Kapitel 70

983 45 1
                                    

•Mia•

Heute war ich die, die sich im Büro verkrochen hatte. Ich war im Home-Office und bearbeitete offene Rechnungen, Anfragen und versuchte den neuen Monatsplan zu machen. Wincent kümmerte sich um Leon, da Hanna schon wieder angeblich krank war und langsam war ich dezent genervt. Das war nun in den letzten 4 Wochen bestimmt das 4 Mal. Als es leise an die Tür klopfte, brütete ich gerade über einer Rechnung, vom Rohrbruch die ich nicht mehr auf dem Schirm hatte. „Scheisse." Murmelte ich und sah dann zur Tür. „Ja?" sagte ich und da streckte Wincent bereits den Kopf durch die Tür. „Alles okei?" fragte er und kam rein. „Ja... Nein... keine Ahnung." Sagte ich und sank etwas tiefer in den Stuhl. „Was ist los?" fragte mich Wincent und stellte sich neben mich. Er legte seine Hand auf meine Schulter und sah auf meinen Lap Top und die Rechnung die vor mir lag. In den letzten Tagen gab es immer mehr kleine Berührungen zwischen uns, dennoch stand einfach diese Sache immer noch etwas zwischen uns. Unsere Herzen wussten, was wir wollten. Aber die Köpfe waren noch zu sehr am nachdenken und hinderten uns dran, es einfach zu zulassen. „Ich dachte ich hätte alles bezahlt was den Rohrbruch angeht. Aber ich habe noch eine Rechnung gekriegt." Murmelte ich leise und reichte Wincent das Blatt Papier. „Uff, das ist ein ordentlicher Betrag." Sagte er dann und ich nickte leicht. „Brauchst du Hilfe?" fragte er mich und ich sah ihn an. „Wohl eher ein Wunder. Oder ein Lottogewinn wäre nicht schlecht." Seufzte ich und Wincent schmunzelte leicht. „Meine Hilfe." Sagte Wincent dann und ich starrte wieder auf den Bildschirm. „Wie willst du mir helfen?" sagte ich dann leise, aber eigentlich wusste ich genau was er meinte. „Hey... Du weisst genau wie ich es meine." Sagte er dann und zog sich einen Stuhl ran und setzte sich neben mich. „Ich kann nicht noch mehr Geld von dir annehmen." Seufzte ich und spielte mit einer Strähne. „Klar kannst du das." Sagte Wincent neben mir. „Aber eigentlich sollte es machbar sein. Das Café läuft gut und wir haben nen guten Kontostand. Noch. Es darf nur nicht nochmal sowas passieren. Dann bin ich am Arsch." Seufzte ich und sah zu Wincent.

Wir sahen uns einen Moment in die Augen und dann hob Wincent seine Hand und strich mir die Strähne hinters Ohr und lächelte etwas. „Und wenn du doch Hilfe brauchst, sag Bescheid." Sagte er dann und stand auf. „Okei." Sagte ich leise und löste den Zahlungsauftrag aus. „Aber warum ich eigentlich hier bin... Wie lange musst du noch arbeiten?" fragte er mich. „Von der Arbeitszeit her bin ich eigentlich fertig. Aber ich schieb alles vor mir her und dann dauert es länger. Warum?" fragte ich ihn. „Naja... Hättest du... Also..." begann er und strich sich über den Nacken. Ich musste leicht grinsen, das hatte er früher immer getan, wenn er unsicher war. „Ja?" sagte ich und sah ihn aufmerksam an. „Wollen wir nach Hamburg? In die Stadt? Würde uns sicher etwas guttun. Meine Mum würde auf Leon aufpassen." Sagte er und ich nickte sofort. „Gerne." Lächelte ich leicht und da begann auch Wincent wieder zu lächeln. „Gut, dann mach du da fertig. Ich mach Leon bereit und dann können wir los." Sagte er und verliess das Büro. Ich sah noch einen Moment zur offenen Tür und spürte ein leichtes Kribbeln in der Bauchgegend, was ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Ich beendete dann meine Arbeit und verliess das Büro. „Ich zieh mich kurz um." Sagte ich zu Wincent, der Leon gerade die Schuhe anzog. „Okei." Nickte mein Mann und ich verschwand nach oben. Da zog ich mir etwas Wärmeres an, band meine Haare zu einem Zopf und schminkte mich leicht. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so ‚hübsch' gemacht wie heute. Aber irgendwie war es mir einfach danach.

Kurz danach waren wir auf dem Weg zu Angela. Während ich im Auto nach hinten zu Leon sah und ihn aufgeregt fragte, ob er sich freut zu Oma zu gehen, begann der kleine Kerl immer zu strahlen und zu zappeln. Es war so beruhigend für mich zu wissen, dass er gerne bei Oma war. Denn da konnte ich ihn auch lassen ohne diese Angst in mir, dass auch mit ihm etwas passieren würde. Hanna hatte ich nämlich nur noch die Erlaubnis gegeben, eine Runde spazieren zu gehen und jeden Spielplatz zu meiden. Die momentane Wetterlage, war eh für einen Besuch auf dem Spielplatz nicht die Beste. Aber so fühlte ich mich einfach etwas sicherer, wenn ich wusste, dass sie nur kurz eine Runde mit unserem Sohn spazieren ging. „Mia?" hörte ich Wincents Worte und wachte aus meinen Gedanken auf. Wir standen mittlerweile vor dem Haus seiner Mum und Wincent sah zu mir. „Wo warst du mit deinen Gedanken?" fragte er mich und ich winkte nur ab. „Ach nicht wichtig." Lächelte ich leicht und stieg dann aus. Während Wincent die Wickeltasche nahm, hatte ich Leon auf dem Arm und wir betraten Oma Angelas Haus, nach dem Wincent kurz geklingelt hatte und dann die Haustür aufschloss. Wir setzten uns kurz hin und redeten etwas und warteten bis Leon sich  ganz eingewöhnt hatte. Aber eigentlich war das gar nicht nötig. Kaum war er bei Oma, war er zufrieden und hatte uns mehr oder weniger vergessen. Zum Abschied knuddelten und küssten wir den kleinen Mann und verliessen dann das Haus und machten uns auf den Weg nach Hamburg.

„Hast du dein Handy dabei?" fragte ich Wincent als wir aus dem Parkhaus kamen. „Ja. Wieso?" sah er mich fragend an. „Falls die Polizei anruft oder so." murmelte ich und strich mir durch die Haare, das war mein neuster Tick, wenn ich nervös war. „Hey, entspann dich jetzt einfach mal für ein paar Stunden. Ich versuch es auch." Sagte er dann zu mir und sah mich an. Ich nickte und ging neben Wincent her. Wir schlenderten durch die Strassen, die Sonne schien, aber es war trotzdem noch kalt. Ich hatte mir ein Stirnband angezogen und einen dicken Schal umgebunden. Wincent hatte sich eine Mütze über den Kopf gezogen und den Kragen seiner Jacke aufgestellt. Wir gingen nebeneinander her und sahen uns die verschiedensten Schaufenster an. Wir machten einen Abstecher in den Apple Store, da Wincent letztens seine AirPods geschrottet hatte und nun Neue haben wollte. „Warum zwei?" fragte ich ihn verwundert. „Für dich. Die Kabelkopfhörer sind kacke." Sagte er und schmunzelte leicht. „Ich mag meine Kabelkopfhörer." Murmelte ich leise. „Aber die hier wirst du lieben." Grinste er mich leicht an und zwinkerte mir zu. Ich musste automatisch lächeln und genoss dieses Gefühl welches sich immer mehr in mir ausbreitete und mein Herz schneller schlagen liess. Ob es Wincent auch so ging? Wir verliessen dann den Store und bummelten weiter durch die Einkaufsstrasse Hamburgs. „Leon braucht noch neue Hosen. Die sind an gewissen Stellen schon ganz dünn geworden." Sagte ich und betrat dann gefolgt von Wincent einen Klamottenladen. Auch da wurden wir fündig und kauften für unseren jüngsten Spross ein paar neue Hosen. An einem süssen Kleidchen blieb ich hängen und stand einfach einen kleinen Moment davorstehen. „Mia komm..." hörte ich dann Wincents leise Worte. „Das würde Emilia so gefallen." Murmelte ich und merkte wie meine Stimme zitterte. „Komm wir gehen zur Kasse." Sagte Wincent und als ich zu ihm sah, merkte ich, dass es auch ihm nicht gerade leichtfiel, diesen Gedanken zu haben.

Wir beschlossen dann in einem Café etwas trinken zu gehen und waren nun auf dem Weg dahin. Irgendwann heulten Polizeisirenen hinter uns auf und mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Auch waren wir gerade in einer riesigen Menschenmasse und ich fühlte mich sehr unwohl. Aus Reflex griff ich nach Wincents Hand und spürte auch gleich wie er seine Hand um meine Schloss und mich mehr oder weniger mit sich zog. Als wir aus dem Hot Spot raus waren, sahen wir uns an und lösten sofort unsere Hände voneinander. Keine Ahnung wieso, aber irgendwie schaltete sich da wieder unser Kopf ein und wir nahmen etwas Abstand voneinander. Wir gingen weiter nebeneinander her und ich liess meinen Blick wandern als ich an etwas hängen blieb. Ich wurde sofort nervös und aufgeregt und konnte meinen Blick nicht abwenden. „Oh mein Gott!!" sagte ich und lenkte so Wincents Aufmerksamkeit auf mich. „Was?" sagte er und sah mich an. „Wincent, da ist Emilia!!!!!!" sagte ich und lief los.

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt