Kapitel 55

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•Mia•

Am nächsten Morgen, war ich gerade dabei Leon zu wickeln und ihn anzuziehen. Ich hörte wie mein Handy unten klingelte und kurz danach wie Wincent ran ging. Er redete mit jemandem und ich merkte, wie seine Stimme immer näherkam. „...dann werd wieder gesund und melde dich, wenn's dir wieder besser geht." Sagte er die Worte und da drehte ich meinen Kopf zur Tür. Er tauchte im Türrahmen auf und legte dabei gerade auf. „Hanna ist krank. Sie kommt heute nicht." Sagte er und legte mein Handy auf den Wickeltisch. „Was hat sie?" fragte ich nach und sah Wincent zu wie er seinem Sohn mit seiner Faust sanft gegen die von ihm boxte. „Guten Morgen." Sagte er leise zu ihm, ehe er mir dann antwortete. „Ich weiss es nicht. Sie sagte sie fühlt sich nicht wohl und bleibt heute und morgen zu Hause." Sagte Wincent und zuckte leicht mit den Schultern. „Okei." Nickte ich. „Dann muss ich Jule schreiben, dass ich heute nicht zur Arbeit kommen kann. Und von zu Hause aus was machen werd." Seufzte ich. Ja ich ging schon wieder arbeiten. Ich brauchte irgendwie diese Ablenkung. Ich war zwar nicht ganze Tage da, aber immer mal etwas und versuchte den Bürokram zu erledigen. Wincent nickte nur und verliess dann wieder das Zimmer. Seit Emilia weg war, war hier alles so komisch. Wir hatten eine riesen Angst um unser Kind, wir wussten beide nicht wann und ob wir die Maus wieder zurückkriegen würden. Wir hatten keinen Anhaltspunkt, kein Motiv und vor allem kriegten wir einfach keine Forderungen. Wir zerbrachen uns jeden Tag den Kopf drüber was hier wieder los war. Unser Verdacht, dass es meine Stalkerin sein könnte, hielt sich in meinem Kopf ganz schön fest. Auch Wincent war davon überzeugt, dennoch war es einfach komisch, dass sie sich dieses Mal nicht davor gemeldet hatte. Bisher hatte sie sich immer auf Instagram bei mir gemeldet, wenn sie wieder zu schlagen wollte. Nur dieses Mal nicht.

Wincent hatte sich wieder in seinem Büro verschanzt und liess sich kaum blicken. Auch ich sass am Esstisch vor meinem Lap Top und versuchte mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Natürlich ging das alles nicht so einfach, denn Leon wollte auch noch etwas bespasst werden. Ich hüpfte also zwischen Leon und meiner Arbeit hin und her und versuchte alles zu schaffen. Mit einem quengelnden Baby ging ich dann zu Wincent und klopfte an die Tür. „Schatz?" sagte ich und betrat das Büro. „Hm?" machte Wincent und drehte sich zu mir. „Kannst du bitte kurz Leon nehmen? Ich sollte unbedingt die eine Abrechnung fertigstellen. Aber mit ihm kann ich mich nicht konzentrieren." Sagte ich und sah Wincent an. „Mia ich muss noch ein paar Anrufe tätigen. Ich kann grad nicht." Sagte mein Mann und ich schloss kurz meine Augen und atmete tief durch. „Wincent bitte. Nur ne halbe Stunde." Bat ich ihn nochmals drum. „Mia! Ich kann nicht!" wiederholte sich Wincent. Aber mir riss der Geduldsfaden und ich setzte ihm seinen Sohn einfach auf den Schoss. „Pass einfach mal 30 Minuten auf deinen Sohn auf!! Ich muss auch noch was erledigen und kann das jetzt grad einfach nicht mit Leon nebenher!!" sagte ich genervt und verliess das Büro und schloss die Tür. Wincent war so anstrengend. Er zog sie einfach komplett zurück und ich musste wieder alles irgendwie alleine bewältigen. Er stand immer wieder in Kontakt mit der Polizei oder forschte selbst irgendwie nach. Und ich wartete einfach auf diesen erlösenden Anruf, dass sie Emilia gefunden hatten. Ich musste mich nebenher auch noch um unser jüngstes Kind kümmern und versuchte einfach meine ganze Hoffnung in die Leute zu stecken die nach ihr suchten. Natürlich wäre ich auch selbst los und hätte gesucht. Aber ich dachte einfach realistisch und mir war klar, dass ich nicht viel tun konnte, sondern einfach die machen lassen musste, die wussten was sie taten.

Mittlerweile hatte ich Leon wieder bei mir. Ich stand gerade in der Küche und der kleine Mann krabbelte munter umher. Vor kurzem hatte er entdeckt, dass man ja unter Stühlen und Tischen durch krabbeln konnte und das tat er fleissig. Überall wo man irgendwo drunter krabbeln konnte, war Leon. Ich hörte wie ein Stuhl etwas weggeschoben wurde und als ich mich umgedreht hatte, sass Leon unterm Tisch und grinste mich an. „Was tust du denn da?" lächelte ich und ging in die Hocke. Leon lachte und klatschte in die Hände. Er war so ein Strahlemann und brachte auch mich einfach wieder zum lächeln. Diese kleinen Momente mit Leon genoss ich in vollen Zügen. Er brachte mich dazu, das ganze Elend für einen klitzekleinen Moment zu vergessen. Wir alberten einen Moment rum, bis ich mich wieder an die Arbeit machte und die kleinen Vorratsgläschen mit Brei füllte und diese dann einfror. Irgendwann spürte ich dann zwei kleine Hände die sich an meinem Bein abstützten und als ich runter sah, kniete Leon neben mir und sah mich an. Er brabbelte irgendwas und liess dann ein lautes „MAAAAA!" von sich hören. Sofort legte ich den Lappen weg und nahm meinen Sohn hoch. „Sag das nochmal!" sagte ich sofort und strahlte ihn an. Aber natürlich tat er es nicht. „Wolltest du grade Mama sagen?" sagte ich aufgeregt und da kuschelte er sich an mich. „Wincent?!" rief ich dann, als dieser gerade um die Ecke kam und ich aus der Küche. „Ja?" sagte er und sah uns beide an. „Leon hat grad laut ‚Ma' gesagt. Ich glaub er wird bald Mama sagen." Lächelte ich meinen Mann an. „Das ist toll." Sagte Wincent leise, strich Leon über den Kopf und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Ich geh kurz duschen." Sagte er dann und verschwand nach oben.

Leise seufzend sah ich Wincent hinterher. Wir gingen uns irgendwie aus dem Weg, oder jedenfalls hielten wir irgendwie Abstand. Meistens störte es mich nicht, da ich mit mir selbst genügend auszumachen hatte. Aber wenn ich dann einfach mal einen richtigen Kuss oder eine Umarmung gebrauchen konnte, traf es mich dann schon etwas, wenn Wincent so distanziert war. Ich setzte Leon dann in seinen Hochsitz und brachte ihm ein paar Scheiben Gurken an denen er rumknabbern konnte. Natürlich blieb es auch nur beim Knabbern. Das meiste landete auf dem Tisch vor ihm. Schmunzelnd sah ich ihm zu, wie er die Gurkenstückchen mit seiner vollgesabberten Hand auf dem Tisch hin und her schob, alle Mühe hatte ein Stück mit den Fingern aufzuheben, weil ihm ständig alles wegflutschte und er einfach irgendwie völlig zufrieden mit sich selbst war. Ich stellte ihm dann seine Teeflasche hin, nach der er sofort griff und begann zu trinken. Ich holte ihm dann in der Küche eine Waffel und legte ihm diese hin. Die Flasche liess er achtlos fallen und griff mit strahlenden Augen nach der Waffel, die er natürlich munter begann zu zerkrümeln und immer mal bisschen etwas in seinen Mund stopfte. Ich musste leise lachen, als ich Leon zusah. „Du kleine Krümelmaschine du." Schmunzelte ich und richtete dann meinen Blick auf Wincent, der gerade die Stufen runterkam und zu uns sah. Er kam rüber und sah zu Leon der seinen Kopf in Nacken legte um seinen Papa ansehen zu können und diesen auch sofort anstrahlte. Ich beobachtete Wincent dabei und auch er war halt nicht aus Stein und Wincent begann ebenso zu lächeln, als Leon ihn so anstrahlte. Ich sog diesen Moment in mich auf und versuchte Kraft zu schöpfen.

„Was machst du da?" fragte Wincent seinen Sohn und deutete auf die zerkrümelte Waffel vor ihm und setzte sich zu uns an den Tisch. Leon griff nach einem etwas grösseren Stück Waffel und reichte es seinem Papa. „Du musst das essen. Und nicht alles in klitzekleine Krümel verwandeln." Schmunzelte Wincent und legte ihm die Waffel wieder hin. „Kleines Krümelmonster." Lächelte ich leicht und stand auf. Ich stellte mich hinter Wincent und legte meine Hände auf seine Schultern und drückte ihm einen Kuss auf den Kopf. Von ihm kann keine grosse Reaktion ausser ein kleines Lächeln, dann ging ich zu Leon und küsste auch ihn auf den Kopf. „Du bist halt unser Krümel." Sagte ich leise zu ihm und da strahlte er mich an. „Ich geh auch schnell duschen." Sagte ich und liess die beiden Männer alleine. Ich stieg die Stufen nach oben und hörte dann Wincents Stimme wie er sagte. „Unser Krümel."

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt