Kapitel 179

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Ich drehte mich noch einmal vor dem Spiegel. Ja, das Kleid saß perfekt, genau wie die Frisur und das Makeup. Jetzt fehlte nur noch der perfekte Mann und dann konnte geheiratet werden. Auf der Treppe hörte ich Fußgetrappel und Geschnatter. Das hieß dann wohl, dass die Kinder fertig waren und sich im Wohnzimmer sammelten. Sie würden zusammen mit Lisa schon einmal ins Standesamt fahren und da auf uns warten. "Also, ich mache mich dann auch mal los." Die Bayerin umarmte mich herzlich. "Wir sehen uns gleich. Ich bin die mit der Kamera.", zwinkerte sie mir zu und verschwand aus dem Zimmer. "Und aufgeregt?" Franzi schaute mich forschend an. Ich zuckte mit den Schultern "Wie könnte ich nicht aufgeregt sein? Heute beginnt der Rest meines Lebens mit dem absolut perfekten Mann."  "Da hast du recht. Bei Roman damals warst du überhaupt nicht aufgeregt. Da war er es nur, der alle verrückt gemacht hat." Ich musste lachen "Oh ja, er hat seinen Bruder zweimal zum Tanken geschickt, damit auch ja der Tank voll war und das Auto auf dem Weg zum Standesamt nicht liegen bleibt." "Und nicht zu vergessen der Reservebrautstrauß. Wer braucht bitte einen zweiten Brautstrauß.", lachte Franzi und schlug sich mit der Hand vor die Stirn. "Was soll dem Teil schon passieren? Ich weiß nur, dass Marco fast verrückt geworden ist, weil er die ganze Zeit Angst hatte, dass das schweizer Bergrind Max und Phil auf die Finger tritt, weil sie herumgekrabbelt sind und er kopflos durch die Gegend marschiert ist" Ja, ich konnte mich noch gut an das Drama erinnern. Ein Glück war Marvin da anders gepolt. Er war heute morgen seelenruhig,  als wir aufgestanden waren. Na ja gut, vor dem Aufstehen waren wir schon noch ziemlich aktiv, aber man musste ja auch für die Hochzeitsnacht üben, so wie man den Hochzeitstanz auch übte. Es sollte ja nichts schief gehen. "Du grinst schon wieder total grenzdebil. An welche nicht jugendfreie Schweinerei denkst du denn gerade?" Franzi musterte mich. Manno, hatte die heute eigentlich ein Gedankenradar? "Ach nur daran, dass Marvin völlig relaxt aufgestanden ist." Das war ja nicht gelogen. Wieder zog ich einen Vergleich mit Roman. Für den war Sex während der Schwangerschaft echt ein Fremdwort. Na ja zum Ende unserer Ehe nicht nur während der Schwangerschaft. Es war ein Wunder, dass es überhaupt Dani gab. Ups, Marvin wusste ja auch noch gar nichts von dem Umstand. Na hoffentlich änderte er nicht auch seine Einstellung. Obwohl dann hatte ich ja das schlagende Argument, dass bis jetzt das ja auch nicht geschadet hatte. Wieder grinste ich zufrieden. "Weißt du wie sehr ich mich freue, dass du wieder so richtig glücklich bist." Franzi zog mich in ihre Arme "Ich bin so stolz auf dich, dass du das alles so konsequent durchgezogen hast.", schniefte sie. Hallo, wer von uns beiden war denn hier schwanger und ließ bei jeder Gelegenheit die Tränen kullern? "Danke dass du und Marco immer für mich und die Kinder da warst.", schniefte ich jetzt auch. Na, super. Egal, Lisa hatte gesagt, alles war waterproof. Von draußen hörte ich Motorbrummen. Dann waren die Kinder jetzt wohl unterwegs. Das erklärte auch die Stille im Haus. Quietschende Bremsen und das Knallen der Haustür durchschnitten die Stille wieder. Da hatte wohl einer der Gören was vergessen. Ja, so ein bisschen chaotisch waren wir schon. Franzi schaute auf ihre Uhr. "Na los, auf geht's." Ich drehte mich noch einmal zufrieden vor dem Spiegel und folgte ihr.  "Da seid ihr ja endlich.", wurden wir sofort von Andi im Wohnzimmer begrüßt, während Marvin ganz gechillt auf dem Sofa saß und vor sich hinstarrte. Jetzt riss er aber den Kopf hoch und schaute mich mit großen Augen an "Wow." War alles, was aus seinem Mund kam. "Ist das die Abkürzung für wahnsinnsheißes-oberhammergeiles-Weib?", fragte Franzi lachend und erntete nur ein Nicken, während mein Verlobter aufsprang und in Nullkommanichts bei mir war und mir seine Lippen auf meinen waterproof verschmiergesichert geschminkten Mund drückte. "Du siehst .....du siehst wunderschön aus.", nuschelte er an meine Lippen. "Du auch.", revanchierte ich mich und legte meine Lippen wieder auf seine. "So, jetzt habt ihr genug geknutscht. Abmarsch zum Standesamt, sonst wird das nämlich nichts mit der offiziellen Lizenz zum Knutschen.", unterbrach uns Andi, der nervös mit den Autoschlüsseln in seiner Hand klimperte. "Ihr habt es gehört, also Hoppihopp.", nervte auch Franzi. Ich drückte noch einmal ganz kurz meine Lippen auf Marvins. Das war schließlich mein letzter Kuss als unverheiratete Frau..... oder der vorletzte.....oder vorvorletzt. Im Standesamt mussten wir bestimmt noch etwas warten. Marvin griff nach meiner Hand und zog mich zur Tür. "Halt stop, der Brautstrauß.", fielen mir wieder die Worte meines Vaters ein und ich eilte Richtung Küche, wurde aber von Marvin gestoppt. "Andi holt ihn." Wieso schauten die beiden sich jetzt so an? Egal, keine Minute später drückte mir Andi Blumen in die Hand. Ich schaute mir den Strauß an. Der sollte etwas besonderes sein? Na ja gut, mein Papa war weder so der Florist noch der Botaniker, aber der Strauß sah für mich irgendwie mehr nach SOS-Tankstellenstrauß aus als nach einem ganz besonderen Brautstrauß . Egal, der Gedanke zählte. Obwohl Marvin eigentlich immer besonderen Wert auf schöne Blumensträuße legte, schließlich bekam ich ja jedes Wochenende einen von ihm. Schon komisch. Ich schaute zu Franzi, die auch ziemlich verdutzt guckte, als wir zum Auto liefen. Auf der Motorhaube prangte ein wunderschönes buntes Herz aus Gerbera. Momentmal, hatte mein Papa nicht gesagt, dass der Brautstrauß und das Autogesteck zusammenpassten? Ich schaute wieder auf die Halme in meiner Hand. Also wenn mein Vater heute nicht seine komplette Sehkraft eingebüsst hatte, dann stimmte hier irgendetwas nicht. "Mann, ich habe dir doch gesagt, dass sie das bemerkt.", maulte Marvin in Richtung Andi. Scheinbar hatte er wohl meinen Blick wahrgenommen. Aber was sollte hier bitte vertuscht werden? "Mausi." Marvin schaute mich total zerknirrscht an "Ich hatte einen ganz tollen Brautstrauß für dich bestellt. Der sah auch so wie das Herz aus. Und den hat Chris in die Küche gestellt." Ja, das war mir ja bekannt, also wo war das Problem, außer dass der Strauß in meiner Hand keinerlei Ähnlichkeit damit hatte. Also wenn das ein Herz war, dann sollte der Florist noch einmal mit einfachen geometrischen Formen anfangen. "Na ja und in dem Strauß waren so Grashalme und die haben die Katzen angelockt, die das Ding dann umgerissen und auf die Erde befördert haben.", griff Andi ein. "Und den Rest haben Wuff und Wau hingerichtet. Der Strauß war nicht mehr zu retten." Marvin schaute mich total betreten an. "Und damit du nicht ohne heiraten musst, Sweets, bin ich schnell zur Tanke gefahen." Dann war das vorhin das Klirren und ich wusste jetzt auch, wo die quietschenden Bremsen herkamen. "Ach, Tiger. Ich hätte dich auch ohne geheiratet.", lachte ich und schmiegte mich an ihn. Na hoffentlich war das ganze kein schlechtes Omen und heute passierten noch mehr Katastrophen. Egal, was passierte......es gab nichts, was mich davon abhalten konnte diesen wunderbaren Mann zu heiraten, der mir gerade galant die Autotür aufhielt.

Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt