Kapitel 118

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Die Dämmerung setzte langsam ein und ich war gerade auf die Autobahn gefahren. Das war eine der Sachen, die mir am Herbst und Winter überhaupt nicht gefielen, dieses frühe Dunkelwerden. Noch weniger gefiel mir das, wenn ich Autofahren musste. Ich fuhr so ungern im Dunkeln und noch mehr hasste ich es dann auch noch Autobahn zu fahren. Aber Leo hatte mich im Schwimmbad angerufen. Ich schaute auf das Display im Armaturenbrett, das mit meinem Handy verbunden war. Ehe ich weiter überlegte, wählte mein Finger auch schon Leos Nummer aus. "Mama, wann bist du endlich da? Ich will hier weg. So schnell es geht.", schniefte es mir entgegen. Seit ihrem ersten Anruf vor 20 Minuten hatte sich also nichts geändert. "Maus, ich bin gerade auf die Autobahn gefahren. Ich musste mich doch erst noch schnell umziehen und dann war in der Innenstadt auch noch Berufsverkehr. " Marvin hatte ganz schön dumm geguckt, als ich ihm gesagt hatte, dass ich nach Münster musste. Wenigstens hatte ich aber vorher noch Dani und Ella zu ihren Erfolgen bei der Schwimmprüfung gratuliert. "Bitte beeile dich, Mama. Ich will weg sein, bevor Max zurück ist aus der Uni." Die Stimme meiner Tochter hatte sich von schniefig in bestimmt gewandelt. "Maus, was hat er denn so schlimmes verbrochen, dass du ihn so bestrafen willst?" " Mensch Mama, der ist die ganze Zeit nur in der Uni und ich langweile mich hier zu Tode." Das war alles? "Aber es war doch klar, dass er Uni hat." Was anderes fiel mir nicht ein, um mein Unverständnis auszudrücken. "Aber doch nicht von morgens bis abends. Und ständig ist er nur mit dieser Laura zusammen. Angeblich arbeiten sie an einer Projektarbeit. Das ich nicht lache. Oder heißt das Projekt vielleicht welche Auswirkungen haben zerwuschelte Haare auf Max Denkleistung? Ich lasse mein Training und alles ausfallen und der treibt sich nur rum und kommt mit zerwuschelten Haaren nach Hause. Und warum können sie sich nicht hier treffen, wo ich auch bin?" Ohoh, wenn meine Tochter in der Stimmung war, war nicht gut Kirschenessen mit ihr. "Maus, Max hat bestimmt nur an dem Projekt mit dem Mädel zu tun....." " Laura.", wurde ich sofort unterbrochen. Ich wusste gar nicht, dass man den Namen wie ein Schimpfwort aussprechen konnte. "Dann halt Laura. Er liebt dich über alles und würde dich nie betrügen. Sind denn da nicht auch noch andere an dem Projekt beteiligt?" Wieder ertönte ein geknurrtes "Doch." Sollte das jetzt heißen, es waren noch andere beteiligt? Oder sollte es heißen, doch er würde sie betrügen? Bei letzterem würde ich mit Engelszungen reden müssen, um sie von dem Blödsinn abzubringen. "Die anderen Pappnasen arbeiten auch daran, aber sie haben das ganze in Unterthemen aufgeteilt und arbeiten in Zweiergruppen, damit sie effektiver sind." "Das klingt doch logisch, so haben wir das damals auch manchmal gemacht.", versuchte ich ihr also den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Aber warum muss Max unbedingt mit dieser arroganten Kuh zusammenarbeiten?" Leo war definitiv eifersüchtig und fühlte sich nicht nur zu wenig berücksichtigt. "Vielleicht, weil sie geknobelt haben, um die Teams zusammenzustellen?" Es konnte doch tausend Gründe haben. Aber mit Sicherheit nicht den, dass er Leo betrügen wollte. Für mein Patenkind würde ich meine Hand ins Feuer legen. "Ja, vielleicht hast du recht.", gab Leo klein bei. Erleichtert atmete ich auf "Aber bestimmt hatte diese miese Stulle ihre Finger dabei im Spiel, so wie sie Max immer angafft. Das ist richtig ekelig. Die sabbert dabei fast so wie Wau, wenn er einen Ochsenziemer sieht." Zu früh gefreut. Trotzdem musste ich schmunzeln, denn vor meinem inneren Auge tauchte das Bild auf wie sich Leo garantiert gerade angewidert schüttelte. "Max lässt sich aber ganz sicher nicht anknabbern.", versuchte ich sie erneut zu beruhigen. Ich brauchte dringend einen Themenwechsel "Hast du denn nichts gefunden, womit du dich beschäftigen kannst, damit dir nicht so langweilig ist?" "Mama, ich habe schon die ganz Wohnung geputzt. Alles glänzt und blinkt. Ich habe sogar die Fenster geputzt und Gardinen gewaschen." Dann musste ihr wirklich langweilig sein, denn putzen war nicht gerade eine der Lieblingsbeschäftigungen meiner Tochter, was ich auch gut nachvollziehen konnte. Wer machte das schon wirklich gerne, wenn man auch andere Wahlmöglichkeiten hatte. Also ich jedenfalls nicht. Trotzdem fand ich es interessant, dass sie sogar zur vorbildlichen Hausfrau mutiert war. Taten wir Frauen das nicht immer besonders, um den Männern zu zeigen, dass wir die fähigste Frau waren, ihre Höhle sauber zu halten? Der nächste Schritt im Kampf um einen Mann war dann in aller Regel das Zaubern seines Lieblingsgerichts. "Ich habe heute sogar Spaghetti Carbonara gekocht." Okay, sie war schon bei Schritt zwei angekommen "Andrea hat sogar gesagt, dass sie perfetto waren." Ich konnte den Stolz in ihrer Stimme hören. Und sofort tauchte das Bild von meiner lächelnden Tochter auf. Ja, sie lächelte garantiert gerade. Wer war überhaupt Andrea? Ach klar, das musste das dritte Mädchen sein, das sie noch nicht kennengelernt hatte. "Ist denn diese Andrea nett? Vielleicht kannst du dich ja mit ihr anfreunden und was zusammen machen.", schlug ich also schnell vor.  Wenn sie jemand in Münster außer Max hatte, würden sich die Problene vielleicht schnell lösen."Hah, wie witzig." Warum war sie denn auf einmal wieder so grummelig? Hatte ich was Falsches gesagt? Und wenn was? "Wegen Andrea hatten Max und ich doch richtig Zoff." Musste ich das verstehen? Ehe ich nachhaken konnte, plapperte Leo schon etwas besser gelaunt weiter "Wusstest du, dass Andrea in Italien ein Jungsname ist?" Oha, ich hatte plötzlich eine Ahnung, was das Problem war. "Ja, das wuste ich.", antwortete ich schnell "Toll, nur ich war mal wieder zu blöd, das zu wissen.", grummelte meine Tochter schon wieder. "Ist doch aber auch bescheuert, wenn ein Junge eigentlich einen Mädchennamen hat. Da kommt doch keiner drauf. Ich habe das vorhin auch versucht Andrea zu erklären. Das war voll lustig, als er versucht hat das s an seinen Namen anzuhängen. Der konnte kein scharfes S sprechen nur ein sch. Andreasch.", Leo fing an zu gackern. Also wegen der Aussprache des Namens hatte sie ja wohl keinen Ärger mit Max, aber warum dann? Vielleicht sollte ich einfach abwarten, was meine Tochter noch zu erzählen hatte. Wenn ich die Warnblinker vor mir richtig deutete, würde ich hier auf der Autobahn wohl noch genug Zeit haben ihren Ausführungen zu lauschen. "Ich habe mich so gut mit Andrea unterhalten, wir hatten voll den Spaß. Ihm haben ja sogar meine Spaghettis geschmeckt. Und dann hat sich Max wie ein Höhlenmensch aufgeführt und ihn rausgeworfen, ehe er wieder in die Uni abgehauen ist. Weißt du, wie peinlich das war? Und alles nur weil Andrea meine Telefonnummer haben wollte, damit wir schreiben und uns wieder verabreden können." Also was die Eifersucht anging, hatten sich die beiden ja wohl gegenseitig nichts vorzuwerfen. "Und deshalb soll ich dich jetzt abholen?" "Ja....und weil es hier langweilig ist. Dann kann ich lieber zum Fussballtraining gehen oder zu Nelly in den Reitstall. Max vermisst mich doch sowieso nicht. Der hat ja seine Laura. Soll die ihm doch ein veganes Müsli anrühren. Die ist echt Veganerin. So sieht die auch aus. Igittigitt." Wieder hatte ich das Bild meiner Tochter, sich angewidert schüttelnd, vor Augen. "Am Samstag zu Danis Geburtstag bist du doch aber sowieso wieder zu Hause. Willst du es dir nicht noch überlegen?" Ich könnte ja noch wenden und wieder nach Hause fahren. "Auf keinen Fall. Ich bleibe keine Minute länger als nötig hier." Dann fuhr ich halt weiter. "Alles klar, das Navi sagt, dass ich in einer Dreiviertelstunde bei dir bin." "Sehr gut, beeile dich trotzdem bitte. Max ist in zwei Stunden aus der Uni zurück und da will ich schon weg sein." Gut fand ich das zwar nicht, aber wenn es ihr Wunsch war, würde ich meine Tochter nicht im Regen stehen lassen. Vielleicht konnte ich sie ja von Angesicht zu Angesicht noch überreden, auf Max zu warten. "Hast du denn auch alle Möbel abpoliert?" Was war das jetzt eigentlich für eine blöde Frage von mir? Wie war ich überhaupt darauf gekommen? Vielleicht, weil ich das damals als erstes gemacht hatte, als ich bei Roman eingezogen war. Man, war der begeistert gewesen. Das hätte mir schon zu denken geben sollen."Mist, das habe ich ganz vergessen. Aber das schaffe ich noch, bis du hier bist. CiaoKakao" Und dann hörte ich nur noch Stille in der Leitung. Kopfschüttelnd schaute ich auf den Verkehr vor mir, der sich gerade wieder in Bewegung setzte.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt