Kapitel 148

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Ich schaute angewidert auf den Teller vor mir und schob mit der Gabel das Stück Gänsebrust beiseite. Eigentlich sah die richtig gut aus, aber irgendwie hatte ich nicht den geringsten Appetit. Scheinbar war mir die Aufregung wegen Delphie auf den Magen geschlagen. "Ach, das war wirklich eine gute Idee von dir, das Essen hierher zu bestellen. Und dann noch Gänsebraten." Karin lächelte Marvin an, der das ganze organisiert hatte. Er war der Meinung, dass heute keine von uns Frauen in der Küche stehen sollte. "Ja, dit is doch och viel jemütlicha als in so eene Edelkneipe.", gab mein Vater zufrieden zwischen zwei Happen von sich. "Hast du kein Hunger?", fragte mich Marvin leise. War klar, dass ihm mein Gestochere nicht entgangen war. Ich schüttelte so unauffällig wie möglich den Kopf. "Nee, irgendwie will das heute nicht rutschen.", flüsterte ich zurück. Ehe ich mich versah, wanderte das Stück Fleisch ohne viel Aufhebens auf seinen Teller "Dann bekommst du meine Mousse. Die rutscht bestimmt." Hatte er gerade Mousse gesagt? Vielleicht sogar Schoko Mousse? Und ob die rutschen würde. Enthusiastisch futterte ich sogar noch das letzte Stück vom Kartoffelkloß.  "Wat macht ihr denn da schon wieda für Jeschäfte?" Man, warum musste meinem Papa eigentlich immer alles auffallen? Konnte der sich nicht nur auf den gebratenen Vogel vor sich konzentrieren?  "Ach Mensch, Chris. Lasse sie doch. Das ist nun mal so, wenn man verliebt ist." Karin grinste uns an. Ich hatte auch ein wenig Angst davor gehabt, wie sie wohl darauf reagierte, dass wir jetzt ein Paar waren. Schließlich ersetzte Marvin ja ihren Sohn. Aber so wie es aussah, hatte sie und auch Martin damit überhaupt kein Problem. Sie hatten sich wohl mit dem Ende der Ehe abgefunden "Das freut mich so, dass ihr zwei jetzt glücklich miteinander seid. Das war ja auch nur eine Frage der Zeit, bis ihr das endlich begriffen habt." Ups, selbst meiner Schwiegermutter war das also schon vor uns aufgefallen. Ich schaute zu Delphie, wie sie darauf reagierte. Ihr Blick war nur auf ihren Teller gebannt und sie schob ihre Gänsebrust auch beiseite. "Süße, magst du heute auch kein Fleisch?" Sie schüttelte genauso ihren Lockenkopf wie ich vorher. "Wir hatten gestern schon Gans mit Papa und die hat viel besser geschmeckt." Oh oh, das ging wohl mehr gegen Marvin als gegen die Gans. "Zum Nachtisch hat Marvin extra für dich Marshmallows besorgt." Vielleicht ließ ihn das ja in ihrer Gunst steigen. "Die esse ich nicht mehr. Papa hat gesagt da ist zu viel Zucker drin und wenn ich im Ballett Erfolg haben will, dann muss ich darauf verzichten." Von Leo kam ein abwertendes Schnaufen. "Ohne Zucker hat man aber keine Energie und in den Kartoffelklößen steckt auch Zucker." Manchmal fragte ich mich, wo Ella dieses ganze Wissen in ihrem Alter schon her hatte, das ihr jetzt nur einen finsteren Seitenblick meiner kleinen Tochter einbrachte.  Was mich aber viel mehr beunruhigte, war die Tatsache, dass Roman einem achtjährigen Mädel verbot Süßes zu essen, um es mehr zu drillen. Das konnte......nein, das durfte nicht sein. Klar musste man Kinder damit nicht mästen, aber eine Nascherei ab und zu war völlig in Ordnung. Genau das versuchte ich Delphie auch sofort zu erklären. "Nein, Papa hat gesagt, ich darf das nicht.", schüttelte sie beharrlich ihren Kopf. "Na dann muss ich die Dinger wohl futtern." Leo war aufgestanden und hatte aus der Küche einen Tüte geholt, die sie feierlich aufriss, ehe sie sich ein Marshmallow in den Mund stopfte und dabei genussvoll die Augen verdrehte. Ich musste grinsen als ich wieder zu Delphie schaute, die erst ihre Schwester und dann die Tüte anstarrte. Man sah richtig, wie sie mit sich kämpfte. "Ich mag auch einen.", quietschte Dani und griff zu. Ihm folgten auch Ella, Mika und Sascha. Und dann griff auch Delphie gierig nach der Tüte. Wie lange hatte sie wohl schon darauf verzichten müssen? Ich zwinkerte Leo dankbar zu, die nur grinste, während sich die Kleine schon den zweiten Marshmallow griff. "Wie läuft es  denn bei euch in der Schule?" Karin wechselte das Thema und schaute zwischen Leo und Sascha hin und her. "Also bei mir super.", grinste meine Tochter "Und bei den beiden auch, obwohl sie ständig die Hausaufgaben vergessen.", lachte Leo. Das brachte ihr ziemlich finstere Blicke von Mika und Sascha ein. "Wir haben die nur einmal vergessen.", grummelte Mika auch sofort mit einem vorsichtigen Seitenblick zu seinem Vater, der aber in ein Gespräch mit Martin vertieft war und alles gar nicht mitbekommen hatte. "Uns geht es wenigstens nicht wie Tessa.", murrte auch Sascha. "Wieso, was ist mit Tessa?" Da war ich schon neugierig. Franzi hatte gar nicht erzählt, dass ihre Tochter Schwierigkeiten in der Schule hatte. "Na ja, wenn sie nicht die Kurve bekommt, muss sie die Klasse wiederholen." Leo zuckte mit ihren Schultern. "Wieso weiß ich davon nichts?" Max schaute sie schockiert an "Ich kann ihr doch Nachhilfe geben." "Wann denn? Wenn du in Münster bist? Oder wenn sie beim Training ist? Sie hat total das Pensum angezogen, weil der Landesverband sie zu einem Lehrgang eingeladen hat.", nahm meine Tochter ihrem Freund den Wind aus den Segeln. Das hörte sich gar nicht gut an und ich fragte mich, ob meine Freundin das überhaupt wusste. "Du darfst sie aber nicht bei deinen Eltern verpfeifen.", warnte Leo ihn gleich noch mit zusammengekniffenen Augen, um ihrer Forderung mehr Nachdruck zu verleihen. Max sah alles andere als begeistert davon aus und schaute mich hilfesuchend an. Ich zwinkerte ihm zu. Gleich wenn wir wieder Zuhause waren, würde ich mit Franzi reden. Ich hatte schließlich kein Schweigegelübde von meiner Tochter auferlegt bekommen. Spontan wurde meine ganze Aufmerksamkeit auf zwei Glasschälchen mit Mousse-au-chocolat gezogen, die vor mir abgestellt wurden. "Danke, Tiger." Ich beugte mich zu Marvin und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. "Immer doch, Mausi." Um keine weitere Zeit zu verschwenden - obwohl ein Kuss von Marvin war nie verschwendete Zeit- griff ich meinen Löffel und tauchte ihn in die Mousse. Man, war die fluffig, schoss es mir durch den Kopf als sie meine Zunge berührte und eine wahre Geschmacksexplosion in meinem Mund in Gang setzte. Boah, war das lecker. Sofort war auch die leichte Appetitlosigkeit verschwunden. Warum gab es die nur in kleinen Glasschüsselchen und nicht in 10-Liter-Eimern?

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt