Kapitel 58

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•Mia•

~Wincents Geburtstag~

Der heutige Tag war schwerer als sonst, vor allem für Wincent. Heute war sein Geburtstag. Er wollte ihn nicht feiern, er sagte mir er habe keinen Grund zu feiern. Er will nicht mit Familie und Freunden dasitzen und möglicherweise eine gute Zeit haben, während Emilia sonst irgendwo war und wir nicht wussten wie es ihr ging. Ich verstand ihn ja, aber ich verstand auch seine Familie und engsten Freunde die mich seit Tagen fragten, ob sie vorbeikommen durften. Ich stand zwischen zwei Fronten und wusste nicht was ich tun sollte. Aber gestern Abend hatte ich dann spontan allen geschrieben, dass sie herkommen sollen, wenn sie noch wollten. Wincent war vor einer Stunde ins Fitnessstudio abgehauen und ja, wirklich abgehauen. Nachdem er Leon im Zimmer von Emilia fand, wo er seine Schwester suchte, war es bei Wincent vorbei. Ich wusste, dass er wieder dicke Mauern hochgezogen hatte, dass er niemanden an sich ranliess und nicht reden wollte. Ich spürte es ja an meinem eigenen Leib. Vor Tagen hatte Wincent mich das letzte Mal in den Arm genommen oder richtig geküsst. Das letzte Mal als wir richtig geredet hatten war der Abend, bevor er nach Berlin ging. Seit er wieder zu Hause war, war er kühl und distanziert. Aber ich selbst auch. Wir kriegten uns wegen jeder Kleinigkeit in die Haare, stritten uns über unnötige Dinge. Und um dem aus dem Weg zu gehen, zog auch ich mich zurück und kümmerte mich halt einfach um Leon.

Als es gegen 14.30 Uhr das erste Mal klingelte, war Wincent noch nicht zu Hause. „Es tut mir leid. Wincent ist im Fitnessstudio." Sagte ich leise zu seiner Mum und Shayenne die zusammen mit Oma und Opa kamen. „Schon okei." Lächelten sie mich an und alle drückten sie mich an sich. „Er wird sicher bald heimkommen." Sagte Opa Hans zu mir und nahm mich fest in den Arm. Diese Umarmung tat mir so dermassen gut, dass ich mich irgendwie entspannen konnte. „Und sonst, essen wir den Kuchen alleine." Zwinkerte er mir dann zu und da musste ich unwillkürlich lächeln. Sie begrüssten Leon, welcher alle wie immer anlächelte und erheiterte so die Gemüter von allen etwas. Ich wollte Wincents Familie gerade folgen, als ich eine Autotür zuschlagen hörte. Es war Wincent, der nach Hause kam und an den Autos von seiner Mutter und seinen Grosseltern vorbei ging. Ich sah ihm bereits an, dass er es irgendwie nicht so toll fand und blieb deshalb auch gleich bei der Haustüre stehen. „Wincent..." begann ich als er reinkam, doch er schnitt mir das Wort ab. „Du wusstest, dass ich nicht feiern wollte. Und nun sind sie doch alle da!" sagte er, zog seine Schuhe aus und rauschte an mir vorbei. Er begrüsste nicht mal seine Familie, sondern ging direkt nach oben ins Schlafzimmer. „Es tut mir leid." Sagte ich zu seiner Familie gewandt und folgte ihm nach oben. Gerade als ich das Zimmer betrat, klingelte es wieder. „Du hast noch mehr eingeladen?! Willst du mich eigentlich quälen?" drehte sich Wincent zu mir und sah mich an. „Wincent hör mir zu..." begann ich. „Nein!! Warum Mia? Ich wollte nicht. Ich will nicht sehen, wie uns meine Familie ansieht. Ich halte das nicht aus!!" sagte Wincent sauer und ich sah, wie er gerade mit sich selbst kämpfte. Ich wollte gerade etwas sagen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte und dann die Stimme von Opa Hans erklang.

„Wincent... Mia hatte uns gesagt, dass du nicht feiern willst. Wir wussten es, aber wir haben uns nicht abwimmeln lassen. Wir haben beschlossen zu kommen." Sagte er und ging dann zu Wincent der seinen Opa einfach nur ansah. „Es verlangt niemand von dir, dass du ausgelassen feierst. Aber dir wird die Anwesenheit deiner Familie guttun. Euch beiden." Sagte Opa Hans und sah zwischen mir uns Wincent hin und her. „Wir vermissen Emilia auch sehr und haben Angst um sie. Deine Oma betet jeden Abend bevor sie ins Bett geht für euch und die kleine Maus." Sagte Hans und da kamen mir die Tränen. Es tat so weh, einfach alles schmerzte so sehr. Mein Herz kannte schon gar kein anderes Gefühl mehr, aber irgendwie wurde es doch auch leichter zu wissen, dass es allen so ging. „Wincent, lass es zu und versuch für ein paar Stunden deinen Kopf auszuschalten." sagte sein Opa und ich richtete meine Augen auf Wincent, der uns den Rücken zugedreht hatte. Aber seine Körperhaltung sagte alles und sein leises Schniefen, welches er eigentlich verheimlichen wollte war Beweis genug, dass dieser starke Mann einfach wieder gebrochen war. Ich ging direkt auf Wincent zu und drehte ihn zu mir. Er wehrte sich nicht mal und als ich in seine traurigen Augen sah und die einzelnen Tränen wahrnahm die ihm über die Wangen rollten, zog ich ihn in meine Arme und drückte ihn so fest ich konnte an meinen Körper.

Seit Tagen liess er endlich zu, dass er weinen konnte. Seit Tagen unterdrückte er alles und Opa Hans, hatte es gerade geschafft die ganze Mauer einzureissen und Wincent liess endlich seinen Schmerz zu und weinte. Er klammerte sich regelrecht an mich und weinte einfach. Wir weinten zusammen, so sehr es weh tat, so erleichternd war es irgendwie. Hans hatte uns kurz alleine gelassen und kam mit Leon zurück ins Zimmer. „Möglicherweise, kann euch dieser kleine Mann etwas Trost spenden." Hörten wir Hans und sahen zu ihm. Wir sassen mittlerweile auf dem Bett. „Krümelchen." Sagte ich zu Leon als ich ihn in meine Arme nahm. Hans liess uns dann wieder alleine und ich setzte Leon zwischen mich und Wincent. Leon sah zwischen uns hin und her und strahlte uns einfach an. Wir mussten automatisch auch lächeln und sahen unseren Sohn an. „Mammmmaaa!!" sagte er dann und sah mich an. Sofort sah ich zu Wincent, der mich anlächelte und sanft meine Hand drückte die er hielt. Dann sah ich zu Leon und weinte einfach weiter. Ich nahm ihn in meine Arme und drückte den kleinen Körper an mich. Wincent rutschte zu uns und legte seine Arme um uns beide. Es fühlte sich so gut an und ich sog die gesamte Geborgenheit, die ich spürte in mich ein. Nach ein paar Minuten gingen wir dann wieder runter und da begrüsste Wincent seine Familie und Marco, Amelie und Basti. Auch ich begrüsste noch die drei Hinzugekommenen und dann liessen wir es zu und versuchten für einen Moment alles Schlechte zu vergessen. Es klappte ganz gut und wir lachten sogar sehr oft, wir merkten zwar, dass sie gerne gefragt hätten, wie es um die Ermittlungen standen. Aber niemand tat es, denn gerade tat es irgendwie gut nicht daran zu denken und wir alle versuchten irgendwie Kraft aus all dem zu schöpfen.

Gerade kam Basti aus der Küche und prallte mit Wincent zusammen, der den restlichen Kuchen in die Küche bringen wollte. Aber bis dahin kam er nicht. Der Kuchen landete auf dem Boden und die beiden Männer standen einfach da und sahen zwischen sich runter. „Wincent... sorry." Sagte Basti, doch Wincent zuckte leicht mit den Schultern. „Schon okei..... Emilia hätte mich jetzt angeschaut und gesagt: Macht nichts Papa. Mama wischt das auf." Sagte Wincent und da brachen wir alle in Gelächter aus. Es stimmte halt einfach zu 100 Prozent und die Sprüche der kleinen Maus fehlten einfach so sehr. Es fühlte sich so befreiend an. Alle lachten, aber gleichzeitig liefen bei allen auch ein paar Tränen über die Wangen. Es war ein Auf und Ab der Gefühle, aber im Kreise der Familie und besten Freunden wurde alles irgendwie erträglicher. In den paar Stunden, in denen wir nun Besuch hatten konnten wir einfach mal wieder etwas entspannen und versuchten diese positiven Stimmungen irgendwie mitzunehmen. Abends lagen wir im Bett und seit gefühlt Wochen, hatte mich Wincent mal wieder nachts im Arm und so schliefen wir dann auch ein.

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt