Kapitel 95

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Harper PoV.

Heute war Donnerstag. Mir kraute es jetzt schon vor dem Telefonat, was ich nachher führen würde. Und nein ich meinte keins mit meinen Eltern, sondern mit dem Krankenhaus bzw. meinem Arzt. Ich würde noch warten, bis Jayden von der Arbeit kam. Er hatte mir nämlich versprochen dabei zu sein und wollte deswegen heute etwas früher Feierabend machen. Die letzten Tage seit wir aus Blue Ridge zurückgekommen waren, verliefen ziemlich ereignislos. Wir mussten beide arbeiten, sodass wir uns nur sahen, wenn Jayden von der Arbeit kam, um mir Ava abzunehmen und ich dann kaum eine Stunde später das Haus verließ. Bei Avy hatte sich nichts verändert. Sie hatte mal gute und mal schlechte Nächte. Es sah aber auch nicht danach aus, dass es in nächster Zeit besser werden würde. Deshalb waren die letzten Nächte alle ziemlich kurz gewesen.

Als ich die Schlüssel gegen halb zwei im Türschloss hörte, saß ich gerade mit Ava auf dem Sofa. Diese hatte ihren Beißring im Mund, da sie vorhin, wieder Schmerzen bekommen und deshalb geweint hatte. „Hey.", steckte Jayden seinen Kopf kurz ins Wohnzimmer. „Hi.", brachte ich ihm entgegen. „Ich zieh mich schnell um und dann können wir anrufen. Okay?" „Ja.", nickte ich einverstanden, dennoch nervös. Damit war er schon halb auf dem Weg ins Schlafzimmer. Ava hatte ihn gerade nicht mitbekommen, weil sie so auf meine Kette fokussiert war, dass sie sich jetzt umso mehr freute, als sie ihn sah. Vor Freude fiel ihr sogar der Beißring aus dem Mund, der vollgesabbert in meinem Schoß landete. Da die Kleine anfing aufgeregt zu brabbeln und sich Jayden entgegenstreckte, nahm er sie mir ab und drückte sie an seine Brust.

„Na Prinzessin. Hast du deine Mum heute wieder auf Trab gehalten.", küsste er sie auf die Stirn, was sie freudig quietschen ließ. „Es ging schon. Sie kann ja nichts dafür. Mir müssen uns jetzt eben damit anfreunden.", antwortete ich Jayden auf seine Frage. „Wo du recht hast, hast du wohl recht.", erwiderte mein Freund, bevor er sich zu mir aufs Sofa setzte. „Wie geht es dir?", umfasste er sanft mein Gesicht mit einer Hand und sah mir in die Augen. „Geht schon. Ein bisschen nervös.", war ich ehrlich zu ihm. „Das ist ganz normal. Das wäre wahrscheinlich jeder an deiner Stelle.", versuchte er mich zu beruhigen. Und es funktionierte wirklich. „Bekomm ich noch einen Kuss, bevor ich anrufe?", fragte ich ihn leise. „Natürlich.", strich er mit seinem Daumen über meine Wange und lehnte sich zu mir vor, um mir meinen Wunsch noch zu erfüllen.

Widerwillig löste ich mich von ihm, um aufzustehen und mein Handy zu holen. Dann suchte ich im Internet nach der passenden Nummer, wählte diese und hielt mir mein Handy ans Ohr, um darauf zu warten, dass jemand abnahm. Nach jedem Tuten wurde ich unruhiger, weshalb ich anfing meine Hand immer wieder zu öffnen und zu schließen. Jayden bemerkte es und umgriff meine kalte Hand mit seiner warmen, um sanften Druck auszuüben und mir dadurch zu signalisieren, dass er da war. Ich starrte auf unsere verschränkten Hände und wartete angespannt, bis sich schließlich doch jemand am anderen Ende der Leitung meldete. „Park Hospital. Was kann ich für Sie tun?" „Guten Tag. Mein Name ist Harper Wilson und ich würde gern mit Dr. Miller sprechen, wenn das möglich wäre.", fragte ich freundlich, obwohl mir der Arsch gerade auf Grundeis ging.

„Aber natürlich. Warten Sie einen Moment. Ich stelle Sie zu ihm durch.", sprach die Frau des Empfangs mit milder Stimme. „Dankeschön.", bedankte ich mich höflich. Dann erklang wieder ein Freizeichen und ich sah zur Decke. Auch um die aufkommenden Tränen zu verdrängen. Jayden rutschte zu mir heran und küsste mich zärtlich auf die Wange, bevor er seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte. Ich lehnte meinen an seinen und versuchte ruhig zu atmen. „Guten Tag Ms. Wilson.", hörte ich die altbekannte Stimme meines Arztes durch mein Handy. „Guten Tag Dr. Miller.", begrüßte ich ihn kurz angebunden. „Sie rufen bestimmt wegen einem OP-Termin an.", legte er mir die Steilvorlage. Und ich musste mich nur noch zusammenreißen und sie nutzen.

„Ja. Ich hab darüber nachgedacht und...", brach meine Stimme mitten im Satz weg. Ich räusperte mich und setzte erneut an. „Ich wollte sagen, dass ich bereit bin über einen Termin zu reden." „Haben Sie irgendeinen Wunsch? Dann können wir nachsehen, ob das funktioniert." „Eigentlich ist es mir egal. Mir wäre nur am liebsten es möglichst schnell hinter mich zu bringen, damit ich mich nicht nochmal umentscheide.", war ich den Tränen nah, als ich diesen Satz aussprach. „Okay. Dann werde ich mal kurz nachschauen, was sich machen lässt. Bleiben Sie kurz dran?", klang seine Stimme ruhig und gefasst. Also genau das Gegenteil von meiner. „Natürlich.", versuchte ich überzeugend rüberzubringen. Ob es mir gelang, konnte ich nicht ganz sagen. Denn das Einzige, was es Bewirkte war, dass mir nun doch die Tränen kamen.

The Fate of LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt