Harper PoV.
Als Jayden sich auf den Fahrersitz gleiten ließ, sich anschnallte und selbst als er den Motor startete, um aus dem Parkhaus zu fahren, sprach er nicht. Und ich wusste nicht so recht, wie ich sein Schweigen auffassen sollte. Ich wusste, dass er meine zerrissenen Sachen vorhin gesehen hatte. Man sah es an seinen Augen, weil diese sich merklich weiteten. Deshalb hatte ich auch erst gezögert, bis ich schließlich nachgab und Grace mein Baby überreichte. Denn sie hatte es auch gesehen. „Kannst du mir sagen, was in deinem Kopf vorgeht? Bitte.", flehte ich ihn mit zitternder Stimme regelrecht an. Diese erdrückende Stille hielt ich nicht aus, denn ich sah ja, wie es in seinem Kopf arbeitete und wie angespannt er war.
Jayden seufzte tief, fuhr sich mit seiner rechten Hand geschafft übers Gesicht, nur um mich kurz besorgt anzusehen, bevor er den Blick zurück auf die Straße vor sich richtete und trotzdem weiterhin schwieg. Als wir vor dem Gebäude ankamen, in dem ich mittlerweile schon einen guten Monat wohnte, hatte er immer noch nichts gesagt. Deshalb ging ich davon aus, dass er nicht mit mir reden wollte und beeilte mich aus dem Auto zu steigen. Gerade als ich mich durch die Tür zu ihm herunterbeugen wollte, war Jayden schon ausgestiegen, um zum Kofferraum zu laufen. Nachdem ich Ava mitsamt Maxi-Cosi von der Rückbank geholt hatte, wollte ich zu ihm, um zu sehen was er da tat. Als ich um die Ecke rumtrat, sah ich, dass er gerade dabei war meinen Kinderwagen auszuladen. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht. Aber was hätte das schon geändert.
Nachdem Jayden den Kinderwagen ausgeladen und aufgebaut hatte, wollte ich mich nur noch bei ihm bedanken und so schnell wie möglich verschwinden. „Danke. Das du uns nachhause gefahren hast Jayden.", sprach ich leise mit ihm. Jetzt endlich hob er seinen Kopf, um mir in die Augen zu sehen und dieser Ausdruck darin ließ mich erstarren. Denn seine grauen Augen strahlten nichts als Reue und Besorgnis aus. Das zweite Gefühl lag auf der Hand. Aber das erste konnte ich mir nicht erklären. Was bereute er? „Das war wohl das Mindeste bei dem was heute vorgefallen ist.", sprach er seit einer gefühlten Ewigkeit mit mir. „Das stimmt nicht." Auf meine Antwort erwiderte er nichts mehr. „Na los. Ich bring dich noch hoch.", bot er mir an, was ich aber dankend ablehnte. „Das ist wirklich nicht nötig. Ich schaff das allein."
„Keine Widerrede. Los komm.", damit lief er auch schon vor und ich trottete ihm hinterher. Da Jayden vor der verschlossenen Eingangstür stand, blieb mir nichts anderes übrig, als ihn mit reinzulassen. Außerdem war es unhöflich ihn hier in der Kälte stehen zu lassen, wenn er mir schon seine Hilfe anbot. So kam es, dass wir drei mit dem Aufzug nach oben fuhren. Auch als er mir den Kinderwagen in die Wohnung geschoben hatte, machte er nicht den Anschein wieder zu gehen. Weswegen ich ihn, ohne weiter zu beachten, stehen ließ, Ava in mein Schlafzimmer brachte, um sie dort in mein Bett zu legen. Damit wenigstens die Kleine schon mal schlafen konnte. Dann schloss ich leise die Tür hinter mir und ging zurück ins Wohnzimmer, wo Jayden es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte.
Und wenn ich gemütlich sagte, meinte ich auch gemütlich. Sein Jackett lag neben ihm, die oberen Knöpfe seines Hemdes waren aufgeknöpft, sein Kopf ruhte auf der Lehne und seine Augen waren geschlossen. Da er nicht hinsah, nahm ich mir die Zeit ihn genauer zu betrachten. Die Anzughose, die er heute wieder trug, passte ihm wie angegossen. Das weiße Hemd betonte seine Armmuskeln und auch seine Brust- und Bauchmuskeln blieben nicht verborgen. Seine Tattoos, die durch das Weiß leicht hindurchschimmerten, gaben ihm etwas Verruchtes, was wenn man ihn nicht kannte, einschüchternd und gefährlich wirken konnte. Genauso wie sein Auftreten. Doch mit seinem Charakter machte er das alles wieder weg. Auch wenn sein Körper mehr als gut aussah, machte mir sein Gesicht zu schaffen.
Er sah müde und geschafft aus, als hätte er die letzten Tage, vielleicht sogar Wochen, nicht mehr richtig geschlafen. „Du starrst mich an.", erklang seine tiefe Stimme vom Sofa. Das stimmt nicht, wollte ich eigentlich sagen. Ließ es aber bleiben, denn leugnen brachte nichts. Unter halb geschlossenen Lidern sah er mich an, wie ich verloren in meinem Wohnzimmer rumstand. Immer noch mit der Decke um mich geschlungen. „Komm schon her.", klopfte er neben sich auf die Couch. Nur langsam setzte ich mich in Bewegung, bis ich neben Jayden stand und mich mit Abstand zu ihm aufs Sofa sinken ließ. Ebenfalls erschöpft von dem nervenaufreibenden Tag lehnte ich mich zurück. Es herrschte kurz Stille bis der Junge neben mir diese unterbrach.
DU LIEST GERADE
The Fate of Life
RomanceHarper hatte es das letzte Jahr nicht leicht. Sie musste sich zwischen ihrer Schwester und ihren Eltern entscheiden. Als dann jedoch ein tragischer Unfall ihr ganzes Leben verändert, ist nichts mehr wie es war. Harper ist von jetzt an auf sich allei...