Kapitel 60

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•Mia•

Drei Tage nach Leons Geburtstag, waren wir Stimmungstechnisch wieder am Tiefpunkt angelangt. Wincent und ich hatten uns heute früh, schon wieder, in den Haaren und das wegen einer Kleinigkeit. Hanna war auch völlig komisch drauf und ich hatte das Gefühl als würde sie uns irgendwie aus dem Weg gehen. Sie war nun eine Woche krank und heute wiedergekommen. Viel geredet hatte sie noch nicht mit uns und es schien mir einfach, als würde sie jegliche Unterhaltung umgehen wollen. Die Stimmung in unserem zu Hause war die reinste Katastrophe und ich fand, dass wir einfach mal etwas raus sollten. Also ging ich zu Wincent, der sich wie immer in seinem Büro verschanzt hatte. Keine Ahnung was er da immer tat, aber vielleicht wars besser, wenn ich nicht alles wusste. Ich klopfte leise an die Tür, als ich nur ein gebrummtes „Ja!" hörte. „Hey..." sagte ich als ich die Tür geöffnet hatte und den Raum betrat. „Hi." Sagte Wincent leise. Ich sah ihn einen Moment an. Er war so distanziert geworden, zog sich extrem zurück und lag auch nachts nur noch selten neben mir im Bett. „Was hältst du davon, wenn wir mal etwas rausgehen würden? Einfach einen kurzen Spaziergang?" fragte ich meinen Mann. „Und dann?" sagte Wincent und sah zu mir. „Ach vergiss es." Sagte ich dann gleich, als ich bereits merkte, wie genervt er war. Und weil er so genervt war, war ich es auch direkt wieder. „Jetzt sei nicht gleich so genervt!" sagte er zu mir und da konnte ich einfach nicht mehr ruhig sein.

„Im ernst Wincent?? Ja verdammt ich bin genervt! Wegen dir und deiner beschissenen Laune!" sagte ich dann laut. „Soll ich etwa glücklich sein, während unsere Tochter weg ist?! Wir haben keinen blassen Schimmer wo sie ist und wie es ihr geht!!!! Sie muss sonst wie leiden, weil Mama und Papa nicht da sind!!! Und dieser Gedanke macht mich verdammt nochmal einfach fertig!!!!" fuhr er mich direkt an. „Denkst du mir geht's gut dabei? Ich zerbreche mir den Kopf drüber wo Emilia ist! Wie es ihr geht und ob sie überhaupt noch lebt! Und wenn sie noch lebt, dann stell ich mir ununterbrochen vor, wie sie weint, weil sie uns vermisst!!!" gab ich genauso zurück und unterdrückte meine aufkommenden Tränen. „Ich will doch einfach nur mal wieder etwas rauskommen! Raus aus diesem Gefängnis hier!" sagte ich und sah Wincent an. Ja gerade war unser Haus das reinste Gefängnis für mich und ich wollte ausbrechen. Mein Mann sah mich emotionslos an und das verletzte mich einfach nur noch mehr. Seit Tagen kriegte ich kaum mehr eine Gefühlsregung von Wincent, was unsere Beziehung und Ehe angingen. Er hielt mich kaum mehr im Arm, küsste mich noch weniger und Sex hatten wir schon gar keinen mehr. Naja okei für letzteres war ich selbst im Moment auch nicht so bereit. Aber alles andere war einfach gerade nur traurig und Wincent fehlte mir so sehr, auch wenn er hier war. „Wenn du nicht willst, dann geh ich alleine. Ich halt es hier drin nicht mehr aus." Sagte ich leise und verliess sein Büro.

Vor der Tür wartete ich einen Moment und hatte eine winzig kleine Hoffnung, dass Wincent mir vielleicht doch folgen würde. Aber nichts da. Die Tür blieb geschlossen und Wincent kam nicht raus. Ich hielt meine Tränen nicht länger zurück und liess ihnen freien Lauf. Weinend ging ich ins Wohnzimmer wo Hanna mit Leon war. Sie sah mich nur kurz an, natürlich hatte sie den Streit mitgekriegt. Und wahrscheinlich war es ihr unangenehm, aber gerade war mir das egal. Ich wischte mir die Tränen weg und ging zu ihr und Leon. „Ich muss kurz etwas an die frische Luft. Ich nehm Leon mit, dann kannst du den restlichen Tag freinehmen." Sagte ich zu Hanna die leicht nickte. „Ist gut." Sagte sie dann und stand auf. „Hanna?" sagte ich als sie an mir vorbei wollte. „Ist bei dir alles okei?" fragte ich, als sie mich ansah. „Ja... Klar. Alles gut." Sagte sie und unterbrach unseren Blickkontakt sofort wieder und machte sich kurz danach auf den Heimweg.

Noch immer aufgewühlt aber nicht mehr weinend, klingelte ich bei meiner Schwiegermutter. Ich hatte Glück und sie war zu Hause. „Mia?" sah sie mich überrascht aber lächelnd an. „Na ihr zwei? Kommt rein." Sagte sie und liess mich mit Leon eintreten. „Wo habt ihr Wincent gelassen?" hakte sie sofort nach. „Zu Hause." Sagte ich eher leise und reichte ihr Leon, der zu seiner Oma wollte. „Oh je..." sagte Angela bereits. Ich setzte mich an den Tisch und bedankte mich für den Kaffee. „Erzähl." Forderte sie mich dann auf, während sie Leon auf dem Schoss hatte. Ich seufzte und dann begann ich zu reden. Es tat so gut alles von der Seele zu reden, auch wenn es gleichzeitig auch weh tat, da ich mir die Tatsachen selbst vor Augen führte. „Ich komm einfach nicht mehr an ihn ran. Und wir sind beide so dünnhäutig, dass es einfach jedes Mal im Streit endet." Sagte ich leise. Angela hörte mir aufmerksam zu und versuchte mich irgendwie aufzumuntern und mit Worten zu bestärken. Es tat irgendwie gut, aber dennoch tat es mir leid, dass ich bei Wincents Mama rumgeheult hatte. „Habt ihr noch nichts Neues von der Polizei gehört?" fragte sie mich dann. „Leider nicht. Es ist so komisch. Wir erhalten einfach nichts von den Entführern. Wir verstehen das nicht. Und langsam aber sicher hab ich das Gefühl, dass es nicht meine Stalkerin ist. Die hätte sich schon längst gemeldet." Murmelte ich. „Und Hanna ist irgendwie auch ganz komisch. Sie meidet den Kontakt zu mir und Wincent. Redet nur das Nötigste oder weicht aus. Mit Leon geht sie normal um, da hat sich nichts verändert." Sagte ich und sah Angela an. „Vielleicht is es für sie einfach auch zu viel. Sie war sicherlich auch noch nie in so einer Situation." Sagte dann Angela. „Hm ja... Vielleicht hast du recht. Ich weiss einfach langsam nicht mehr was wir tun sollen. Ich will doch einfach nur unsere kleine Maus zurück." Sagte ich leise und begann dann doch wieder zu weinen.

Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, redeten wir einfach etwas über alltägliche Dinge und es tat echt gut. Ich konnte mich entspannen und sah dabei unserem Krümel zu, wie er bei Oma sass und völlig zufrieden mit einem Löffel spielte. Ich beneidete Leon, er kriegte von all dem nichts mit. Klar merkte er, das irgendetwas nicht in Ordnung war. Zu viel Unruhe war zu Hause und Wincent und ich waren zu oft aufgewühlt. Aber dennoch ging es dem Kleinen gut und er wusste zum Glück nicht, dass seine grosse Schwester entführt wurde. „Ich sollte langsam nach Hause." Sagte ich dann zu Angela und stand auf. Zusammen mit Leon fuhr ich dann wieder Heim, nach einem doch etwas entspannenden Nachmittag bei Angela. Ich wusste nicht was mich erwarten würde. War Wincent sauer, dass ich gegangen bin. Vielleicht war er auch immer noch im Büro? Völlig in Gedanken parkte ich mein Auto und nahm Leon aus dem Kindersitz. „Dann wollen wir mal schauen was Papa macht." Lächelte ich unseren Krümel an und küsste ihn sanft auf die Wange. „Ich liebe dich, Leon." Sagte ich leise zu ihm und ging dann mit ihm zur Haustür. Auf halbem Weg dahin, wurde die Haustür geöffnet und Wincent blickte mir entgegen. Gleichzeitig fuhr ein Auto in unsere Einfahrt und ich drehte mich um. Es war ein Streifenwagen und ich blieb sofort stehen. Mir wurde ganz komisch und ich wusste nicht, was nun auf uns zukommen würde. Bisher standen wir nur immer in telefonischen Kontakt. Und nun standen sie auf einmal vor unserem Haus. „Mia..." sagte dann Wincent und ich spürte seine Hand auf meiner Schulter. Noch immer sah ich in die Richtung des Streifenwagens und sah zu, wie zwei Polizisten aus dem Auto stiegen. „Ich hab ein ungutes Gefühl." Murmelte ich dann leise und sah langsam zu meinem Mann. Er nahm mir Leon ab und schob mich langsam zum Haus.

Wir warteten dann auf die beiden Polizisten, die dann ebenso unser Haus betraten und uns begrüssten. Gerade wollte Wincent die Haustür schliessen, als ein weiteres Auto in unsere Einfahrt fuhr. „Mum?" sagte er dann. „Mia hat die Wickeltasche bei mir vergessen. Ich dachte ich bring sie euch vorbei." Hörte ich Angela und sah, wie sie fragend zwischen dem Streifenwagen und Wincent hin und her sah. „Ist alles in Ordnung?" fragte sie dann und sah an Wincent vorbei zu mir. „Wissen wir noch nicht." Sagte ich leise und sah zu den beiden Polizisten, die geduldig warteten. „Wisst ihr was? Ich nehm Leon zu mir. Und sobald die Polizei weg ist, bring ich ihn euch wieder." Sagte Angela und Wincent reichte ihr Leon nur widerwillig. „Vielleicht besser so, Schatz." Sagte ich leise und da liess er seinen Sohn los. Wir verabschiedeten uns von unserem Sohn und Wincents Mutter und schlossen dann die Tür. Wincent und ich sahen uns kurz an, atmeten tief durch und drehten uns dann zu den Polizisten und gingen auf die beiden zu.

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt