Kapitel 54

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•Wincent•

~1 Woche später~

Von der Suche nach Emilia gab es nichts Neues. Die Polizei sagte uns, dass sie mit Hochdruck daran arbeiteten. Aber für uns war es einfach zu wenig und es ging einfach zu langsam voran. Wir hatten seit dem Tag seit Emilia weg ist kaum geschlafen. Mia hatte durchgängig geweint und ich selbst wusste auch langsam nicht mehr wie ich meine Frau trösten sollte. Während Mia weinte, wurde ich langsam aber sicher emotionslos. Die einzige Emotion die ich zeigte war Wut und zwischendurch pure Verzweiflung. Wut auf die Polizei, Wut auf die Menschen die ein dreijähriges Kind entführen mussten und Wut auf uns, das uns sowas passieren konnte. Ich zog mich oft zurück ins Büro und zerbrach mir den Kopf über das Wieso und Warum. „Hier ist Weiß, haben sie schon Informationen? Irgendetwas gefunden?" rief ich mal wieder den zuständigen Beamten an. „Guten Tag Herr Weiß." Seufzte dieser leise. Ja möglicherweise hatte ich in den ersten 7 Tagen des Öfteren schon angerufen. „Ich kann ihnen noch nicht viel mehr sagen als gestern schon. Es tut mir leid. Aber wir geb...", „Ja jaa ihr gebt euer Bestes. Ich weiss. Aber es kann doch nicht sein, dass von den Entführern einfach nichts kommt!! Warum stellen die keine Forderungen?!" sagte ich und war bereits völlig verzweifelt. Der Beamte redete mir, mal wieder gut zu. Sagte mir noch einmal was sie taten aber nichts davon beruhigte mich. Ich legte völlig frustriert auf und strich mir durch die Haare und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. „Mäuschen wo bist du?" murmelte ich und spürte einen riesen Klos im Hals den ich aber sofort runterschluckte als es an der Tür klopfte.

„Wincent, ich würde dann jetzt Feierabend machen. Und schau bitte mal nach Mia." Sagte Hanna leise und sah mich an. Ich nickte und drehte mich zu ihr. „Ist gut. Komm gut nach Hause." Sagte ich zu ihr und war nach diesem kurzen Gespräch wieder völlig alleine. Auch unserer Nanny ging es nah und sie fühlte sich schlecht, weil es passierte als die Kinder in ihrer Aufsicht waren. Wir haben ihr aber schon oft versucht klar zu machen, dass es nicht ihre Schuld war. War es doch nicht? Oder? Ich hatte keine Ahnung was richtig oder falsch war. Emilia war seit 7 Tagen weg und hier lief alles aus dem Ruder. Ich wusste nicht, wie lange ich noch in meinem Büro sass, seit Hanna nach Hause ging. Aber irgendwann stand ich langsam auf und ging ins Esszimmer. Ich blieb unschlüssig stehen und machte mich dann auf den Weg in die Küche. Irgendwie hatte ich Hunger, aber irgendwie doch nicht. Mein Magen konnte gerade mit viel Nahrung nicht umgehen. Aber ein halbes Sandwich kriegte ich dann doch runter. Den Rest stellte ich in den Kühlschrank und ging dann Gedankenverloren ins Wohnzimmer. Da fand ich Mia. Sie stand am grossen Fenster, starrte auf unseren Garten und sah einfach nur mies aus. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich nicht auf meine Frau geachtet hatte. Ich ging langsam zu ihr und blieb hinter ihr stehen. „Hey..." sagte ich nach einem Räuspern. „Hi..." kam murmelnd von Mia und ich sah, wie sie ihre Arme noch mehr um sich selbst legte. „Ist dir kalt?" fragte ich leise und kriegte nur ein leichtes Nicken von meiner Frau als Antwort. Ich ging zum Sofa und holte die grosse Wolldecke und stellte mich wieder hinter sie. Ich legte die Decke erst um mich und schlang dann meine Arme um den zierlichen Körper meiner Frau und schloss sie so in die Decke mit ein.

Kaum hatten wir Körperkontakt, entfuhr Mia ein Schluchzen und bei ihr brachen wieder alle Dämme. Ich merkte, wie ich meine Emotionen und Gefühle wieder hinten an stellte um für Mia da sein zu können. Die letzten Tage musste sie zu viel mit sich selbst ausmachen, während ich genau dasselbe mit mir selber tat. Ich drehte sie zu mir, legte meine Arme und die Decke wieder fest um sie und drückte sie an mich. Ich versuchte meiner Frau Halt zu geben. Ich konnte nichts sagen, ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich würde mir ja selbst nicht glauben, wenn ich sagen würde, dass die Polizei Emilia finden würden. Dass es ihr hoffentlich gut ging. Ich konnte das einfach nicht aussprechen, auch wenn dies meine grössten Hoffnungen waren. Mia schluchzte herzzerreissend und hielt sich an meinem Pulli fest. „Warum tut man sowas?" weinte sie an meiner Brust. „Ich weiss es nicht." Sagte ich leise und legte meinen Kopf auf ihren und sah aus dem Fenster. „Wieso immer wir..." flüsterte Mia und vergrub ihr Gesicht in meinem Pulli und weinte. Ich würde ihr so gerne Antworten geben, vor allem solche, die sie stärken würden. Die ihr sagen würden, dass wir Emilia bald wieder zurück haben würden. Aber niemand wusste wo sie war, warum sie weg war und wie es nun weiter ging. Es führte einfach keine Spur zu unserer Tochter und vor allem kannte niemand das Motiv der Entführer. Mia und ich standen noch eine ganze Weile so da und irgendwann hatte es wieder begonnen zu schneien und ich sah einfach zu, wie die Flocken sich langsam und sanft auf den bereits liegenden Schnee sinken liessen.

Mittlerweile war es bereits mitten in der Nacht und Mia und ich lagen im Bett. Wir machten beide kein Auge zu, redeten nicht miteinander. Wir lagen einfach nur schweigend im Bett und starrten vor uns her. Irgendwann drehte ich meinen Kopf in Mias Richtung, sie hatte mir den Rücken zugedreht. Ich hätte ihr, Nähe geben können, Wärme und vielleicht damit auch Geborgenheit. Aber ich tat es nicht. Auch sie suchte meine Nähe nicht, wir zogen uns beide voneinander zurück und beide versuchten wir das ganze mit uns selbst auszumachen. Ich schloss dann irgendwann doch meine Augen, aber ich schlief nicht. Vielleicht döste ich etwas, aber Schlaf war das auf keinen Fall. Ich öffnete meine Augen wieder, als ich unsere Schlafzimmertür hörte und sah gerade noch, wie Mia den Raum verliess und die Tür zu zog. Wahrscheinlich sah sie nach Leon, das machte sie öfters, wenn sie nicht schlafen konnte. Aber als sie nach einer halben Stunde nicht zurückkam, wurde ich dann doch neugierig wo sie war. Ich stand auf und ging zu Leons Zimmer. Doch da war sie nicht. Der Kleine lag friedlich schlummernd in seinem Bettchen. Dann ging ich an Emilias Zimmer vorbei und aus Gewohnheit, sah ich auch da ins Zimmer. Aber als ich ein leeres Kinderbett ansah, spürte ich einen heftigen Stich im Herz. Mir schossen Tränen in die Augen, aber ich blinzelte sie wieder weg und den Klos im Hals schluckte ich runter. „Nicht heulen Wincent! Das hilft niemandem." Sagte ich leise und atmete tief durch. Ich stieg dann die Stufen runter und sah ins Wohnzimmer, aber da war es dunkel. Da schweifte mein Blick zum Büro und da sah ich, wie Licht brannte. Leise ging ich dahin und sah durch den kleinen Spalt der offen war und sah Mia wie sie auf dem Sofa sass und ein Foto ansah. Immer wieder wischte sie sich die Tränen weg und als ich diesen Anblick nicht mehr aushielt, schob ich die Tür auf.

Schweigend setzte ich mich zu Mia und nahm sie in den Arm. Sie hatte ein Foto von Emilia in den Fingern. Es war eins von letztem Monat, von ihrem dritten Geburtstag. Sie strahlte in die Kamera und ihr Gesicht war vollgeschmiert mit Schokokuchen. Ich musste etwas schmunzeln, ich durfte sie danach sauber machen und sah etwa genau so aus. Aber das Lächeln verschwand sehr schnell als ich Mias Worte hörte. „Sie fehlt mir so sehr." Weinte meine Frau. Ich nahm ihr das Foto aus den Fingern und legte es auf den Bürotisch. Dann setzte ich mich wieder zu ihr und zog sie in meine Arme. „Mir auch." Sagte ich leise. „Wincent, was wenn sie..." begann Mia und da fiel ich ihr sofort ins Wort. „Stopp! Nicht aussprechen. Schon gar nicht daran denken!" sagte ich und sah Mia an. Mia presste ihre Lippen aufeinander und sah mich aus ihren traurigen Augen an. „Wir werden sie zurückkriegen und wenn ich sie selber suchen muss." Sagte ich leise und wieder unterdrückte ich meine Tränen. Mia bemerkte dies natürlich sofort und wollte mir über die Wange streichen, doch ich drehte mein Kopf leicht weg. Hätte sie mich so berührt, wären alle Dämme gebrochen und das wollte ich nicht. Ich zog sie einfach an mich ran und hielt sie fest.

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt