Harper PoV.
Nach diesem vollkommen verwirrenden Gespräch zwischen mir und Aylin war ich irgendwie aufgewühlt. Auch wenn ich nicht genau wusste, warum. Dieses Gespräch beschäftigte mich noch den ganzen Tag über. Erst als ich am Abend Grace anrief und mit ihr darüber sprach, kamen meine Gedanken allmählich zur Ruhe. Außerdem klärte ich mit ihr noch den morgigen Tagesablauf und wann ich Ava zu ihr bringen würde, damit ich pünktlich zu meinem Termin kam. Meine Mum hatte mich gestern Abend ebenfalls noch angerufen, was eine ausgesprochen nette Ablenkung war. Sie versicherte mir, dass sie am Freitag herkommen würden, und wünschte mir noch viel Glück für morgen. Ich glaube ich brauchte nicht erwähnen, dass ich in dieser Nacht total beschissen schlief.
Deshalb war ich am nächsten Morgen wie gerädert und es fiel mir schwer überhaupt aufzustehen. Nachdem ich mich doch dazu überwinden konnte, ging ich noch schnell duschen und rasierte mich, bevor ich Ava schließlich weckte, um sie ebenfalls fertig zu machen. Dann packte ich noch meine und Avas Tasche, legte sie zusammen mit ihrer Maus und ihrer Kuscheldecke in den Kinderwagen und machte mich dann zu Fuß auf den Weg zum Haus der Kings. Ich lief zwanzig Minuten bis dorthin und klingelte an der Tür. Grace hatte mir gestern versichert, dass die anderen alle Arbeiten waren. Denn ich wollte nicht, dass jemand mitbekam, wo ich heute hinmusste. Es hatte mich ja schon enorme Überwindung gekostet es überhaupt Grace zu erzählen.
Mit einem langen Schlafshirt und zerzausten Haaren öffnete sie mir die Tür. Ihren Schlafmangel sah man ihr sofort an. Aber sie war auch erst seit gut zwei Stunden zuhause und hatte sich bestimmt sofort hingelegt. „Guten Morgen.", begrüßte sie mich gähnend. „Morgen.", erwiderte ich nervös. „Wie hast du die Nacht geschlafen?", fragte sie mich besorgt, während sie mir Platz machte, damit ich den Kinderwagen ins Haus schieben konnte. „Nicht besonders gut.", antwortete ich ihr ehrlich. „Man sieht es dir an.", zeigte sie mir ein müdes Lächeln. Dann drehte sie sich zum Kinderwagen um und nahm Ava heraus. Mein kleines Mädchen, sah nicht weniger müde aus, worüber ich aber froh war, da Grace sich somit nochmal hinlegen konnte und Ava garantiert auch noch eine Runde schlief.
„Musst du jetzt gleich los?", fragte sie mich. „Ja.", kam es kurz von mir. „Hast du schon was gegessen?", sah sie mich prüfend an. Ich senkte verlegen meinen Kopf, sah auf meine Schuhe und wisperte kleinlaut „Nein.". „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du früh etwas essen sollst. Dein Kreislauf muss doch erstmal in Schwung kommen.", hielt sie mir gleich eine Predigt. „Ich habe aber noch keinen Hunger.", versuchte ich mich erfolglos zu verteidigen. Daraufhin antwortete Grace mir nicht mehr, wandte sich um und verschwand höchstwahrscheinlich in der Küche. Meine Vermutung bestätigte sich, als sie keine Minute später mit einem Müsliriegel wieder kam. Sie hielt ihn mir hin und sah mich auffordernd an, sodass ich gezwungen war, nach diesem zu greifen, ihn auszupacken und vor ihr zu essen.
„Na geht doch.", lobte sie mich halbherzig. Nach einem Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass es für mich jetzt an der Zeit war, zu gehen. Deshalb drückte ich Ava noch einen Kuss auf ihre Mütze und verabschiedete mich mit einer Umarmung und ein paar letzten Worten von Grace. „Ich hol sie heut Nachmittag wieder ab. Ich ruf dich aber vorher an und sag dir Bescheid." Dann verschwand ich aus der Tür. Da ich ohne Kinderwagen nicht so eingeschränkt war, stieg ich an der nächsten Haltestelle in den Bus ein und fuhr mit diesem zum Krankenhaus. Angekommen stand ich noch sicherlich 10 Minuten davor, weil ich dort nicht reinwollte. Doch nach einem erneuten Blick auf die Uhr musste ich einsehen, dass ich nicht drumherum kommen würde. Deshalb nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und setzte mich langsam in Bewegung.
Als erstes musste ich zur Anmeldung. Danach ging ich weiter zu den Warteräumen, um dort Platz zu nehmen und darauf zu warten, dass ich aufgerufen wurde. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum, wippte unruhig mit dem Fuß und knetete meine kalten Finger. In meinem Kopf spielten sich die unterschiedlichsten Szenarien ab, wie dieser Termin heute ausgehen könnte. Im besten Fall hatte es sich nur minimal verschlechtert und ich konnte getrost wieder nachhause gehen. Und im schlimmsten Fall machten sie mit mir heute einen Termin für eine OP aus. Wobei mir allein bei dem Gedanken ein kalter Schauer über den Rücken lief und das Gefühl der Übelkeit in mir aufstieg. Bitte, bitte lieber Gott, lass es nicht so schlimm sein., betete ich sehnlichst.
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The Fate of Life
RomanceHarper hatte es das letzte Jahr nicht leicht. Sie musste sich zwischen ihrer Schwester und ihren Eltern entscheiden. Als dann jedoch ein tragischer Unfall ihr ganzes Leben verändert, ist nichts mehr wie es war. Harper ist von jetzt an auf sich allei...