? Das beunruhigte mich jetzt aber ziemlich. "Willst du nicht?", fragte ich schockiert. Ich konnte mir einfach niemand anderen für diese Aufgabe vorstellen. "Das hat doch nichts mit wollen zu tun. Mensch Jasi, ich war beim letzten Mal auch deine Trauzeugin und das ist voll in die Hose gegangen. Ich will nicht wieder Unglück bringen. Du und Marvin, ihr gehört einfach zusammen. Du brauchst einen Glücksbringer und keinen Pechvogel." Meine Freundin schaute mich niedergeschlagen an. Das konnte sie ja gleich mal vergessen. "Wenn du denkst, dass du mit so einer lahmen Ausrede aus der Nummer rauskommst, hast du dich geschnitten. Dass das mit Roman schief gelaufen ist, lag garantiert nicht an dir. Da hätten wir Amor höchstpersönlich als Trauzeugen haben können und das hätte nichts gerettet. Und wenn Marvin und ich so super zusammenpassen, dann wird auch der Teufel in Person als Trauzeuge nichts gegen unser Glück ausrichten können." Franzi schnappte empört nach Luft "Hast du mich gerade den Teufel höchstpersönlich genannt?" Ich musste lachen, weil sie versuchte mich sauer anzuschauen und es ihr gründlich misslang. "Nee, ich habe nur versucht dir klarzumachen, dass das Quatsch ist, was du erzählst. Und wenn du dich weigerst, meine Trauzeugin zu werden, dann heirate ich halt nicht." Man, guckte die schockiert, ehe sie anfing zu grinsen "Dann muss ich mich dem Zwang ja beugen." Sie sprang auf und umarmte mich "Ich freue mich voll. Und du hast ja recht. Die Hochzeit mit Marvin ist schon seit fast zwanzig Jahren überfällig. Euch trennt nichts mehr." Wir stellten unsere Tassen in den Geschirrspüler und liefen wieder in das Wohnzimmer, wo Dani immer noch artig auf dem Teppich saß. Ich hörte die Tür schließen und Männerstimmen. "Mausi, wir haben Essen mitgebracht." Marvin kam gefolgt von Andi ins Zimmer marschiert. Sofort breitete sich ein Duft von Pizza aus. "Boah, riecht das lecker.", stöhnte Franzi neben mir "Mein Mittag ist schon zwei Stunden her. Was habt ihr denn alles?" Marvin kratzte sich am Kinn "Also mit dir hatten wir nicht gerechnet, sonst hätten wir zwei Pizzen mehr mitgebracht." Franzi sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an "Eine hätte ja genügt."  "Du kannst meine Lassagne haben.", bot ich also großzügig an. Ich mochte das Zeug im Moment nicht einmal riechen. "Im Ernst?" Franzi schaute mich schockiert an, griff aber nach dem ich genickt hatte sofort nach der Aluform, die Marvin auf den Tisch gestellt hatte. Andi reichte ihr noch einen Löffel, den er gerade aus der Küche geholt hatte und schmunzelte kopfschüttelnd als schon der erste Happen in ihrem Mund verschwand. "Aber Mausi, du musst doch auch etwas essen." Marvin öffnete seinen Pizzakarton und eine leckere Duftwolke stieg auf. "Nee, ich muss abnehmen, sonst passe ich nicht in mein Brautkleid." Franzi nickte nur und schob sich den nächsten Löffel in den Mund.  "Und ich mopse mir einfach ein Stück von deiner Pizza." Man, roch Marvins Teigfladen lecker. Ich griff einfach eine Ecke und biss genussvoll hinein. Yummi, war das gut. "Mausi, das ist Pizza Frutti di Mare " Er ging leicht beiseite, als erwartete er, dass ich das Essen sofort wieder ausspuckte. Pah, da konnte er lange warten, das war viel zu lecker. Ich biss erneut ab und schaute in drei schockiert dreinblickende Gesichter. "Was?", schmatzte ich mit vollem Mund und griff nach dem nächsten Stück. "Frutti di Mare. Klingelt es da? Das sind Meeresfrüchte. Du magst keine Meeresfrüchte." Franzi war die erste, die ihre Überraschung überwunden hatte. Ich zuckte mit den Schultern "Scheinbar doch." Warum schauten die denn immer noch so komisch? Und wieso scannte mich Franzi so ab? Egal, ich schob mir den nächsten Happen in den Mund. "Mama, schau mal, ich habe das Puzzle fertig. Ich habe alle Karten verteilt.", quietschte Dani begeistert und klatschte in seine kleinen Hände. Wie er war fertig?  Ich ging zu ihm und schaute über seine Schulter. Tatsache, er hatte alle Karten verteilt. Na, das würde ja was geben, schließlich konnte er ja noch nicht wirklich lesen.  Schnell überflog ich die Namen. Das.....das sah richtig gut aus. Ja, das konnte so bleiben. Keine Ahnung, wie er das gemacht hatte, aber das war perfekt. Ich zog mein Handy aus der Tasche und fotografierte die Sitzordnung schnell. Dann war der übelste Job auch schon erledigt. "Das hast du super gemacht, mein Schatz." Ich drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel. Grönemeyer hatte doch Recht. Kinder an die Macht.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt