Kapitel 2

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Harper PoV.

Die restliche Fahrt zum Krankenhaus dauerte vielleicht noch fünf Minuten. Nachdem wir ankamen, ging alles ganz schnell. Meine Schwester wurde herausgerollt und in das Krankenhaus geschoben. Ich folgte den Ärzten auf den Fersen, als sie meine Schwester in den OP-Saal brachten, wurde ich jedoch von einem Arzt aufgehalten. „Es tut mir leid. Sie können hier nicht mit rein. Die Ärzte kümmern sich ab jetzt um ihre Schwester." „Aber sie müssen mir versprechen, dass sie alles Erdenkliche tun werden, um meine Schwester und ihr Baby zu retten.", gab ich mich geschlagen, weil ich einsah, dass es nichts brachte, würde ich jetzt anfangen mit einem Arzt zu diskutieren. „Natürlich, das ist unsere Pflicht. Ich schicke eine Krankenschwester zu Ihnen. Die wird sich um Sie kümmern." Ich nickte nur unter Tränen, da es mir nicht mehr möglich war zu sprechen.

„Eine Frage hätte ich aber noch an Sie. Hat ihre Schwester irgendwelche Vorerkrankungen, von denen wir wissen sollten?" „Nein sie hat keine.", klang meine Stimme ungewöhnlich schwach. „Okay danke für ihre Auskunft. Ich werde jetzt gehen. Sie warten hier, die Schwester wird gleich da sein." Ich nickte wieder nur. Die Schwester kam und reichte mir eine große Taschentuchbox. „Hier." „Dankeschön.", lächelte ich sie schwach an. „Sie müssen aufhören zu weinen, dass bringt weder ihrer Schwester noch Ihnen etwas.", sagte sie in ruhigem Ton zu mir. „Ich werde es versuchen.", erwiderte ich nur. Dann brachte die Schwester mich zu zwei Stühlen, welche im Flur standen. In meinem Schockzustand hatte ich die noch gar nicht bemerkt. „Soll ich für Sie noch irgendjemanden anrufen?" „Nein danke, es gibt niemanden mehr den ich anrufen kann.", antwortete ich ihr leise.

„Können sie mir etwas versprechen?", dabei schaute ich ihr in die Augen. „Aber natürlich was es auch ist." „Können sie dafür sorgen, dass es meiner Schwester an nichts fehlt." „Ich werde sehen, was ich für sie tun kann." Ob ich noch irgendetwas brauchte, fragte sie mich als letztes, bevor sie mich allein ließ. Ich aber lehnte es nur dankend und mit einem mühseligen Lächeln ab. Von da an konnte ich nur noch beten, denn ich hatte solch eine Scheiß Angst um meine Schwester. Aber auch um das noch ungeborene Kind in ihr, dass ich mir nichts anderes vorstellen wollte. Ich hoffte einfach nur das alles gut gehen würde. Die nächsten Stunden machte ich nichts weiter als auf dem Stuhl zu sitzen, mir einen Tee zu holen, da ich Kaffee hasste, auch wenn ich in einem Café arbeitete, und mir ein bisschen die Beine zu vertreten.

Nach 5 Stunden kam endlich der Arzt von vorhin wieder. Ich war todmüde, geschafft und mit meinen Nerven wortwörtlich am Ende. Mittlerweile hatte ich mich zwar wieder ein bisschen beruhigt, aber der Gesichtsausdruck des Arztes entfachte meine Sorge erneut. Bei mir angekommen, versuchte ich seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Schaffte es aber nicht. Es bereitete mir noch größere Sorge, dass er sich neben mich setzte, mich nicht ansah und schwieg. Dort wurde mir wieder ins Gedächtnis gerufen, warum ich Krankenhäuser so sehr hasste. Nach meiner Vergangenheit und den letzten Ereignissen war es auch nicht so unverständlich. In meinen eigenen Gedanken vertieft, erschreckte ich mich fast zu Tode. Der Arzt fing nach geschlagenen fünf Minuten des Schweigens an mit mir zu reden. Was er zu mir sagte, ließ meine ganze Welt in tausende von Scherben zerbrechen.

„Ich habe eine Gute und eine Schlechte Nachricht für Sie. Welche wollen Sie als erstes hören?", fragte er mich ernstgemeint. „Ich weiß nicht so genau, ob ich sie überhaupt hören will.", antwortete ich den Tränen wieder nah, nachdem ich mich gerade einigermaßen wieder beruhigt hatte. „Dann erst die Schlechte...Es tut mir leid Ihnen sagen zu müssen, dass wir ihre Schwester nicht mehr retten konnten, aber die Verletzungen von dem Unfall waren zu schwer. Sie hatte großes Glück, dass sie nicht schon am Unfallort gestorben ist." „O nein, ich glaub es nicht, sagen sie mir, dass das nicht wahr ist. Sie hatte doch ihr ganzes Leben noch vor sich. Was mach ich den jetzt nur ohne sie?", brachte ich unter Tränen mühsam hervor und legte meinen Kopf in meine Hände. „Ich weiß es nicht, aber ich bin mir sicher Sie werden es schaffen."

Die nächste Frage überraschte ihn wahrscheinlich mehr als mich selbst, aber ich brauchte Gewissheit. „Darf ich fragen, ob sie gelitten hat bzw. ob sie gelitten haben?" „Sie dürfen alles Fragen." „Also was denken Sie?", fragte ich ihn, während ich ihm diesmal in die Augen sah. „Sie hat nicht gelitten. Sie war nur mal kurz bei Bewusstsein und meinte, dass Sie sich immer an sie erinnern werden. Sie Ihnen vertraut und deshalb beruhigt gehen kann." „Wirklich?", fragte ich erleichtert über seine Antwort. „Ja wirklich.", antwortete er und nickte. „Was war die gute Nachricht, die sie mir noch sagen wollten?" „Wir haben ihre Schwester leider nicht retten können, aber ihr... ihr Kind konnten wir noch retten." „Wirklich?" „Ja." „O mein Gott!", wieder schlug ich mir die Hand vor den Mund. Diesmal aber vor Freude. Dem Baby ging es gut. Wenigstens war nicht alles verloren.

„Eigentlich müssten wir das Baby beim Jugendamt melden, aber da Sie die nächste Angehörige sind und ich glaube, dass Sie das im Moment nur noch mehr erschüttern würde, war ich so frei, Sie in die Geburtsurkunde als „leibliche" Mutter von der Kleinen einzutragen." Es ist ein Mädchen. Die Kleine, es ist ein kleines Mädchen., war alles worüber ich im Moment nachdenken konnte. „Es... es ist ein Mädchen?" „Oh das wussten Sie nicht?" „Nein es sollte eine Überraschung werden bzw. bleiben. Sie hat es bis zum Schluss vor mir geheim gehalten.", lächelte ich sanft. Ich wusste lächeln war nicht unbedingt angebracht, nachdem ich erfahren hatte, dass meine Schwester gerade gestorben war, aber ich konnte nicht anders. „Wieso haben Sie die Geburtsurkunde umgeschrieben?" „Weil ich denken, dass Sie gerade wirklich weitaus größere Sorgen haben und sich nicht noch mit dem Jugendamt rumschlagen wollen. Das würde ich Ihnen gern ersparen.", sprach er leise, dass es niemand hören konnte.

„Aber warum? Sie könnten, deswegen ihren Job verlieren?", bekam ich ein schlechtes Gewissen. „Das mag sein. Aber auch nur, wenn es jemand erfährt. Und ich werde das niemanden erzählen." „Ich werde es auch niemanden erzählen. Danke nochmal.", pflichtete ich ihm bei. „Schon gut." Vor Rührung kamen mir wieder die Tränen. Einerseits wegen den Taten des Arztes. Andererseits, weil es dem kleinen Baby gut ging. Jedenfalls hatte der Arzt bis jetzt nichts anderes gesagt. Wenigstens lebte das Baby überhaupt. Ich wusste das hätte meine Schwester auch gewollt. Deshalb hatte sie als letztes gesagt, dass sie mir vertraut und beruhigt gehen kann. Ich musste nach vorne schauen und zusätzlich hatte ich noch die Verantwortung für ein kleines Kind.

Gerade dachte ich noch nicht an die Zukunft und wie es für uns beide nun weitergehen würde. Jetzt musste ich erstmal richtig realisieren, was der Arzt soeben zu mir sagte. Auch wenn die Kleine das Letzte war, was mir von Maddie und Noah blieb. Ich würde sie beschützen und mich um sie kümmern, als wäre sie meine eigene Tochter. Was sie in gewissermaßen jetzt auch war. Und dass nur wegen, den heldenhaften Taten des Arztes. „Wie heißen Sie eigentlich?", fragte mich der Arzt. „Ich bin Harper Wilson und meine Schwester hieß Madison. Und wie heißen Sie, wenn ich fragen darf?" „Natürlich dürfen Sie fragen. Ich bin Doktor Davis." „Haben sie Kinder? Entschuldigen Sie, wenn es zu persönlich ist, aber ich muss mich jetzt erstmal ablenken, da ich sonst zusammenbreche. Das wäre glaube ich nicht so gut."

„Ja da haben Sie wohl recht. Ich habe zwei Söhne. Die sind aber älter als Sie sind und ihre Schwester war. Einer von meinen Söhnen hat schon eigene Kinder. Und er ist sehr stolz darauf Vater zu sein, genauso wie ich stolz auf meine Söhne bin." „Das klingt sehr schön. Wissen Sie ich hatte bis vor einem Jahr auch noch eine richtige Familie. Doch geblieben ist mir nur meine große Schwester. Sie war mein größtes Vorbild und ist es immer noch, auch wenn sie jetzt nicht mehr da ist. Irgendwie werde ich es schaffen, so, wie Maddie auch immer alles geschafft hat." „Das ist die richtig Einstellung.", nickte Dr. Davis anerkennend. Dann verfielen wir beide in ein angenehmes Schweigen.

The Fate of LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt