Kapitel 77

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•Wincent•

Letzte Nacht war sehr unruhig. Mia träumte ständig irgendetwas von Emilia und schreckte immer wieder hoch. Ich hatte kaum ein Auge zu getan um Mia immer wieder beruhigen zu können, wenn sie wieder aufrecht im Bett sass. Sie war sehr aufgeregt auf den Termin bei der Polizei. Auch mir ging dieser Termin ständig durch den Kopf und meine Hoffnung wuchs von Stunde zu Stunde, dass sie uns gute Nachrichten überbringen würden.

„Ich bin so müde." Murmelte Mia neben mir auf dem Beifahrersitz als wir bei unserem Babysitter ankamen. Meine Mutter musste arbeiten und hatte keine Zeit, also mussten wir auf Basti zurückgreifen und das passte mir so gar nicht. „Wenn wir alles hinter uns haben, kannst du schlafen gehen." Sagte ich zu ihr und sah sie an. Wir stiegen dann aus dem Auto und bepackt mit Kind und Wickeltasche gingen wir auf das Wohnhaus zu, wo Basti wohnte. „Kannst du etwas freundlicher gucken bitte?" hörte ich Mia die neben mir her ging. „Nö." Brummte ich und Mia schüttelte leicht den Kopf. Als wir an der Tür klingelten und Basti kurz danach die Tür öffnete, schwand auch sein lächeln, als er mich erblickte. Die Begrüssung war eher kühl zwischen uns, dafür bei Mia um so herzlicher. Ich hatte Leon auf dem Arm und betrat die Wohnung, es ging mir gehörig gegen den Strich, dass wir Leon hierlassen mussten. „Na ihr zwei?" hörte ich hinter mir dann eine Stimme, bei der mir direkt 500 Steine vom Herzen fielen. Ich drehte mich sofort um und sah in das lächelnde Gesicht von Amelie. „Amelie!! Gott sei Dank bist du hier!" sagte ich sofort und schloss meine Freundin in die Arme. Sie lachte nur und erwiderte meine Umarmung und nahm mir dann Leon ab. Auch Mia war überrascht, aber freute sich auch Amelie zu sehen. Kurz blieben wir noch einen Moment da und als wir sahen, dass Leon sich wohl fühlte, verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Weg zur Polizei.

„Wie froh bist du, dass Amelie da ist?" schmunzelte Mia leicht. „Meine Laune ist blitzartig gestiegen." Grinste ich leicht und parkte das Auto vor dem grossen Gebäude und machte den Motor aus. „War kaum zu übersehen." Sagte Mia dann und richtete ihren Blick auf das Gebäude vor uns. „Na dann..." sagte sie und strich mit den Handflächen über ihre Beine. „Bereit?" fragte ich sie und sie schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich nicht. Aber lass uns da reingehen." Sagte Mia und stieg dann aus. Ich folgte ihr und paar Augenblicke später, sassen wir im Büro von Herrn Schulz. Er überhäufte uns mit Informationen die ich kaum aufnehmen konnte, auch Mia versuchte alles irgendwie in ihrem Kopf abzuspeichern, aber das war schlichtweg unmöglich. Der Polizist redete so viel, dass schon bald mein Kopf schwirrte. „Und was bedeutet das nun? Wisst ihr wo Emilia ist? Gibt's irgendwelche Spuren? Hinweise?!" fragte ich und spürte, wie Mia nach meiner Hand suchte. „Wir haben mehrere Lösegeldforderungen bei Frau Richter gefunden..." begann er zu reden. „Wie viel wollen sie?!" platze es aus Mia heraus. „110.000 Euro. Das ist etwa das doppelte der Schulden ihrer Nanny." Berichtete uns Herr Schulz. „110.000..." murmelte ich und mein Blick wanderte zu Mia, die mich bereits ansah. „Das ist eine ordentliche Summe an Geld...", „Ich bezahl es! Mir egal wie viel, ich will meine Tochter zurück!" sagte ich dann einfach und sah den Polizisten an. „Aber warum wollen sie das Doppelte?" hakte Mia dann nach. „Weil sie bei jeder Lösegeldforderung die nicht eingehalten wurde 15.000 draufgeschlagen haben." Sagte Herr Schulz. „Das heisst, sie haben bereits 4-mal Geld gefordert?! 4-mal in denen wir hätten helfen können Emilia zurück zu holen!" sagte Mia und ich hörte die Trauer und den Schmerz in ihrer Stimme.

„Ich gebe ihnen das Geld und sie holen meine Tochter zurück!" sagte ich dann an den Polizisten gewandt. „So einfach ist das nicht, wir müssen noch mehr rausfinden." Sagte er dann. „Was wissen sie denn, verdammt! Wissen sie wie es Emilia geht, wo sie ist? Warum sagt uns niemand etwas!!!" wurde ich dann doch noch laut. Mia drückte sanft meine Hand und ich schloss meine Augen und atmete tief durch. „Wie Frau Richter bereits gesagt hat, muss ihre Tochter bei einer Pflegefamilie sein. Wir versuchen gerade eine Verbindung zwischen ihrer Nanny und diesen Leuten aufzubauen. Damit wir vielleicht erfahren, wo genau Emilia steckt. Die Rettung und das Wohlergehen ihrer Tochter steht an erster Stelle." Sagte er dann und das beruhigte uns nur ein kleines Stück. „Sobald wir mehr wissen und erreichen konnten, werden wir uns bei ihnen melden." Sagte er dann. „Das dauert zu lange!!! Emilia ist seit 36 Tagen verschwunden!! Wir wollen doch einfach unsere Tochter zurück! Versuchen sie diese Leute zu kontaktieren, ich bringe das Geld!" sagte ich dann und stand auf. Es artete in einer wilden Diskussion meinerseits aus und irgendwann war ich so erschöpft, dass ich einfach nur noch auf dem Stuhl neben Mia sass und vor mich hinstarrte. Das durfte einfach nicht wahr sein! Wir waren bereit zu bezahlen, aber niemand tat etwas dafür, dass es Vorwärts ging. Die Leute wollten Kohle, warum konnten wir nicht einfach einen Tausch machen?! Geld gegen Kind! Das war doch so einfach, wieso dauerte das denn einfach so lange?! Frustriert und verzweifelt fuhren Mia und ich dann wieder nach Hause. Da rief ich meinen Finanzberater an und schilderte ihm mein Problem. Er versprach mir, alles in Bewegung zusetzten, damit das Lösegeld bereitgestellt würde, dass ich es auf der Bank abholen konnte, wenn es denn so weit war, dass es eine Übergabe geben sollte. Bis dahin waren die 110.000 Euro geblockt und konnten nicht angefasst werden.

„Ich hol Leon bei deinem Bruder ab." Sagte ich zu Mia, als wir uns wieder etwas beruhigt hatten. „Kann ich dich alleine lassen?" fragte ich meine Frau, welche nur nickte. „Es könnte aber einen Moment dauern, ich muss mit Amelie noch etwas besprechen." Sagte ich zu Mia und da entschied sie sich doch mitzukommen. Wir fuhren mit zwei Autos zu Sebastian. Mia holte Leon ab und fuhr zu meinen Grosseltern, während ich Amelie um ein Gespräch bat und wir dafür zu mir nach Hause fuhren. „Was ist los?" fragte Amelie sofort als wir bei mir ankamen. „Ich muss mit dir reden und das geht nur an einem ruhigen Ort." Sagte ich und betrat mein Haus. „Okei? Bei Basti war es doch auch ruhig." Sagte Amelie und folgte mir. „Ja, aber da war Sebastian." Sagte ich und holte uns etwas zu trinken. „Wincent..." seufzte Amelie und rollte mit den Augen. Ja, es waren alle etwas genervt was die Beziehung zwischen Basti und mir anging. Aber das war nun halt so. „Ich hätte auch Mia weggeschickt." Sagte ich und stellte Amelie das Glas hin und setzte mich dann zu ihr. „Okei." Sagte sie leise und sah mich dann an. „Na dann sag mir was dich bedrückt." Forderte Amelie mich dann auf. „Wie kommst du drauf, dass mich etwas bedrücken könnte?" fragte ich sie etwas überrascht. „Wincent ich kenne dich nun lange genug. Und wenn du so aus heiterem Himmel ankommst und mit mir reden willst, dann stimmt etwas nicht." Sagte Amelie. Ich erwiderte ihren Blick nur kurz und sah dann zur Seite. Ich strich mir über den Nacken und atmete geräuschvoll aus. „Also?" hakte Amelie nach. „Diese ganze Sache..." begann ich zu reden und liess einfach mal alles raus was in den letzten Wochen war. Ich erzählte Amelie alles. Wie es zwischen mir und Mia war, unsere beiden Seitensprünge usw. Amelie hörte mir einfach nur zu und sah mich aufmerksam an.

„Seit ich Mia kenne kämpfen wir immer wieder. Ist dir das aufgefallen?" fragte ich dann am Schluss meines Redeschwalls. „Ja. Ihr habt immer gekämpft und jedes Mal gewonnen." Sagte Amelie. „Ja mag sein, aber immer kurz bevor wir alles zerstört hatten. Mein Job hat uns immer wieder auf die Probe gestellt. Und dieses Mal ging es sogar soweit, dass wir uns betrogen haben." Sagte ich leise und strich mir übers Gesicht. „Wincent ich weiss mit welchem Gedanken du spielst. Aber dieses Mal, war nicht dein Job schuld." Sagte Amelie dann und ich sah sie einfach nur an. „Dieses Mal vielleicht. Aber was kommt als Nächstes? Was wird Mias und meine Ehe als nächstes belasten? Amelie ich kann und will nicht mehr ständig kämpfen müssen." Sagte ich leise. „Ich überlege mir meine Karriere an den Nagel zu hängen. Einfach nur noch im Hintergrund mit Musik was zu tun zu haben und für meine Familie da sein." Sagte ich und Amelie nickte leicht. „Denk einfach dran, dass du ziemlich vielen Menschen einen Job gibst. Inklusive mir." Sagte Amelie leise und da senkten wir beide unsere Köpfe und in meinem Kopf drehten sich die Gedanken.

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt