Kapitel 72

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•Mia•

Die Aktion in Hamburg war mir immer noch peinlich, auch wenn dies nun schon zwei Tage her war. Aber ich hätte wetten können, dass dieses kleine Mädchen meine Tochter war. Aber leider nein. Es war nicht Emilia und wir hatten auch nichts Neues gehört. Wincent arbeitete wieder im Fitnessstudio, ich hatte ja bisschen Bammel, dass er da auf Julian treffen würde. Aber bisher blieb alles ruhig und Wincent wurde nicht verhaftet, weil er Julian irgendwas angetan hatte. Gerade kam ich von der Arbeit nach Hause und hängte meine Jacke auf. Es war ruhig im Haus, Leon war wahrscheinlich oben im Bett und schlief. Aber wo war Hanna? Ich sah in die Küche, doch da war sie nicht. Dann schaute ich im Wohnzimmer nach, aber auch das war leer. Dann hörte ich sie reden und es zog mich automatisch dahin. Sie war im unteren Badezimmer und redete mit jemandem am Telefon. Es schien ein hitziges Gespräch zu sein, denn Hanna redete immer dagegen und ihre Stimme schien ab und zu leicht verzweifelt. Ich pirschte mich dann an die Tür und wollte lauschen. „...ihr bitte nichts. Ich schaff das rechtzeitig!" sagte sie. Ich war so neugierig und wollte weiter lauschen, doch ich bemerkte wie sich die Tür bewegte, also verschwand ich so schnell wie möglich und ging zurück zur Küche. Aber anscheinend war das Gespräch sowieso vorbei, denn Hanna kam aus dem Badezimmer und verstaute ihr Handy. „Hallo Hanna." Sagte ich dann so neutral wie nur möglich. Unsere Nanny schreckte hoch und starrte mich an. „Mia!" sagte sie. „Alles gut?" fragte ich nach und ging zu ihr. „Ja... Ja ich... Du hast mich nur grad mega erschreckt." Sagte sie und widmete sich ihrer Handtasche. „Hm." Machte ich und beobachtete sie einen Moment. Als Leon begann zu weinen, wachten wir beide aus dem Moment auf und ich sah zur Treppe. „Ich geh schon." Sagte ich zur Nanny und machte mich auf den Weg zu Leon.

Etwas später hatte ich Hanna nach Hause geschickt und ich kümmerte mich um Leon. Auch Wincent kam kurz danach nach Hause und liess sich aufs neue Sofa sinken, welches gestern angekommen war. Ich machte uns etwas zu Essen und überlegte mir die ganze Zeit, wie ich Wincent dieses Gespräch erzählen konnte. Je mehr ich drüber nachdachte, desto misstrauischer wurde ich. Vielleicht... Nein. Das konnte nicht sein. Aber... möglicherweise... Hmm.. Es wäre nicht das erste Mal, das wir mit übergeschnappten Leuten zu tun hatten. Aber das Hanna etwas mit dem Verschwinden von Emilia zu tun hatte? War ich nun einfach so übergeschnappt, dass ich nun unsere Nanny verdächtigte? „Wo bist du mit deinen Gedanken?" fragte mich Wincent während wir uns an den Tisch setzten und mit dem Abendessen begannen. „Nirgends." Sagte ich und sah zu Leon. „Du warst schon immer schlecht im Lügen." Schmunzelte Wincent dann. Ich seufzte und liess kurz meinen Kopf hängen. „Was ist los?" hakte Wincent nach. „Lass uns fertig essen, danach muss ich dir etwas erzählen was ich heute beobachtet habe." Sagte ich und Wincent nickte. Natürlich hatte ich nun seine Neugier geweckt und Wincent machte sich über seinen Teller her. „Ich bring Leon ins Bett." Sagte er dann und stand auf. Er nahm Leon aus dem Hochstuhl und kam zu mir. „Sag Mama gute Nacht." Sagte er zu Leon und streckte ihn mir entgegen, damit ich ihm einen gute Nacht Kuss geben konnte. Kurz danach war Wincent mit Leon verschwunden und ich räumte den Tisch ab.

„Also ich bin da." Sagte Wincent und kam zu mir in die Küche. „Lass uns ins Wohnzimmer gehen." Sagte ich und folgte dann Wincent. Er setzte sich hin und sah mich an. Ich setzte mich zu ihm und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Mia was ist los?" fragte er wie schon so oft. „Wincent ich weiss nicht ob ich langsam überschnappe... Aber... Ich finde Hanna einfach nur noch komisch. Ich habe mir heute den Kopf zerbrochen und... Was wenn sie... wenn..." redete ich und schluckte dann schwer. „Was wenn sie etwas mit Emilias Verschwinden zu tun hat?" fragte ich meinen Mann. „Was?" sagte er und sah mich ungläubig an. „Wie kommst du darauf?" fragte er mich. „Naja.. Seit Emilia weg ist, ist sie auch so komisch. Sie ist oft krank und geht uns aus dem Weg." Sagte ich. „Mia ich denke es ist auch für sie eine krasse Situation." Redete mir Wincent dazwischen. „Aber... Sie wird verfolgt von einem komischen Kerl und heute hab ich ein Gespräch mitgekriegt." Sagte ich zu ihm. „Was für ein Gespräch?" fragte er dann. Ich erzählte ihm den ganzen Verlauf. Wie ich nach Hause kam, niemand zu finden war und ich dann Hannas Stimme im unteren Badezimmer hörte. „Sie war irgendwie verzweifelt und aufgebracht. Und dann habe ich gehört wie sie etwas sagte, dass jemand etwas nicht tun soll und sie es rechtzeitig schafft." Sagte ich und sah Wincent an. „Mia..." sagte er und seufzte leicht. „Ich glaube du steigerst dich da in etwas rein, was nicht ist." Sagte Wincent schon fast liebevoll und sah mich auch mit genau so einem Blick an. Ich liess meinen Kopf hängen und seufzte. „Aber... Ach... Wahrscheinlich hast du recht. Aber irgendwann müssen wir doch eine Spur haben. Emilia ist nun seit einem Monat weg und wir wissen NICHTS!" sagte ich und verzweifelte schon fast. „Ich weiss..." sagte Wincent leise und nickte.

Es war zum Mäuse melken. Wir hatten nichts, keine Spur. Keine Lösegeldforderung gar nichts. Kein Hinweis oder sonst was. Wir sassen auf dem Sofa und sahen eine Serie auf Netflix. Aber ich hing eher meinen Gedanken nach, als ob ich irgendwie etwas von dieser Serie mitkriegte. „Hey... Hör zu. Wenn du willst, kann ich Hanna auf ihr Verhalten ansprechen. Sie kann es uns sicher irgendwie erzählen. Sie hat sicher eine simple Erklärung dafür." Sagte Wincent und ich sah ihn an. Er sprach zwar die Worte aus, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, als ob auch er irgendwie daran zweifelte. „Du glaubst nicht an deine Worte oder?" fragte ich und sah Wincent an. „Ich... Ach keine Ahnung ich hab keine Ahnung woran ich noch glauben soll oder nicht." Seufzte Wincent und strich sich durch die Haare. Es war also doch nur eine Fassade, die er hochgezogen hatte um mich irgendwie zu schützen oder so. Wir sassen beide noch eine Weile da und versuchten etwas von dieser Serie mitzukriegen, aber irgendwie funktionierte es einfach nicht. „Mia ich glaube wir sollten einfach schlafen gehen und den morgigen Tag mit neuer Stärke in Angriff nehmen." Sagte er und stand auf. „Ja, du hast wahrscheinlich recht." Nickte ich und machte den Fernseher aus. Wir gingen beide in die Richtung der Treppe und blieben dann stehen. „Also... Dann... Schlaf gut." Sagte Wincent und drehte sich dann ab und ging langsam zum Büro. Ich sah ihm hinterher und nahm dann all meinen Mut zusammen. „Wincent?" sagte ich und da drehte er sich zu mir. „Hm?" machte er.

„Kommst du... wieder zu mir ins Bett?" fragte ich leise und senkte meinen Blick. „Bist du dir sicher?" fragte er und kam zurück zu mir. „Bist du... schon so weit?" fügte er dann noch hinzu. „Ich versuchs..." nickte ich und sah ihn an. „Aber wenn du es noch nicht bist, dann warten wir noch." Sagte ich leise. Wincent sah mich einen Moment einfach nur an. „Irgendwann müssen wir anfangen auf einander zu zugehen. Irgendwann müssen wir es zu lassen, wenn wir wollen, dass wir wieder gemeinsam funktionieren." Sagte ich und ich wusste gerade nicht woher diese Worte kamen. Ich sprach sie halt einfach aus. „Du hast recht." Sagte Wincent dann und begann leicht zu lächeln. Auch ich lächelte leicht und ging dann langsam hoch während mir Wincent hinterherkam. Irgendwie wars doch noch bisschen komisch, aber ich unterdrückte dieses Gefühl nun einfach. Ich verschwand im Bad und machte mich Bettfertig. Als ich zurück ins Schlafzimmer kam, lag Wincent wie früher oben ohne im Bett und tippte noch auf seinem Handy rum. Es kribbelte in meinem Bauch und ich merkte wie wir einen winzigen Schritt in eine Normalität machten, die wir unbedingt brauchten. Wincent legte sein Handy weg und sah dann zu mir. Ich schlüpfte unter meine Decke und sah dann zu Wincent. Wir wussten irgendwie beide nicht was wir sagen sollten, also kam von beiden nur ein leises „Gute Nacht." Dann machten wir das Licht aus und ich schlief auf der Stelle ein und schlief so gut wie schon lange nicht mehr.

Wir beide bleibenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt