Ich hatte mich ohne Umwege in die Küche geschlichen. Das war der sicherste Weg, der Peinlichkeit zu entgehen. Ob Marvin wohl immer noch in meinem Bett schlief? Oder war er auch schon klammheimlich in sein Zimmer verschwunden? Wie würde er wohl reagieren, wenn er hier in die Küche kam? Mir schwirrten so viele Fragen in meinem Kopf herum. Man, warum musste heute auch noch Samstag sein? An einem normalen Wochentag könnte ich mich viel besser hinter meiner Arbeit verstecken und einer peinlichen Aussprache aus dem Weg gehen. Marvin hatte von einmal mit mir schlafen gesprochen. Das war doch deutlich genug. Wozu noch darüber reden. Er erwiderte meine Gefühle einfach nicht. Also jedenfalls nicht im gleichen Maße. Wie blöd musste man eigentlich sein, um sich auf so ein One-Night-Dingens einzulassen in meinem Alter? Und dann auch noch mit dem besten Freund! Ich könnte mir ja irgendwo hintreten. Ich war doch kein Teenager mehr auf Hormonen. "Hallo Mama." Dani kam gefolgt von Ella in die Küche marschiert. "Machst du uns Eierkuchen zum Frühstück?" "Au ja, bitte." Auch Ella schaute mich bettelnd an. Wie sollte ich da widerstehen? Außerdem war es auch eine gute Ablenkung. Ich schob meine leere Kaffeetasse beiseite und stand auf. "Dann deckt ihr schon einmal den Tisch." Auf ein zweifaches Nicken folgte, noch bevor ich das Rührgerät anstellte, klappernde Geschirrgeräusche. "Mmm, Eierkuchen." Mika kam zusammen mit Sascha in die Küche marschiert. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass mein Neffe - oder war er jetzt auch mein Ex-Neffe - bei uns übernachtet hatte. "Ja, setzt euch schon einmal an den Tisch. Ich bin gleich fertig. Kommen Leo und Max auch gleich?" Ich legte den nächsten fertigen Eierkuchen auf den Stapel neben mir. Bei der Anzahl an Leuten kam man nicht mit nur einer Pfanne aus. Ich hantierte mit vieren gleichzeitig. "Nee, nur Leo kommt.", hörte ich meine Tochter hinter mir grummeln, die scheinbar meine Frage noch gehört hatte. Verwundert drehte ich mich zu ihr um und schaute in ein Gesicht mit Schnute "Er hat es wegen der Projektarbeit mal wieder nicht geschafft aus Münster nach Hause zu kommen.",schmollte sie sauer. "Na ja Maus, das ist doch auch besser, dass er gestern Abend nicht mehr gefahren ist. Es hat doch wieder geschneit. Du willst doch bestimmt nicht, dass er auf den glatten Straßen unterwegs ist." Leo zuckte mit den Schultern "Nee, aber ich will auch nicht, dass er mit der blöden Laura zusammen ist. Sind die Autobahnen nicht gesalzen?" Ich musste mir ein Schmunzeln echt verkneifen. Meine Tochter war bis in die Haarspitze eifersüchtig. Dabei war ich mir sicher, dass das völlig unnötig war. Aber das war halt Teenagerliebe. Da war man nicht immer überlegt. Sofort flog mein Gedanke wieder zu dem nackten Kerl heute morgen in meinem Bett. Unüberlegtheit schien bei uns Bürkifrauen wohl in der Familie zu liegen. "Wo ist Papa überhaupt?" Ella schaute ihren Bruder an "Keine Ahnung. Vielleicht hat er verschlafen?" "Ist ja auch gestern ziemlich spät bei euch geworden.", zwinkerte mir Leo zu. Ich spürte wie mir die Hitze in die Wangen schoss. Mist, hatte sie etwa etwas mitbekommen? Das machte die Sache ja noch peinlicher. Wie stand ich denn dann vor meiner Tochter da? "Ich habe nur gehört, wie ihr gestern nach Hause gekommen seid und dann bin ich echt ins Koma gefallen." Sie schüttelte ihren Lockenkopf "Ich habe nämlich noch das Buch für Deutsch gelesen. Das war sowas von einschläfernd." "Du, Leo. Was kommt denn darin vor?" "Jaaa, kannst du uns eine kleine Zusammenfassung geben? Wir müssen doch heute zum Spiel und dann...." "Dann schaffen wir es gar nicht das zu lesen. Das ist doch schon zu Montag auf.", wechselten die beiden Jungs sich ab. "Warum habt ihr nicht auch gestern gelesen?" Leo blieb scheinbar hart. "Man, die Session ist doch morgen zu ende und wir brauchten noch dringend ein paar Erfahrungspunkte.", platzte es aus Mika. Wenigstens war er ehrlich. Und irgendwie musste es ja auch einen Vorteil haben, wenn die Kids alle gemeinsam in eine Klasse gingen. "Biiitttee.", flehten beide Jungs, als die Küchentür aufging und Marvin hereinmarschiert kam. Mist, wie sollte ich denn jetzt reagieren? Ich griff mir den Teller mit den fertigen Eierkuchen und lief zum Tisch "Da kommst du ja gerade rechtzeitig.", versuchte ich es einfach ganz neutral "Ja, ich wäre zwar lieber schon etwas früher gekommen, aber das hat sich nicht ergeben.", zwinkerte er mir zu und setzte sich auf seinen Stuhl. Schon wieder schoss mir die Hitze in die Wangen. Ich schaute schnell zu den Kindern. Erleichtert stellte ich fest, dass sie nichts von der Zweideutigkeit mitbekommen hatten. "Mama, kannst du am Montag mit mir zur Fahrschule gehen und mich anmelden?" Leo bestreute ihren Eierkuchen üppig mit Zucker "Ich möchte genauso wie Max den Motorradschein und das begleitete Fahren machen. Das ist doch okay, oder? Also können wir uns das leisten? Ich meine wegen gestern.", setzte sie vorsichtig nach und schaute mich unsicher an. "Ja klar, kannst du das machen." Es war wirklich traurig, dass meine Tochter Angst hatte, dass wir uns wegen der Scheidung nicht mehr alles leisten konnten. "Supi, dann kann ich nämlich auch ab und zu nach Münster fahren und nach dem rechten schauen, ohne dass du mich fahren musst.", grinste sie begeistert. Da wehte also der Wind her. Ob Max wohl so begeistert von den Kontrollbesuchen war? Wahrscheinlich schon, er hatte ja garantiert nichts zu verbergen. "Mama, am Dienstag ist doch der Mutter-Tochter-Tag in der Schule. Denkst du daran?" Ellas Blick zeigte ihre Unsicherheit. "Natürlich, steht ganz fett in meinem Kalender.", beruhigte ich sie "Wir können uns ja morgen zusammensetzen und schon einmal alles gemeinsam durchgehen. Was hälst du davon?" Ich hatte extra einige Autogrammkarten und andere Give aways von meinen Sportlern zurückgelegt. "Au ja.", strahlte sie mich begeistert an. "Ihr kommt doch auch heute Nachmittag zu unserem Spiel, oder?" Mika schaute in die Runde und erntete ein Nicken von allen. Ich überlegte kurz. Das war doch schon einmal gar nicht schlecht. Heute war erst Hundeschule und dann Mikas Spiel. Danach konnte ich Müdigkeit vorschützen und im Bett verschwinden. Morgen beschäftigte ich mich mit Ella und am Montag mit Leo. Dienstag wieder mit Ella. Die ersten Tage waren gerettet, um Marvin aus dem Weg zu gehen und uns diese Peinlichkeiten zu ersparen. "Mama", Dani schaute mich mit seinen großen Hundeaugen an "Am Mittwoch ist im Kindergarten Weihnachtsfeier. Kommst du da auch? Andi kommt nämlich auch." "Na, klar. Die lasse ich mir doch nicht entgehen." Dani nickte zufrieden "Ich spiele nämlich auf dem Telefon was vor." Leo begann zu lachen "Du meinst Xylophon." "Dann halt so, Schlaumeier.", brummte er. Ja, er war eindeutig viel mit Carmen zusammen. Prima, der Mittwoch war auch gerettet und am Donnerstag war sowieso Schwimmkurs ohne Marvin, da er ja noch Hausverbot hatte. Das war doch ein Anfang. Ich schaute zu ihm hinüber und bei seinem nachdenklichen Blick tat mein Herz sofort wieder weh. Bestimmt überlegte er gerade, wie er aus dieser ganzen verfahrenen Situation wieder herauskam. Man, warum konnte er nicht auch einfach mehr empfinden als nur Freundschaft? Und warum war uns dieser blöde Ausrutscher passiert, der alles so schwierig machte? Wollte ich die Erfahrung der letzten Nacht missen? Ich horchte in mich hinein. Auf keinen Fall. Trotzdem hatte ich keinen Plan, wie es funktionieren sollte, zum alten Alltag zurückzukehren. Wahrscheinlich war der beste Weg Abstand zu gewinnen. Die vielen Termine nächste Woche würden mir erst einmal helfen. Und für Freitag und das nächste Wochenende würde mir auch noch etwas einfallen. Ich schaute wieder zu Marvin, der mit Dani herumschäkerte. Scheinbar hatte er nicht solche Probleme das ganze einfach abzuhaken.
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...