Kapitel 80

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•Mia•

Emilia wirkte nicht verängstigt, aber sehr ruhig. Sie sah uns einen Moment an und es schien als bräuchte sie einen Augenblick um uns zu erkennen. „Mäuschen..." sagten Wincent und ich wie aus einem Mund und da richtete sich unsere Tochter auf und begann wie am Spiess zu weinen und streckte sich mir entgegen. „MAMAAA!!" weinte sie bitterlich und ich nahm sie in meine Arme. Auch Wincent und ich weinten hemmungslos und sanken mit Emilia zu Boden. Wincent hatte beide Arme um uns gelegt, ich hielt Emilia fest in meinen Armen und die kleine Maus, klammerte sich an mir fest. Was die Polizei tat während wir uns mit unserer Tochter befassten war uns egal. Wahrscheinlich Schaulustige abwimmeln oder so. Jedenfalls wurde unsere Haustüre geschlossen und wir kriegten Zeit mit unserer Tochter. Ich wollte Emilia nicht mehr loslassen, klammerte mich ebenso an meinem Kind fest, während Wincent sich an uns festhielt. Der starke und mir Halt gebende Kerl war verschwunden, auch Wincent war nur noch ein schwaches Häufen wie ich. Obwohl die Erleichterung riesig war, übermannten uns noch viel mehr Gefühle. Irgendwann kamen wir mit Hilfe einzelner Polizisten beim Sofa an und da Igelten wir uns zu dritt erneut ein. Als ob wir die letzten Tage, Wochen der fehlenden Nähe jetzt irgendwie aufholen mussten. Wir liessen uns kaum los, doch irgendwann kam der Moment, an dem wir einfach mussten. Die Polizei wollte noch ein paar Dinge von uns wissen und wir mussten uns einfach auch darum kümmern auch wenn ich einfach nur mit Emilia alleine sein wollte. Die Ärztliche Untersuchung musste natürlich auch durchgeführt werden und deshalb liessen wir alles über uns und Emilia ergehen, damit wir danach fürs Erste einfach alleine mit ihr sein konnten.

Die erste Nacht war komisch. Nachdem die Polizisten abgerückt waren, waren Wincent, ich und Emilia komplett alleine. Auf einmal war unsere Maus wieder da und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Emilia sagte nichts, kein Wort. Unser Plappermaul war einfach stumm. Aber zum Glück, zog sie sich nicht auch noch von uns zurück. Sie suchte ständig meine Nähe, liess mich nicht mehr los und ich wollte sie ebenso nicht mehr hergeben. „Lass uns ins Bett gehen." Sagte Wincent dann leise und ich nickte. „Ich will Emilia zu uns ins Bett nehmen." Sagte ich dann zu meinem Mann, der direkt nickte. „Okei. Ich hol ihr Pyjama." Sagte er und folgte mir nach oben. „Schläfst du heute bei Mama und Papa?" fragte ich Emilia leise die einfach nur zögerlich nickte und an mir hing. Ich zog ihr dann ihren Pyjama an, den mir Wincent gebracht hatte und legte sie in die Mitte des Bettes. Doch Emilia rutschte auf meine Seite und sah mich dann an. Sie hatte ihren Schnulli im Mund und nuckelte fest daran. „Willst du nicht in der Mitte schlafen?" fragte ich sie, als ich und Wincent bettfertig waren. Emilia schüttelte mit dem Kopf und deutete nuckelnd auf mich. „Mama soll in der Mitte schlafen?" fragte ich und da nickte sie leicht. „Okei." Sagte ich und legte mich dann neben sie, während Wincent sich hinter mich legte und sich an mich schmiegte. Emilia schlief Gott sei Dank irgendwann ein, während Wincent und ich einfach die ganze Nacht da lagen und unser Mädchen ansahen, anfassten und irgendwie realisieren mussten, dass sie wieder da war.

~2 Wochen später~

Es war Anfang März und Emilia war nun seit zwei Wochen wieder zu Hause. Die Tage rauschten nur so an uns vorbei, die Familie hatte die Nachricht, dass Emilia wieder zu Hause war mittlerweile auch gut verdaut und sie halfen uns wo sie nur konnten in unser altes Leben zurück. Emilia wurde in der Zeit, in der sie weg war gut behandelt. Wir mussten uns nicht mit einer Misshandlung oder solchen Dingen auseinandersetzen. Sie hatte nicht ein einziges Mal mit dem Auftraggeber dieser Entführung zu tun, sondern war in der Obhut einer Pflegefamilie, die nichts davon wussten, dass dieses kleine Mädchen entführt wurde. Wincent fuhr vor ein paar Tagen zu diesen Leuten und wollte einfach sehen wo Emilia war, wer die Leute waren die auf unser Mädchen geschaut hatten und selbst nicht wussten, dass sie Opfer einer solchen Tat waren. Nach seiner Rückkehr war er aufgewühlt, unruhig und ruhelos. Er hatte viele Infos von dieser Zeit erhalten. Wie Emilia sich verhalten hatte, wie es ihr ging und was alles so passierte in der Zeit. Erst wollte er es mir nicht erzählen, doch ich kriegte es dann doch aus ihm heraus und ich weinte den restlichen Abend. Emilia weinte viel zu der Zeit, vermisste uns und suchte uns ständig. Immer wieder fragte sie nach Mama, Papa und Leon. Das alles zu hören tat mir so sehr weh und mein Hass auf Hanna, wurde immer grösser. Die Nanny hatten wir seit jener Nacht nicht mehr wieder gesehen. Wir wollten keinen Kontakt mehr und uns war es herzlich egal, was mit ihr geschah. Wir wussten nur eins, wir wollten keine Nanny mehr. Nie wieder.

Ich sah Wincent zu, wie er vergeblich versuchte Emilia für sich zu gewinnen. Die Kleine zog sich etwas von ihrem Papa zurück und hing nur an mir oder beschäftigte sich mit Leon. Wincent wirkte leicht verzweifelt, hatte er vor der ganzen Sache doch immer so leichtes Spiel bei der Maus. Es tat mir leid und ich hätte so viel dafür gegeben, dass Emilia wieder so an ihrem Papa klebte wie davor. „Gib ihr Zeit." Sagte ich leise zu ihm, als er sich frustriert und enttäuscht aufs Sofa hatte sinken lassen. „Wieso zieht sie sich so vor mir zurück? Ich versteh das nicht." Sagte Wincent leise. „Die Therapeutin sagte doch, dass es sein kann, das sich Kinder denen sowas passiert ist, zur weiblichen Bezugsperson zurückziehen. Dass die Mutter-Kind Bindung in dem Fall einfach grösser ist und mehr Vertrauen auslöst beim Kind." Sagte ich und strich ihm durch die Haare, als er sich gegen mich hatte sinken lassen. „Das heisst, sie vertraut mir nicht mehr?" fragte Wincent dann murmelnd. „Nein. Das heisst, dass sie einfach noch etwas Zeit braucht das alles zu verarbeiten. Wie wir auch. Es sind gerade mal 2 Wochen vergangen, seit sie gerettet wurde und wieder bei uns ist." Redete ich ruhig mit meinem Mann und massierte seinen Nacken.

„Mama, Kekse?" hörte ich dann Emilia die hinter mit aufgetaucht war in der Küche. Noch immer löste ihre Stimme in mir unglaubliche Glücksgefühle aus und ich konnte es manchmal immer noch nicht glauben, dass sie wieder hier war. „Schatz wir haben keine mehr." Sagte ich zu ihr und sah sie an. „Ich mag aber Kekse haben." Sagte sie und verzog ihr Gesicht. „Komm wir holen welche." Sagte Wincent der zu uns in die Küche kam und sah seine Tochter erwartungsvoll an. Emilia drehte sich zu ihm und sah Wincent musternd an. Wincent setzte sein vertrauenswürdigstes Gesicht auf und blickte Emilia an. Doch die Kleine schüttelte den Kopf. „Mit Mama zusammen." Sagte sie und griff nach meiner Hand. Ich sah zu Wincent und dann wieder zu Emilia. „Mama kann aber grad nicht." Sagte ich dann zu ihr und lächelte sie sanft an. „Geh doch mit Papa mit." Forderte ich sie sanft auf. „Nein. Papa kann alleine gehen." Sagte sie dann und sah zu mir. Mein Blick ging sofort wieder zu Wincent und ich sah in seinen Augen, wie sehr ihm das alles weh tat. „Schatz..." sagte ich doch Wincent schüttelte den Kopf. „Schon okei." Sagte er leise und drehte sich weg. „Wincent..." sagte ich und folgte ihm. „Ich hol alleine. Alles gut." Sagte er und hatte das Haus schneller verlassen wie ich gucken konnte. Ich senkte ebenso etwas traurig meinen Kopf und seufzte. Emilia hatte sich derweil schon wieder zu Leon ins Bällebad begeben und spielte ruhig mit ihrem Bruder. Ich beobachtete die beiden einen Moment und fragte mich, was in Emilias Kopf vor sich her ging. Ich wünschte mir, einfach nur jetzt in ihren Kopf schauen zu können, um rauszufinden woran es lag, dass sie sich so von Wincent zurückzog. Doch dies schien einfach wirklich normal zu sein und dass es einfach etwas Zeit brauchte, bis sich die Beziehung zu ihrem Papa wieder normalisieren würde. Dennoch tat mir Wincent unglaublich leid und ich wünschte mir nicht mehr, als dass sie Beziehung zwischen Emilia und ihrem Papa wieder so werden wird wie sie mal war.

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt