Kapitel Hundertsechs

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Jungkook

Selbst geschockt und unglaublich perplex starrte ich in die Augen meines Zwillings, der kaum zu glauben schien, was er gerade sah. Er stand wie angewurzelt auf der Stelle, genau so wie Taehyung und ich. Wir hatten es nicht mal geschafft, uns voneinander zu lösen, als würde die Zeit still stehen und die Erde sich in diesem Moment, diesen unendlich langen und qualvollen Moment nicht mehr drehen. Doch das tat sie. Man konnte nicht einfach die Zeit anhalten oder noch einmal zurück drehen, damit mein Bruder sich das hier nicht ansehen musste und ich es ihm selbst sagen konnte.

Nein. Leider war es genau so passiert, wie es nicht passieren sollte. Und der Schock saß uns allen so tief, sodass sich keiner traute sich zu bewegen und diesen Moment zu unterbrechen.

Naja, Jeongguk tat es irgendwann. Denn sein Blick änderte sich von geschockt zu einem Mix aus wütend und traurig, wobei ich nicht wusste, was von beidem er mehr war. Ob er fast vor Wut platzte, da sein Bruder ein Arschloch war, welcher mit seinem Crush vögelte, nur um sich offensichtlich zu verlieben, oder weil er vor Traurigkeit gleich auf seine Knie fiel und den ganzen Abend heulen und vor mir weglaufen würde. Weil ich der Idiot war, welcher zu feige gewesen war, es ihm selbst zu erzählen. Und jetzt war ich Schuld an dieser beschissenen Situation hier.

Taehyung hatte nicht einmal viel Schuld. Klar, er war mit mir, dem anderen Zwilling ins Bett gestiegen obwohl er mit meinem Bruder am flirten gewesen war, doch Jeongguk wusste von Anfang an, dass er sicherlich nicht der einzige in Taes Leben sein konnte.

"Jeongguk, ich-" "Lass... Lass es sein, ich... Warte im Auto auf dich" unterbrach er mich aber und ging dann auch schon. Er drehte sich kein einziges Mal mehr zu mir um, sondern rannte einfach davon, durch den Regen zu meinem Auto zurück, in dem er anscheinend auf mich warten würde. Ich war so ein Arschloch und er wartete sogar noch auf mich, obwohl er all das Recht dazu hatte, einfach weg zu fahren.

Und Taehyung... Tae wusste selbst nicht so genau, was er sagen sollte. Alles was er tat, war gerade etwas hilflos da zu stehen und sich ein wenig von mir zu entfernen, sodass mir sein bedrückter und entschuldigender Blick erst richtig auffiel.

"Es... Gott es tut mir so leid, Jungkook. Ich wollte nicht, dass das hier passiert, nur weil ich... Ich wollte deswegen niemals zwischen euch stehen, verdammt ich... Bin so ein Idiot" meinte er irgendwann, doch alles, woran ich gerade denken sollte, war Jeongguk. Tae anzusehen sorgte nur dafür, dass sich selbst Tränen in meinen Augen sammelten und ich einfach in seine Arme fallen und mich ausheulen wollte, doch ich konnte meinen Bruder nicht noch länger warten lassen. Nicht nach dem, was ich ihm heute schon angetan hatte.

"Liebst... Du mich? Bevor ich gehe... Will ich wissen, ob du mich auch liebst. Ich liebe... Meinen Bruder und ich muss dringend mit ihm reden, egal wie sehr es mich und ihn verletzen wird... Aber ich will dich. Und ich muss wissen... Ob du mich genau so sehr willst, wie ich dich" fragte ich jedoch, bevor ich selbst weg rennen und mich zu Jeongguk in mein Auto setzen würde, auch wenn es jetzt nurnoch einen Grund hatte, nämlich ihn nicht länger warten zu lassen. Taehyung und ich waren schon so nass, sodass man meinen könnte, wir wären mit unseren Klamotten in einen Pool gesprungen.

Aber ich erkannte die Verwirrung in seinem Gesicht, auf der einen Seite schien er mich nicht weiter aufhalten zu wollen, auf der anderen war ihm genau so bewusst wie mir, dass genau jetzt... Wo wir uns endlich gesagt hatten, was da zwischen uns war, es vielleicht keine Chance mehr gab. Hätte Jeongguk es anders heraus gefunden, vielleicht. Aber auf diese Art und Weise... Musste ich erst einmal das mit meinem Bruder in Ordnung bringen.

Obwohl es mir so verdammt schwer fiel, vorallem Taehyung gerade anzusehen. Er war genau so verletzt wie ich und gab sich womöglich auch selbst die Schuld. Was ich verstehen konnte, aber es war meine. Ganz allein... Meine. Tae war immer ehrlich gewesen, nur ich Vollidiot hatte es nie geschafft, mit meinem Bruder zu reden, der jetzt unglaublich verletzt sein musste. Ich konnte mir womöglich nicht mal vorstellen, wie sehr. Aber ich würde es wohl gleich heraus finden müssen.

Denn ich musste mit Jeongguk reden und das ganze irgendwie in Ordnung bringen. Nur vorher... Hörte ich genau das, was ich zuvor hatte hören wollen. In dem Moment als ich noch glaubte, tatsächlich mit Tae zusammen sein zu können. Da er tatsächlich... Das gleiche empfand.

"Du kannst dir nicht vorstellen... Wie sehr ich dich liebe. Ich dachte nicht, dass ich dazu fähig wäre, wieder jemanden so sehr zu lieben... Aber ich tue es. Nur werde ich eure Beziehung auch nicht zerstören. Weswegen du... Dringend zu deinem Bruder gehen solltest. Wir... Reden, also geh schon" erklärte Taehyung, doch ich war einfach nur durcheinander. Ich wusste, dass Jeongguk mich in diesem Moment unglaublich hassen musste, zudem wusste ich auch nicht, was genau ich sagen sollte.

Es war sehr offensichtlich gewesen, dass das, was zwischen dem Älteren und mir lief, schon eine Weile so war. Unser Kuss hatte sicherlich nicht so ausgesehen, dass wussten wir beide. Weswegen sich mein Bruder definitiv seinen Teil denken konnte und ich nicht wusste, was ich sagen könnte, um es irgendwie besser klingen zu lassen und ihn nicht weiter verletzen zu müssen. Das hatte ich nämlich definitiv schon genug.

Und doch... Wollte ich genau so wenig gehen, sondern einfach in Taes Arme fallen, mit ihm zu sich nach Hause und meinen Kopf frei bekommen. Einen Abend noch eine Pause von all meinen verwirrenden Gedanken zu bekommen und sie zu sortieren, sodass ich auch dazu in der Lage war, wirklich mit Jeongguk zu reden. Aber ihn jetzt einfach so gehen zu lassen, ohne eine Erklärung, war nicht das richtige.

"Ich... Fuck, was zur Hölle... Mache ich jetzt" meinte ich noch verzweifelt, bevor ich mich ehrlich auf den Weg machen sollte. Aber ich war einfach nur durcheinander und selbst geschockt von dem Moment gerade, da ich sicherlich nicht erwartet hatte, so plötzlich von Jeongguk gesehen zu werden. Obwohl es dumm gewesen war, Taehyung so lange und innig auf einem bescheuerten Schulhof zu küssen, während mein Bruder auf mich wartete und sich sicherlich Sorgen gemacht hatte, nachdem ich nicht gekommen war.

Das hier war alles meine Schuld. Ich hätte es nicht nur wissen sollen, sondern auch schon viel früher mit Jeongguk reden müssen.

"Mit ihm reden. Wenn du möchtest, kann ich-" "Nein du... Du hast keine Schuld hier dran, oder zumindest nur zum Teil. Ich hätte mit ihm reden müssen. Das hätte ich schon... Seitdem ich wusste, was ich für dich empfinde" seufzte ich und unterbrach den Älteren, der selbst nicht genau wusste, was er sagen sollte. Was ich definitiv nachvollziehen konnte. Er musste sich gerade sicherlich die Schuld dafür geben, sich zwischen Jeongguk und mich gestellt zu haben, dabei konnte er genau so wenig für seine Gefühle, wie ich.

Wäre es nur Sex gewesen, hätte keiner etwas davon heraus gefunden und irgendwann wäre Gras drüber gewachsen. Aber wir beide... Fühlten Dinge, die so unglaublich stark geworden waren, im Laufe der Zeit. Und uns jetzt... Wohl zum Verhängnis wurden.

"Jungkook" "Ich schreibe dir... Später. Weil ich jetzt wirklich... Gehen sollte"

~

Ouch, it's gonna become even more ouchy soon

Twins // 𝑇𝑎𝑒𝑘𝑜𝑜𝑘 ✓ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt