Kapitel 74

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•Wincent•

Nach meiner Aktion mit dem Babybett raufte ich mir die Haare und ging zur Tür. Da legte ich meine Stirn an die Türe und schloss meine Augen. Ich musste mich irgendwie beruhigen und atmete tief durch. Meine Tochter war weg, wegen den Spielschulden, ihrer Nanny! Hanna sass immer noch auf dem Boden und weinte. Ich beachtete sie nicht, beide waren wir mit uns selbst beschäftigt. „Wincent?!" hörte ich dann die Stimme meines besten Freundes. Ich öffnete langsam die Tür und trat beiseite als Marco die Tür ganz aufschob. „Wo ist sie?!" sagte Marco und ich deutete schweigend in die Ecke wo Hanna war und heulte. Marco ging zu ihr und zog sie am Arm auf die Beine. „Steh auf." Sagte er eher leise und für meinen Geschmack zu freundlich. „Ist die Polizei schon da?" fragte ich leise an Marco gewandt. „Ja. Sie sind unten. Wir sind gleichzeitig hier angekommen." Sagte mein bester Freund und ich nickte nur. Ich verliess den Raum und gefolgt von Hanna und Marco der die Nanny am Arm festhielt. Unten angekommen nickte ich den Beamten nur zu, welche mir genauso schweigend zu nickten. Marco liess Hanna dann los und ging zu Mia ins Wohnzimmer die da Leon auf dem Arm hatte. Die Polizisten waren sehr geduldig, anstatt Hanna direkt mitzunehmen blieben sie mit ihr hier und wir konnten für Leon die Wickeltasche packen damit Marco alles Wichtige dabei hatte. „Ich hol ihn später ab." Sagte ich dann zu Marco welcher nickte und mit Leon dann das Haus verliess. Der Kleine musste in letzter Zeit auch sehr viel durchmachen und ich hoffte, dass es einfach bald ruhiger werden würde.

Wir setzten uns Hanna gegenüber an den Tisch. Wir beschlossen die erste Befragung hier bei uns zu machen. Es wurde alles auf Tonband aufgenommen was uns Hanna erzählte und ich dachte wirklich im falschen Film zu sein. Ich riss mich zusammen und Mia versuchte auch ruhig zu bleiben. Ich hielt ihre Hand und Mia klammerte sich regelrecht an mich. „...ich hatte versucht meine Spielschulden abzuzahlen und dachte einfach, alles oder nichts und bin dann bei Pferderennen eingestiegen. Ich war so dumm, ich hatte einfach auf das beste Pferd gesetzt und das hatte dann durch nen Unfall verloren und meine Schulden schossen nochmal in die Höhe." Weinte Hanna und ich wusste echt nicht ob sie mir leid tun sollte oder sie einfach nur dumm war. „Wie dumm kann man sein?!" sprach Mia dann das aus. Der Polizist bat meine Frau ruhig zu bleiben während Hanna sich versuchte zu beruhigen. „Ich wusste nicht mal mehr wann ich in diese Scheisse rein gerutscht war und mir das Geld geborgt hatte um die Schulden zu bezahlen. Ich bin dann aus Verzweiflung abgetaucht und das sehr erfolgreich, bis ich vor ein paar Monaten hier bei der Familie Weiss wieder angefangen hatte. Ich dachte durch die Typveränderung würde mich niemand mehr finden. Aber irgendwann hatten sie mich wieder...." Sprach Hanna. „Und dieser Kerl von Letztens? War das wirklich dein Ex?" fragte Mia. „Nein. Es war einer dieser Typen." Antwortete Hanna leise. „Und als sie dich wieder hatten, hast du zum Tausch meine Tochter angeboten?!" platze es nun aus mir heraus. Das war doch einfach alles nur ein schlechter Film! „Nein!!! Die wussten ja nicht mal, dass Emilia deine Tochter ist! Sie dachten sie sei meine und hatten sie als Druckmittel gesehen.", „Druckmittel?" hakte ein Polizist nach. „Ja, damit ich endlich bezahlen würde.", „Seit wann wussten sie worum es ging und dass Emilia Weiss wegen ihnen entführt wurde?" hakte er nach.

Hanna schwieg. Sie sah mich und Mia kurz an und schluckte dann schwer. „Frau Richter?", „4 Tage nach der Entführung kriegte ich den ersten Brief." Murmelte sie und ich dachte mich verhört zu haben. „Sag das noch mal!" platze es aus mir heraus. Hanna wiederholte es nochmal und da musste die Befragung kurz unterbrochen werden. So ruhig ich davor war und Mia immer versuchte zu beruhigen, so sehr flippte ich nun aus. Hanna wusste ab dem 4. Tag was los war und wir tappten nun einfach seit 33 Tagen im Dunkeln. Der grössere Polizist griff dann ein und brachte mich ins Wohnzimmer und redete mit mir und versuchte mich zu beruhigen. Mia war weinend im Büro verschwunden, während der andere Polizist bei Hanna blieb. Nach einer Unterbrechung von 20 Minuten ging es dann weiter. Aber ohne Mia. Sie hielt es nicht mehr aus und zog sich ins Schlafzimmer zurück während ich alles hören wollte. Hanna erzählte dann, dass sie es immer wieder schaffte, irgendwoher Geld aufzutreiben und dass auch das Geld hier direkt zu den Entführern floss. Es war alles so absurd und ich konnte es einfach nicht glauben, dass wir einfach unschuldige Opfer waren, deren Tochter entführt wurde. Ein unschuldiges, kleines Mädchen. „Haben sie die Forderungen noch zu Hause?!" fragte der Polizist. „Ja..." nickte sie leicht. „Gut. Dann werden wir mit ihnen nun dahin fahren, alles einsammeln und mit nehmen." Befahl der Polizist und Hanna stand auf. „HALT!" sagte ich und schob den Stuhl laut zurück. Alle sahen sie mich an und ich fixierte Hanna. „Weisst du wie es Emilia geht?!" fragte ich sie und durchbohrte sie mit meinem Blick. „Emilia geht es gut. Sie... sie ist bei... einer Art ‚Pflegefamilie'." Sagte Hanna und kramte nach ihrem Handy.

Gespannt sah ich sie an, als sie mir ihr Handy hinstreckte. „Von gestern." Sagte sie zu mir und als ich sah was auf dem Bild war, versuchte ich krampfhaft meine Fassung zu behalten. Es war ein Bild von Emilia wie sie in einem Kinderbett lag, mit nem Schnuller im Mund und schlief. Ich ertrug den Anblick nicht lange und schob das Handy zurück. Hanna nahm es wieder und sah mich an. „Schick mir das Bild bitte." Sagte ich dann leise und das tat sie dann auch. Kurz danach verliessen die Polizisten zusammen mit Hanna unser Haus und ich liess mich gegen die Tür sinken. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und öffnete die Nachricht und sah das Foto meiner Tochter an. Ich begann auf der Stelle zu weinen und sank an der Tür entlang zu Boden. Ich tippte dann eine Nummer an und hielt mir das Handy ans Ohr. „Mum? Kannst du bitte herkommen?" weinte ich und legte dann wieder auf. Ich rappelte mich auf und versuchte mich irgendwie zu beruhigen. Ich stieg dann die Stufen hoch und blieb in der Mitte stehen als ich Mia entdeckte, die oben stand und mich ansah. „Du weinst! Wincent sag mir das Emilia noch lebt." Sagte sie leise und ich nickte nur. „SAG ES!" forderte meine Frau und begann auch wieder zu weinen. „Sie lebt." Sagte ich und da liess sich Mia auf die oberste Stufe sinken und ich setzte mich zu ihr. Mit etwas zittriger Hand zeigte ich ihr das Foto unserer Tochter und weinten dann beide noch mehr. Ich zog Mia in meine Arme und sie hielt sich an mir fest. Ich war mir nicht sicher ob wir aus Erleichterung weinten, weil wir endlich ein ‚Lebenszeichen' unserer Tochter hatten oder weil das ganze Elend nun so richtig los gehen würde.

Als meine Mutter hier war, begann auch sie zu weinen und irgendwann konnten wir ihr dann auch alles erzählen was war. Das wir nun endlich ein Motiv hatten und hoffentlich bald eine direkte Spur zu Emilia. Auch Marco kam später mit Leon her, denn ich war eindeutig nicht mehr in der Lage, Auto zu fahren. Mia rief auch Basti an und kurzerhand kamen auch er und Amelie die mittlerweile mehr bei Basti wohnte als in Dortmund, zu uns. Wieder waren die wichtigsten Leute bei uns. Meiner Schwester würden wir die Neuigkeit morgen sagen, wenn sie für ihr freies Wochenende zu meiner Mutter fahren würde und auch meinen Grosseltern würden wir es erst morgen sagen. Alles stand wieder Kopf, auch wenn wir nun ein paar Anhaltspunkte hatten, wussten wir, dass es nun nicht einfacher werden würde. Nun würde es wohl noch schlimmer werden, die Angst und Hoffnung wieder dicht beieinander. Aber immerhin konnte die Polizei nun mit ihrer Arbeit beginnen.

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt