Ich griff mir die Schlittschuh, die ich gerade von der jungen Blondine im Verleih erhalten hatte. Na, mal schauen, was ich auf dem Eis noch so zustande brachte. "Und wie war euer Tag in Bern?" Karin hatte sich neben mich auf die Bank gesetzt, während ich aus meinen Stiefeln geschlüpft war. "Es war sehr schön, aber auch sehr schwierig. Ich glaube aber wir sind einen Schritt voran gekommen." Ich ließ meinen Blick zu Delphie gleiten, die alleine auf einer Bank saß und vor sich hinstarrte. Wo war das süße Lächeln hin, dass sie vorhin noch hatte als Dani ihr ein Bild geschenkt hatte, auf dem sie als Prinzessin zu sehen war? Und warum saß sie dort nur und zog ihre Schlittschuh nicht an? "Das freut mich sehr.", riss mich Karin wieder aus meinen Gedanken. Vielleicht sollte ich das mit einer anderen Schule gleich einmal ansprechen. "Du sage mal, kann es sein, dass sie in ihrer Schule ein ziemlicher Außenseiter ist?" Karin nickte bedächtig mit dem Kopf "Diese Schule ist auf Grund des hohen Schulgelds nur dem Geldadel vorbehalten und der möchte gerne unter sich bleiben. Da zählt es nicht, dass du dir das Schulgeld leisten kannst, sondern auch wo du herkommst. Für diese Leute seid ihr neureiche Prolls." Ich schüttelte schockiert meinen Kopf "So kam mir das auch vor, aber warum tut Roman ihr das an?" In Gedanken fügte ich noch hinzu, besonders wenn er es sich wahrscheinlich nicht lange leisten kann. "Weil es die teuerste und seiner Meinung damit auch beste Schule ist." "Das ist doch aber schrecklich." Karin zuckte mit den Schultern. "Solange sie dorthin möchte, wird sich nichts ändern." Das war doch Mist. "Na, ihr zwei, was heckt ihr denn schon wieder aus?" Marvin drückte mir einen Kuss auf den Scheitel und setzte sich mit seinen Schlittschuhen in der Hand neben mich "Ach, es ging nur um Delphies Schule.", klärte ich ihn auf und schaute zu meiner Tochter, die immer noch genauso dasaß wie vorher. "Na los, zieh deine Schlittschuh an." Leo ließ sich neben sie auf die Bank plumpsen und auch Dani und Ella folgten ihr. "Ich darf aber nicht Schlittschuhlaufen." Sie starrte auf die Teile vor sich. Ich hatte das Gefühl, in ihrem Gesicht Wut und Enttäuschung zu lesen. "Wieso? Hast du Aua?" Dani schaute sie mitleidig an. Delphie schüttelte ihren Kopf. "Papa hat gesagt, ich darf das nicht, weil ich mich sonst verletze und nicht mehr zum Ballett kann." Dani schaute zu Marvin "Aber Papa, läuft doch auch." "Das ist nicht unser Papa.", kam es giftig von meiner Tochter. "Das ist wohl Papa.", beharrte Dani und funkelte sie mit seinen braunen Augen an. "Jawohl, ist er.", mischte sich auch Ella ein und strich dem Kleinen liebevoll über den Rücken. Ich wollte gerade aufspringen, um das ganze zu schlichten, aber Marvin hielt mich am Arm fest "Lasse sie das alleine klären." Nicht überzeugt setzte ich mich wieder und beobachtete das Ganze weiter. "Hast du denn Lust auf Schlittschuhlaufen?" Leo hatte ihren Arm um Delphies Schulter gelegt. Klar, wer könnte sich besser in die Lage von ihr versetzen als sie. Schließlich hatte Roman sie auch immer gedrillt und ihr alles mögliche verboten. Delphie schüttelte den Arm ab und nickte aber trotzdem. "Dann ziehe die Dinger jetzt an. Erstens weiß er es nicht, zweitens wenn du vorsichtig bist, verletzt du dich nicht und drittens bist du hier, um mit uns Spaß zu haben. Zur Sicherheit kannst du ja so einen Pinguin vor dir herschieben, dann passiert garantiert nichts." Leo zwinkerte ihr zu und erntete einen Blick aus zusammengekniffenen Augen "Ich kann Schlittschuhlaufen. Ich brauche so ein blödes Teil nicht. Ich kann sogar Pirouetten." "Na, dann zeige es uns doch." Ja, das Herausfordern war eine bewährte Taktik, die meine große Tochter da gerade anwandte. Und sie schien zu funktionieren, denn Delphie schlüpfte schnell in die Schlittschuh "Das werde ich auch.", funkelte sie ihre Schwester trotzig an, die nur zufrieden grinste. "Siehst du, sie schaffen es auch ohne dich.", schmunzelte Marvin und griff sich meine Hand "Und wir beide laufen jetzt zusammen ein paar Runden." Auja, händchenhaltend auf der Eisbahn laufen. Das hatte ich mir schon immer mal gewünscht.
Okay eine viertel Stunde später stellte ich fest, dass das Eis zu zweit nicht weniger gefährlich war als alleine. Aber ich war wenigstens relativ weich halb auf Marvin gelandet. "Mausi, hast du dir wehgetan?" Er musterte mich besorgt. Ich schüttelte meinen Kopf. "Menschenskinder steht uff, dit is doch hier keene Liegewiese.", hörte ich meinen Vater lachen, der flott an uns vorbeilief. Hatte er nicht Knieprobleme? Heute scheinbar wohl nicht. "Na los Mausi. Du hast deinen Vater gehört." Marvin versuchte sich unter mir hervorzuwurschteln. Ich hielt ihn fest. Da gab es nämlich noch etwas, was ich mir schon immer auf der Eisbahn gewünscht hatte. Ich drehte mein Gesicht zu ihm und begann ihn zu küssen. Ja, genauso hatte ich mir das immer vorgestellt. "Mama und Papa küssen sich.", hörte ich aus der Ferne Ellas piepsige Stimme. Sie lief natürlich die ganze Zeit mit Dani, der so einen Stützpinguin vor sich herschob. Es war ja auch sein erstes Mal Schlittschuhlaufen. "Das ist nicht deine Mama. Das ist meine Mama.", fauchte Delphie sie an. Ich öffnete meine Augen wieder und versuchte schnell aufzustehen, um dazwischenzugehen. Wieder hielt Marvin mich zurück "Wenn das irgendwann funktionieren soll, müssen sie ihre Kämpfe alleine austragen. Glaube mir." "Aber.." Ich war da nicht so überzeugt. Delphies Aufenthalt bei uns stand irgendwie auf gläsernen Füßen und ich wollte doch, dass sie gerne wieder zu uns kam. "Nichts aber. Wer war hier Einzelkind und wer hatte Geschwister?" Man, was konnte ich denn dafür, dass meine Eltern mit mir genug hatten? Ich überlegte kurz. Klar, meine Freundinnen hatten sich auch oft genug mit ihren Geschwistern gezofft und da waren ordentlich die Fetzen geflogen. Vielleicht hatte er recht. "Aber Ella und Delphie sind keine Geschwister", gab ich zu bedenken. "Noch nicht, aber bald.", zwinkerte er mir zu. "Und mein Bruder.", hörte ich Delphie schon wieder fauchen. Ich schaute zu den Mädels, wie sie sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegenüberstanden. Oh oh, wären es Jungs würde ich im nächsten Moment die Fäuste fliegen sehen. "Eh, das ist mein Pinguin.", kreischte Dani auf und jaulte dann mitleiderregend. Mein Blick schoss genau wie der, der Mädchen in die Richtung. Scheinbar war er alleine weitergelaufen, während die beiden Streithähne ihr Blickduell gestartet hatten. Jetzt saß er jedenfalls auf dem Eis und dicke Trännen kullerten über seine Wange, während ein größerer Junge grinsend mit dem Pinguin davonschob. Ich versuchte so schnell wie möglich aufzustehen, um zu meinem Zwerg zu kommmen und ihn zu trösten. Man, warum war Eis so verflucht glatt? Endlich hatte ich das Aufstehen mit Marvins Hilfe geschafft und wir beeilten uns zu Dani zu kommen, der immer noch heulend mit seinem Finger auf den Jungen zeigte, der gechillt durch die Gegend lief. "Hast du dir weh getan?" Ellla und Delphie sprachen wie aus einem Mund und sahen beide sogar gleich besorgt aus. Ich musste genau wie Marvin schmunzeln, der sich zu Dani kniete "Alles okay, mein Großer?" Danie nickte "Aber mein Pinguin." Das nächste, was ich hörte war ein Kratzen von Schlittschuhen auf dem Eis. Was machten die Mädels denn jetzt? "Eh, lasst den Pinguin los.", hörte ich dann einen Jungen brüllen. "Das ist der von meinem Bruder.", fauchte ihn Delphie an, während Ella das Teil festhielt. "Macht euch vom Acker, ihr Heulsusen und geht wieder zu dem kleinen Jammerlappen." Marvin hatte den immer noch schniefenden Dani auf dem Arm genommen, während ich immer noch die Mädels beobachtete. "Dani ist keine Heulsuse.", protestierte Ella und riss an dem Pinguin, den der Junge immer noch krampfhaft festhielt. "Wie hast du meinen Bruder genannt?" Delphie schupste ihn an der Brust. "Jammerlappen, oder warum heult er so? Das Baby kann ja nicht einmal ohne Stütze laufen " Der war echt dreist und wie konnte jemand in dem Alter so hämisch lachen? Der war höchstens ein oder zwei Jahre älter als die Mädels. Was war das überhaupt für ein Kind sich an einem Fünfjährigen zu vergreifen? Ich spürte wie es mir in der Hand juckte, dem eine zu schmieren. Scheinbar hatte Delphie das gleiche Empfinden, den sie holte aus und dann klatschte es laut. "Eh, du blöde Kuh.", kreischte er auf und rieb sich mit seiner einen Hand die Wange. Das nutzte Ella und zerrte an dem Pinguin. Auch Delphie griff zu und gemeinsam entrissen sie ihn ihm, während er auf den Hintern plumpste. "Gucke mal, das Baby kann nicht ohne Stütze laufen.", lachte meine Tochter los "Was für ein Jammerlappen.", kicherte auch Ella und hielt Delphie ihre Hand hin, die überrascht abklatschte. Gemeinsam schoben sie den Pinguin wieder zu Dani, der sofort auf Marvins Arm zu strahlen anfing. Keine Minute später stand er wieder auf dem Eis und hielt sich an dem Teil fest. Ich spürte wie Hoffnung in mir aufstieg, dass Delphie sich doch wieder zu unserer Familie dazugehörig fühlte. Das eben war doch schon ein Fortschritt. "Lauft ihr jetzt mit mir zusammen?" Dani schaute mit Bettelblick zu den beiden Mädels. "Ihr seid doch meine Schwestern." Bei dem Wort Schwestern zuckte Delphie zusammen und zeigte mit ihrem Finger auf Ella. "Sie ist nicht deine Schwester." "Bin ich wohl.", zickte sie sofort zurück. "Bist du nicht. Ich bin seine Schwester." Delphie verschränkte ihre Arme vor der Brust und funkelte Ella an. "Und ich auch.", hielt die dagegen. "Mein Papa heiratet seine Mama und dann bin ich ganz offiziell seine Schwester. Das nennt man nämlich Stiefgeschwister. Und du bist dann auch meine Schwester." Erklärbär Ella nickte selbstbewusst mit ihrem Kopf. Da fehlte nur noch das Zunge rausstrecken. "Nee, bist du niemals, weil ich bei meinem Papa in der Schweiz bleibe und nichts mit euch zu tun haben will." Meine Tochter drehte sich einfach um und lief los. Das war der Moment, in dem sich meine Hoffnung auf eine glückliche Familie leise wieder verabschiedete. Man, was sollte ich nur machen, um Delphie zurückzugewinnen?
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Ein Schuss und Treffer im Freundschaftsspiel ✔Teil 6
RomanceJasmin ist seit über 15 Jahren eigentlich glücklich verheiratet. Aber eben nur eigentlich. Und auch mit den drei Kindern läuft nicht alles wie es sollte. Dazu kommt noch jede Menge Arbeit in ihrer Agentur. Trotzdem ist ja doch alles ziemlich bequem...