Kapitel 108

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Ich sprang auf und rannte zur Tür "Wo warst du so lange. Ich konnnte dich die ganze Zeit nicht erreichen. Ein Glück, dass du jetzt hier bist, Tiger." Ich fiel meinem besten Freund erleichtert um den Hals, der mich sofort fest in seine Arme zog und an sich drückte, ehe er mir beruhigend über den Rücken strich. Ja, das war genau das, was ich jetzt brauchte. Wenn Marvin da war, würde alles wieder in Ordnung kommen, selbst wenn unser zu Hause futsch war. Wir würden einen Weg finden für uns und unsere Kinder, Hauptsache wir waren alle zusammen und gesund. Ich spürte wie mir eine Träne über die Wangen lief. Ich konnte mir ein Leben ohne die drei wirklich nicht mehr vorstellen. Manno, ich durfte nicht in meinen besten Freund verliebt sein. Das musste sofort aufhören, sonst suchte er nachher doch noch das Weite. Nee, das würde er doch niemals tun, oder? Egal, wir hatten jetzt ganz andere Probleme. Genau ihr, hörte ich meine innere Stimme. Und das schweißt euch noch mehr zusammen, plapperte sie gleich weiter. Aus, jetzt. Klappe halten. Ich hatte für solchen Mist keine Zeit.  "Was ist denn los, Mausi? Warum bist du denn so aufgeregt? Geht es dir wieder schlechter? Oder ist etwas mit den Kindern?" Marvin schaute mich besorgt an und strich mit seinem Daumen sanft meine Träne weg. "Es ist eine Katastrophe..." Das Klingeln an der Haustür unterbrach mich, noch ehe ich ihn überhaupt darüber aufklären konnte, dass heute die Versteigerung war. Super, und wie sollten wir das mit dem neuen Eigentümer klären, wenn Marvin noch aus dem Mustopf kam? Bevor ich mich überhaupt rühren konnte, lief er schon zur Tür und öffnete. "Wir kriegen den schon alle zusammen breitgeklopft.", zischelte Franzi mir zu. Ja, das war unsere einzige Chance. Vielleicht hatten wir ja Glück und der neue Eigentümer ließ sich gegen einen ordentlichen Aufpreis davon überzeugen, dass ihm ein anderes Haus doch viel besser gefallen würde. "Na, da bist du ja endlich." Marvin begrüßte den Besuch freundlich mit Schulterklopfen und Handschlag. Und es war eine weitere Männerstimme aus dem Flur zu hören. So wie sie sich duzten und begrüßten, musste es jemand sein, den er kannte. Erleichtert atmete ich auf. Okay, dann konnte es doch noch nicht der neue Eigentümer sein. Gut, dann hatten wir noch einmal etwas Zeit gewonnen, ehe es ernst wurde. Wichtige Zeit, um einen tragfähigen Plan gemeinsam auszuarbeiten. Erleichtert und erschöpft ließ ich mich auf den Sessel plumpsen. Die ganze Aufregung machte mich langsam k.o. Scheinbar war ich doch noch nicht so fit nach dieser blöden Grippe. Egal, wenn wir das Problem mit dem Haus gelöst hatten, konnte ich mich ausruhen. Jetzt musste ich aber fit sein. Ich straffte also meine Schulter und setzte mich aufrecht hin, als Marvin mit einem Kerl in seinem Alter fröhlich ins Zimmer marschiert kam. Irgendwie kam mir der bekannt vor, aber ich wusste nicht, wo ich ihn hinstecken sollte. Man, musste Marvin ausgerechnet heute Besuch einladen? Wo wir keine Zeit dafür hatten? Das machte er doch sonst nie. "Nik." Franzis fröhlicher Aufschrei riss mich aus meinen Gedanken und ich sah wie sie dem Besuch plötzlich am Hals hing, während Marco überrascht schaute und auch aufstand. Nik? Ja klar, das war Niklas Stark, ein früherer Mitspieler von Marvin bei der Hertha und Franzis bester Freund. Die beiden hatten ihren Kontakt nicht so schleifen lassen wie Marvin und ich und waren die ganzen Jahre über regelmäsig am Telefonieren und trafen sich mindestens einmal im Jahr, das wusste ich von Franzi. Sie hatte da auch mit Marco mehr Glück. Der fühlte seine Position durch den besten Freund nicht gefährdet, so wie Roman. "Mensch Stark, was machst du denn so unangekündigt hier?", stellte Marco genau die Frage, die mich auch gerade interessierte, während sie miteinander einschlugen. Ich musterte ihn, in den letzten 17 Jahren hatte er sich schon etwas verändert. Zu Franzis Hochzeit hatte ich ihn das letzte Mal gesehen, oder? Nee, es war zur Geburt von Max und Phil. Genau. "Ich musste meinem alten Kumpel hier aus der Patsche helfen.", grinste er nur und zwinkerte Marvin zu, der auch grinste. "Na, Jasi hast du endlich die Kurve bekommen und dich für den richtigen Kerl entschieden?" Ehe ich mich versah und mein Kopf rot anlaufen konnte, denn ich spürte die Hitze gerade erst in meinen Wangen aufsteigen, wurde ich in eine feste Umarmung geezogen. Hilflos schaute ich zu Marvin, der auch eine ziemlich gesunde Gesichtsfarbe hatte. Das war doch ein sicheres Zeichen dafür, dass es ihm peinlich war mit mir in Verbindung gebracht zu werden. Für ihn war und blieb ich halt die beste Freundin. Schöner Mist. Das piekste gerade ziemlich da, wo mein Herz war. Es gab aber momentan wichtigeres zu klären als meine Gefühlsverwirrungen, nämlich wobei musste Nik Marvin aus der Patsche helfen? Und was wurde aus unserem Haus? Wieder verstrich wertvolle Zeit um einen Plan zu schmieden. "So, jetzt lasst uns aber erst einmal ein bisschen feiern." Keine Ahnung, wo Niklas die zwei Flaschen Schampus hergezaubert hatte, aber ich war mir ganz sicher, dass es gerade nicht den geringsten Grund zu feiern gab. "Ein anderes Mal gerne, aber wir haben gerade andere Probleme..." "Ja", unterbrach mich Franzi während sie Niklas mit sich zum Sofa zog "Heute war nämlich die Hausversteigerung und ich hatte so einnen super Plan, aber mein Schwager diese Dumpfbacke hat alles gegen die Wand gefahren und im wichtigen Moment telefoniert." Nik hob seine Hand, um sie zu unterbrechen "Dann steckt ihr hinter der Hausverwaltung, die mich immer wie bekloppt überboten und den Preis in die Höhe getrieben hat?" Er schaute sie irritiert an "Man, war ich zufrieden, als dieser Scheißkerl kurz abgelenkt war und ich den Zuschlag bekommen habe." Ich sortierte in sekundenschnelle das Gehörte in meinem Gehirn "Dann bist du der neue Besitzer unseres Hauses?" Nik fing an zu lachen und nickte "Also genaugenommen habe ich das nur ersteigert, um es an euch weiterzuverkaufen. Marv hat mich mit ins Boot geholt, weil ihr ja für die Versteigerung gesperrt ward. Also dieser Schweizer Hampelmann ist doch echt das letzte. Aber was mich jetzt ärgert ist, dass wir ihm auch noch so viel Geld in den Rachen werfen, weil wir uns nicht abgesprochen haben. Sonst erzählst du mir doch auch immer alles Maus." Niklas schaute Franzi grummelnd an, die auch ihr Gesicht verzog. "Von wie viel Geld sprechen wir eigentlich?" Als ich die Summe hörte, musste ich schlucken. Das überstieg mein Budget um die Hälfte. Mist, ich musste sehen, dass ich noch einen Kredit bekam. Die Agentur lief eigentlich ganz gut. Hoffentlich gab das keine Probleme "Ich kann dir aber erst einmal nur die Hälfte zahlen.", meldete ich mich kleinlaut zu Wort. Nik winkte lässig mit der Hand ab und zeigte auf Marvin "Hat der schon alles bezahlt. Aus der Nummer bin ich raus. Ich musste nur als Strohmann ersteigern. Dein blöder Schwager hat mich aber echt zum Schwitzen gebracht. Wir waren nämlich die einzigen Interessenten." Ich schnappte schockiert nach Luft. Marvin hatte diese riesige Summe einfach so bezahlt? "Tiger, ich überweise dir gleich morgen den ersten Anteil und dann kümmere ich mich um den Rest." Mein bester Freund schaute mich merkwürdig an. War er wütend? Oder verletzt? Ich konnte es nicht deuten. "Mausi, wenn man nicht das ganze Geld zum Fenster rauswirft und es ordentlich anlegt und dazu noch arbeitet, dann kann man sich so etwas als ehemaliger Fussballprofi durchaus leisten, ohne gleich am Hungertuch zu nagen. Du überweist erst einmal gar nichts." Sein Ton war sehr bestimmend. "Ja, aber die Summe ist viel zu hoch und ich will dir das überweisen." Nein, ich wollte auf keinen Fall wieder in so einer Abhängigkeit enden. "Ich möchte nicht noch einmal vor dem Problem stehen wie bei Roman und hier ausziehen müssen, wenn ich es nicht will." So langsam wurde ich etwas sauer. Das musste Marvin doch verstehen. So sauer wie er mich anschaute, schien das aber nicht der Fall. "Vergleichst du mich gerade mit dem Idioten? Ich würde dich niemals dazu zwingen hier auszuziehen. Das solltest du aber wissen. Und ich möchte dazu ebenso wenig gezwungen werden. Ich will da genauso meine Sicherheit wie du." Was dachte er denn von mir? Ich würde ihn niemals rausschmeißen. Wir hatten uns mit vor der Brust verschränkten Armen gegenüber aufgebaut "Aber..." , begann ich wieder als Nik seine Arme um unseren Schultern legte und uns Richtung Sofa schob.  "Könntet ihr euren Zoff, wer was und wie viel bezahlt vielleicht auf später verlegen, auch wenn es überaus interessant ist euch dabei zu verfolgen. Aber jetzt ist erst einmal Zeit zum Feiern und mit dem Schampus abzustoßen." "Ja, da hat Nik recht. Die Köpfe könnt ihr euch später einschlagen, wenn wir weg sind. Obwohl vielleicht findet ihr ja auch eine andere Einigungsmöglichkeit. Zum Beispiel Heirat, dann gehört jedem die Hälfte und ihr spart die Anwalts- und Notarkosten für die Verträge und Eintragungen im Grundbuch.", zwinkerte Franzi uns zu. Sofort spürte ich wieder eine aufsteigende Wärme in meinen Wangen. Man, konnte die nicht nur ein einziges Mal ihre Klappe halten? "Genau das wäre doch ein perfekter Lösungsansatz und ein weiterer Grund anzustoßen." Klasse Nik und sie waren ja schon immer auf der gleichen Wellenlänge. "Wie auch immer, jetzt feiern wir erst einmal richtig, dass wir diesen Wichser ausgetrickst haben." Danke Marco für den Themenwechsel. "Aber irgendwie ärgert es mich schon, dass wir das nicht besser abgesprochen haben und er auch noch davon profitiert für seine Dreistigkeit." Da hatte Franzi auch recht mit. Aber im Moment war ich trotzdem erst einmal glücklich, dass wir nicht ausziehen mussten. "Ach, dann hat er doch wenigstens erst einmal wieder was flüssig, damit er Marshmallows und Tütüs kaufen kann.", lachte Marco  "Oder seine Lolitas aushalten kann.", brummte Marvin. Auch das war mir im Moment total egal. Wir mussten hier nicht weg, das war das einzige wichtige. Ich schaute zu Marvin. Eigentlich war Franzis Idee, dass jedem von uns das Haus zur Hälfte gehörte überhaupt nicht dumm. Das musste ich nachher wirklich mit ihm besprechen. Obwohl mir ihr weiterer Lösungsansatz dazu eigentlich auch sehr gut gefiel. Aber das war ja Quatsch. Marvin sah in mir nur seine beste Freundin und so würde es auch immer bleiben. Ich griff nach dem Champagnerglas, das Nik mir hinhielt. "Auf euch und euer Haus." Und dann klimperten auch schon die Gläser aneinander und in mir breitete sich ein ziemliches Glücksgefühl aus, auch wenn man nicht alles haben konnte, war wenigstens unser weiteres Zusammenleben gesichert, dachte ich erleichtert.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt