Kapitel Hundertachtundzwanzig

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Jungkook

Eigentlich sollte ich mich hierdrüber freuen. Die Stimmung auf unserer Abschlussfeier war gut, unsere Lehrer waren mal keine Arschlöcher und irgendwie hatte ich es geschafft, Taehyungs Notendurchschnitt zu toppen. Zwar war es nur 0,1, aber Anfang des Jahres hätte es mich noch mehr als nur zufrieden gestellt, besser als der Ältere zu sein. Und ja, auch wenn wir keine Rivalen waren, machte es mich doch ein kleines bisschen stolz und innerlich fast schon ein wenig hochnäsig, da es eigentlich eher ausgesehen hatte, als würde Taehyung den 1,0 Schnitt schaffen. Am Ende war es dann aber doch ich gewesen.

Aber etwas anderes wäre mir viel wichtiger. Nämlich einfach bei dem Älteren zu sein, den ich die ganze Zeit über schon musterte. Eigentlich stand er die meiste Zeit mit seinem besten Freund Seokjin und diesem Freund Kim Namjoon an einem kleinen, runden Tisch, während sie etwas Alkohol tranken. Außer Taehyung, der sowieso fahren musste und immer so vorbildlich war, sodass er garnichts trank, wenn er selbst fuhr. Um niemanden anderen und auch sich selbst nicht in Gefahr zu bringen.

Dieser Kerl trieb mich ehrlich noch in den Wahnsinn, egal wie es zwischen uns angefangen hatte und was ich am Anfang von ihm dachte, er war einfach nur perfekt. Und ich vermisste ihn... So sehr. Zwar war er gestern noch die ganze Nacht bei mir gewesen, aber ohne ihn aufzuwachen war einfach beschissen. Ich wollte jeden Morgen bei ihm aufwachen, in seinen Armen, am besten noch in seinem Apartment, wo wir ganz alleine waren und unseren Morgen zusammen genießen konnten. Aber die letzte Zeit wurde uns das ganze genommen, da wir beide nicht wussten, wie wir uns am besten gegenüber meinem verletzen Bruder verhalten sollten, bis es in einem Desaster endete.

Und seitdem schien sich vorallem Taehyung nicht mehr zu trauen, mir näher zu kommen. Dabei hatte ich ihm schon längst vergeben, obwohl es eigentlich nichts zum Vergeben gab. Es war nicht seine Schuld, womöglich hatte er es mit meinem Bruder auch schon geregelt und auch ich würde noch die Chance bekommen um ihm zu sagen, dass ich nicht sauer oder enttäuscht war. Wäre ich an seiner Stelle, hätte ich es wohl auch nicht gemerkt.

Ich brauchte Taehyung. Und genau deswegen würde ich den nächsten Schritt machen. Etwas, dass ich gestern schon wollte, aber zu krank war, um es auch wirklich genießen zu können.

"Du siehst nicht mehr so aus, als würdest du dich amüsieren. Dein Bruder ist heute nicht hier, er hat seinen Abschluss an einem andere Tag und trotzdem... Konntest du gerade einmal vorhin ein wenig abschalten" hörte ich es schon ziemlich bald von Jimin, welcher sich neben mich, auf die Bank, auf der ich saß, setzte und es sich mit einem Glas Champagner dort bequem machte. Nachdem er natürlich endlich glücklich sein konnte, mit Yoongi, auch wenn ich es nicht ganz gut hieß, wie es dazu gekommen war, konnte ich ihn eigentlich am wenigsten dafür verurteilen. Und ich war ja auch froh für meinen besten Freund, dass er jemanden finden durfte, den er ehrlich liebte.

Ich hatte vielleicht niemanden über mehrere Monate betrogen und nie die Wahrheit gesagt, da Tae nicht mit meinem Bruder zusammen gewesen war, aber es war auch nicht richtig, mit ihm zu vögeln da ich wusste, wie sehr Jeongguk ihn den Rothaarigen verknallt war. Und am Ende... Waren seine Gefühle sogar so stark geworden, sodass er sich in den Berührungen des Älteren verlor, die eigentlich mir galten.

Weil er mich liebte. Und eigentlich hatte ich einfach nur dieses Gefühl genießen wollen, von Taehyung geliebt zu werden, nach dem Start, den wir gehabt hatten. Ich hatte niemals damit gerechnet, tatsächlich eine Chance mit ihm zu haben, denn Tae war für seine One Night Stands und flirts bekannt, hielt sich von jeder Bindung fern und irgendwann konnte ich ja auch verstehen, wieso. Deswegen wollte ich es damals aber nicht weniger, eine Beziehung mit ihm, als mir bewusst wurde, was ich anfing, für ihn zu empfinden.

"Ich dachte ehrlich... Der Alkohol würde mir zumindest ein bisschen helfen. Aber eigentlich... Will ich nur eins" seufzte ich und sag dabei zu Taehyung rüber, welcher meinen Blick ziemlich schnell erwiderte. Er sah nicht sonderlich ausgeschlafen, aber auch nicht unglücklich oder komplett fertig aus. Womöglich versuchte er, diesen Abend, der immerhin unser Abschluss war, ein wenig zu genießen. Aber es war schrecklich. Man spürte in unserem intensiven Blickkontakt die Sehnsucht nach dem anderen und wie gerne wir einfach nur von hier abhauen und bei dem anderen sein wollten.

Es war einfach beschissen. Alles was ich wollte, war bei ihm zu sein aber irgendetwas hielt mich auf. Mein Bruder war nicht der Grund, er schien selbst sich zu wünschen, dass Tae und ich nach alle dem doch noch glücklich werden könnten. Der Grund war, dass ich wusste, dass ich Tae verletzt hatte. Mein eigener Bruder hatte ihn verletzt und hintergangen und ich fühlte mich schuldig, weil er sich schuldig fühlte.

"Habt ihr... Miteinander geredet?" fragte mich mein Bester Freund, doch um ehrlich zu sein wusste ich nicht, was genau ich sagen sollte. Wir hatten ein wenig geredet, an dem Tag, an dem es passiert war avwe der Ältere wusste nicht, wie ich mich tatsächlich fühlte. An dem Abend war ich verletzt gewesen und hatte Dinge gesagt, die ich nicht wirklich so meinte, da ich nicht enttäuscht von ihm war. Sondern von mir selbst und meinem Bruder, nach all dem, was er mir antun konnte und das auch noch so einfach. Aber auch das hatte ich mit meinem Bruder geklärt, auch wenn es dauern würde, bis unser Vertrauen wieder vollkommen aufgebaut wäre und das wusste auch mein Zwilling.

Eigentlich stand uns beiden nichts mehr im Weg außer all diese Schuldgefühle, welche uns förmlich auffrasen. Alleine ihn anzusehen tat mir so unglaublich weh weil ich wusste, dass es ihm nicht gut ging. Und er auch heute, ähnlich wie ich, nur teilweise diesen Abend auch tatsächlich genießen konnte. Immerhin sah es so aus, als machte er sich jetzt schon auf den Weg, wieder zu gehen. Dabei waren die meisten noch hier und hatten ihren Spaß, aber ich... Ich konnte nur an eine denken.

Taehyung. Und nur Taehyung.

"Nicht wirklich. Beziehungsweise... Ein wenig, aber er weiß immernoch nicht, dass ich weiß, dass es nicht sein Schuld war. Ich... Sollte mit ihm reden. Tut mir leid, dass ich... So gehe, aber ich will dir deinen Abend nicht vermiesen" meinte ich und stand dann auch schon auf, um mich auf den Weg zu machen, Taehyung hinterher zu gehen. Ich wollte nur eins und ich brauchte es so sehr, weswegen ich einfach aufstand und ging. Naja noch nicht ganz. Jimin schien schon zu sehen, was ich vor hatte und hielt mich kurz an meinem Arm zurück, um mich mit einem liebevollen Blick ansehen zu können, bevor ich dem älteren hinterher gehen könnte.

"Ihr schafft das, Jungkook. Und jetzt... Hol ihn dir. Und lass ihn nicht mehr gehen, mh?" war das letzte was er sagte, ehe er mit einem breiten Schmunzeln zu seinem Freund lief, welcher schon zufrieden auf ihn wartete. Und ich, ich rannte dem Rothaarige hinterher, welcher gerade dabei war, die Party zu verlassen, um zu seinem Auto zu gehen. Er hatte sowieso nichts getrunken, weswegen er selbst fahren konnte und ich mir keine Sorgen machen musste. Bei Taehyung sowieso nicht.

Ich wollte einfach nurnoch zu ihm. Ja, wir sollten vielleicht vorher reden und nicht bloß unserer Lust und Verlangen, dieser unglaublich großen Sehnsucht hingeben, aber ich konnte nicht mehr anders. Ich vermisste ihn. Und heute Abend... Wollte ich ihn einfach nur spüren. Bei mir, an mir, seine Berührung auf mir und vorallem ihn in mir. Damit ich ihn so nahe wie möglich bei mir haben konnte.

Hielt ihn dann auch sofort an seinem Arm fest und brachte ihn dazu, sich in meine Richtung zu drehen, wenn auch etwas überrascht, da er mich tatsächlich nicht mitbekommen hatte. Aber ich wusste, dass er sehen konnte, wie groß meine Sehnsucht nach ihm geworden war.

So sehr liebte ich ihn. So sehr, sodass ich mich keine Sekunde länger mehr zurück halten konnte. Ich brauchte alles von ihm. Genau heute Abend.

"Bring mich nach Hause. Bitte" hauchte ich fast schon, da irgendwann einfach meine Stimme aufgab. Doch Taehyung weitete seine Augen nur ein wenig perplex, musterte mich aber dennoch irgendwie sanft und liebevoll, fast schon fürsorglich, als hätte er Angst, mich mit einer Berührung oder einem falschen Wort zu verletzen.

Und genau deswegen wollte ich jetzt auch nicht reden. Ich wollte ihn spüren, alles von ihm und wieder dieses Gefühl genießen, von ihm geliebt und vollkommen in seinen Bann gezogen zu werden. Alles zu vergessen und einfach nur seine Nähe spüren. Reden... Könnten wir auch noch später.

Oh wenn ich nur wüsste... Dass Tae nicht vor hatte, in Korea zu bleiben.

"Ich... Natürlich kann ich dich nach Hause bringen, Pretty-" "Nein... Bring mich zu dir nach Hause."

~

Das war eindeutig

Twins // 𝑇𝑎𝑒𝑘𝑜𝑜𝑘 ✓ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt